Der Weg in die Partnerschaft - rechtzeitig die richtigen Weichen stellen

von Jan Heuser, Associate bei Shilton Sharpe Quarry und seit 2010 tätig in der juristischen Personalberatung.

Die Nachfrage nach hochqualifizierten Kollegen in den Top-Law-Firms in Deutschland ist auch im Jahr 2012 ungebrochen und stetig wachsend. Dem stehen pro Jahr nur etwa 500 bis 1.000 Absolventen gegenüber, die das gewünschte Gesamtpaket von Prädikatsexamen, Promotion und gegebenenfalls LL.M. mitbringen.

Sowohl für Berufseinsteiger als auch für erfahrene Associates (m/w) eine vermeintlich ideale Marktsituation.
Der Weg in die Partnerschaft ist jedoch bei weitem kein Selbstläufer und gerade in Zeiten unsicherer Finanzmärkte stellt sich die Frage der systematischen Karriereplanung für Associates jeder Senioritätsstufe. Der sogenannte Track eines jeden Associates in die Partnerschaft variiert von Kanzlei zu Kanzlei.

Es lassen sich dennoch einige wichtige Phasen allgemein bestimmen, in denen jeder Associate seinen eigenen Status Quo kritisch reflektieren sollte. Je mehr Berufserfahrung ein Associate in der Kanzleiwelt sammelt, desto mehr Erwartungen werden umgekehrt auch seitens der Partnerschaft an seine fachliche und persönliche Entwicklung gestellt. Stellt man innerhalb dieser – in zeitlicher Hinsicht kanzleiübergreifend relativ klar definierbaren – Entwicklungsstufen fest, dass notwendige Stufen auf dem Weg zur Partnerschaft nicht erreicht wurden oder lässt die Kanzlei den Associate bezüglich der weiteren eigenen Entwicklungen völlig im Ungewissen, sollte man über einen Kanzleiwechsel nachdenken. Dieser sollte eine geeignetere Plattform bieten, um das langfristige Ziel der Kanzleiteilhaberschaft zu erreichen.

Selbstständiges Arbeiten und Mandantenkontakt

Nach etwa zwei Jahren legen Kanzleien Wert darauf, Associates zu beschäftigen, die in dieser Senioritätsstufe eine signifikante Lernkurve aufweisen können. Sie müssen beweisen, dass sie eigenständig arbeiten können. Zudem wird von ihnen erster Mandantenkontakt erwartet. Daher gilt: Findet diese Entwicklung nicht innerhalb der ersten zwei Jahre statt, wird es mit zunehmender Seniorität schwerer, dieses Defizit aufzuholen. Der Associate kann dann von anderen Kanzleien nicht mehr in ein bestehendes Team integriert werden. Da die meisten Kanzleien auf ein organisches Wachstum setzen, würden so auch falsche Signale an die eigenen Associates auf gleicher Senioritätsstufe gesendet werden.

Die richtige Plattform für die eigenen Ziele

Nach etwa vier Jahren sollte die richtige Plattform gefunden sein, um sich optimal für die Zukunft positionieren zu können. Kommt diese Einsicht zu spät, wird ein Kanzleiwechsel zu einem späteren Zeitpunkt schwer. Der Track zur Partnerschaft wäre dann in einer anderen Kanzlei meist zu kurz. Wichtig ist insbesondere die richtige Teamstruktur zu haben. Sind mehrere Associates mit ähnlicher Berufserfahrung im selben Team, sind die eigenen Entwicklungsperspektiven zumindest limitierter, da nicht jeder Associate zum Partner gemacht werden kann. Daran schließt sich die Frage der freien Partnerslots an. Diese zu bestimmen dürfte im Einzelfall natürlich recht schwer sein. Ein Indiz kann insoweit jedoch die Anzahl der Partnerernennungen in den vergangenen Jahren sein. Weiterhin sollte sich die Kanzlei dem Associate gegenüber klar über dessen Entwicklungsmöglichkeiten geäußert haben. Sicherlich wird eine Kanzlei in dieser Phase keine festen Zusagen über eine künftige Partnerschaft machen. Dennoch ist es wichtig, der Kanzlei möglichst früh zu signalisieren, was die eigenen Ziele und Erwartungen für die Zukunft sind.

Belastbare Kontakte und Commitment

„Mit etwa sechs Jahren und mehr sollte der (Senior-)Associate bereits wissen, ob er in der eigenen Kanzlei Partner werden kann oder nicht. Grundsätzlich stellt sich nämlich ein Wechsel in dieser Senioritätsstufe als schwieriger dar, da sich aus Kanzleisicht oft die Frage stellt, ob der Associate bereits (erstes) eigenes Geschäft bzw. das notwendige unternehmerische Geschick mitbringt, um kurzfristig die nächste Karrierestufe zu erreichen. Einige Kanzleien versuchen zu diesem Zeitpunkt mit Hinhaltetaktiken Aussagen über konkrete Partneraussichten zu umgehen. Dies sollte man keinesfalls akzeptieren und eine eindeutige Stellungnahme einfordern. Stellt man fest, dass die Aussichten auf eine Partnerschaft in der eigenen Kanzlei ungewiss sind, sei es aufgrund fehlender „wertvoller“ Kontakte, erstem eigenen Geschäft oder aufgrund struktureller Gegebenheiten, gibt es grundsätzlich drei Möglichkeiten sich für die Zukunft zu positionieren.

Erstens: ein Wechsel in eine andere Kanzlei als Senior Associate oder Counsel, welche einen konkreten Track auf eine Partnerschaft bieten kann, wenn kein oder nur sehr wenig eigenes Geschäft mitgebracht werden kann. Positionen, die einen direkten Sprung auf die Partnerebene ohne eigenes Geschäft ermöglichen, sind zwar hin und wieder auch zu finden, allerdings relativ selten und heiß begehrt, sodass ein Warten hierauf mit großen Risiken behaftet ist.

Zweitens: Hat man sich einen (ersten) eigenen Business Case aufgebaut, kommt mit diesem aber bei seiner derzeitigen Kanzlei nicht weiter, sollte man den Markt nach Alternativen sondieren, welche eine unmittelbare Partnerposition ermöglichen.

Drittens: Auch ein Wechsel auf die Unternehmensseite ist denkbar, birgt auf dieser Senioritätsstufe jedoch Schwierigkeiten, denn Unternehmen verfolgen oft das Ziel einer nachhaltigen Personalentwicklung, was bedeutet, dass Führungskräfte aus den eigenen Reihen aufgebaut werden sollen. Doch auch wenn genügend Geschäft vorhanden ist und die Kanzlei Commitment signalisiert hat, stellt sich die Frage, ob man in der aktuellen Sozietät langfristig richtig aufgestellt ist oder ob in einem anderen Umfeld ein kürzerer Track zur (Equity-) Partnerschaft, höhere Verdienstmöglichkeiten oder bessere Möglichkeiten des Cross-Sellings aus anderen Praxisgruppen oder Standorten vorhanden sind.

Um den eigenen Marktwert optimal zu nutzen, sollte sich jeder Associate einer kritischen Selbsteinschätzung unterziehen. Bei wahrgenommenen Defiziten im Kanzleiumfeld, die der eigenen Entwicklung im Weg stehen, gilt es sich rechtzeitig nach Alternativen umzuschauen, um bei seiner Karriereentwicklung nicht in eine Sackgasse zu gelangen. Associates sollten daher fortlaufend die eigene Entwicklung im Blick haben und sich nicht blind auf einen vermeintlich vorgegebenen Track verlassen.

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Quelle NJW 23/2012