Themenschwerpunkt Referendariat: Einblick in die Zivilstation

von Jan-Rasmus Schultz, Diplom-Jurist und Promotionsstudent an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

Sowohl im ersten als auch im zweiten juristischen Staatsexamen nimmt das Zivilrecht eine herausragende Bedeutung ein. Während allerdings im ersten Staatsexamen das materielle Recht dominiert, ist im zweiten Examen entscheidend, dass die Rechtsreferendare das materielle Recht mit dem Zivilprozessrecht verknüpfen können.

Es geht also in erster Linie darum, einen materiell-rechtlichen Anspruch im Wege eines gerichtlichen Prozesses durchzusetzen. Jedoch erschöpft sich die Bandbreite der Aufgaben in der Zivilstation nicht bloß in der Prüfung, ob und auf welche Art und Weise ein Anspruch gerichtlich geltend gemacht werden kann. Die Rechtsreferendare müssen sich vielmehr mit sämtlichen Fragestellungen und Fallgestaltungen auseinandersetzen, die vor einem Zivilgericht auftreten können, damit sie vollständig und umfassend auf ihre spätere praktische Tätigkeit vorbereitet sind.

Im Mittelpunkt stehen hierbei regelmäßig die Beweisaufnahme und -würdigung sowie die Durchführung einer Zeugenvernehmung. Darüber hinaus werden die Rechtsreferendare mit der Anfertigung von Urteilen und Beschlüssen sowie der Vorbereitung eines Aktenvortrags betraut.

Inhalt und Ablauf der Zivilstation

Am Anfang der Zivilstation findet, wie grundsätzlich auch bei der Station im Strafrecht und im öffentlichen Recht, eine Einführungsveranstaltung statt. Im Rahmen dieser Einführung wird den Rechtsreferendaren innerhalb von zwei Wochen aufgezeigt, wie Verfügungen, Urteile und Beschlüsse aufgebaut sind und welche Besonderheiten sie hierbei beachten müssen.

Ziel der Einführungsveranstaltung ist somit, die Rechtsreferendare auf den bevorstehenden Dienst vorzubereiten, damit die dort zu bearbeitenden Fälle effizient und reibungslos gelöst werden können. Nachdem sie das notwendige juristische Handwerkszeug erlernt haben, werden sie einem Einzelrichter zugewiesen, bei dem sie die zuvor erlernte Theorie in die Praxis umsetzen können. Begleitend zu dem Dienst bei dem jeweiligen Einzelrichter werden die Rechtsreferendare ferner in wöchentlich stattfindenden Arbeitsgemeinschaften intensiv auf das zweite Staatsexamen vorbereitet. In kleinen Gruppen von durchschnittlich 20 Teilnehmern schreiben sie Übungsklausuren, besprechen prozessuale Besonderheiten und trainieren die Vorbereitung und Durchführung von Aktenvorträgen.

Die praktische Tätigkeit

Nachdem die Rechtsreferendare ihrem Einzelrichter zugewiesen wurden, beginnt für sie die praktische Tätigkeit am Amts- oder Landesgericht. Zu Beginn dieser Tätigkeit wird in einem Gespräch mit dem Einzelrichter aufgezeigt, welche Aufgaben die Rechtsreferendare erwarten und an welchen Sitzungstagen sie teilnehmen sollen.

Üblicherweise übergibt der ausbildende Einzelrichter wöchentlich eine oder mehrere Akten, die daraufhin zu untersuchen sind, wie das jeweilige Verfahren fortgeführt beziehungsweise beendet werden kann. In einem ersten Schritt ist hierfür anhand des Inhaltes der Akte zu prüfen, ob der Rechtsstreit bereits entscheidungsreif ist. In diesem Fall wird der Rechtsreferendar üblicherweise damit beauftragt, ein Urteil zu verfassen, um den Rechtsstreit zu beenden. Dieses umfasst den Tenor, den Tatbestand sowie sämtliche Entscheidungsgründe und erfordert von den Rechtsreferendaren sowohl das gründliche Studium der Akte nebst Anhängen als auch eine zielführende und klare Formulierung des Inhaltes.

Sollte der Rechtsreferendar nach Durchsicht der Akte hingegen zu dem Ergebnis gelangen, dass der Rechtsstreit nicht entscheidungsreif ist, so hat er das weitere Vorgehen zu prüfen und mit dem ausbildenden Einzelrichter abzustimmen. Regelmäßig wird dann weiterer Beweis erhoben werden müssen, um die Entscheidungsreife herbeizuführen. Hierfür können die Parteien entweder dazu aufgefordert werden, weiteren Sachvortrag darzubringen oder einen Sachverständigen hinzuzuziehen, dessen Gutachten dann der weiteren Entscheidungsfindung dient.

Darüber hinaus kann eine Zeugenvernehmung anberaumt werden, die oftmals von den Rechtsreferendaren vorzubereiten ist. Maßgeblich ist auch in diesem  Zusammenhang eine umfassende und gründliche Lektüre der entsprechenden Akte, damit einerseits festgestellt werden kann, über welche Aspekte der zu vernehmende Zeuge befragt werden soll und andererseits sichergestellt wird, dass die Vernehmung ordnungsgemäß und zügig erfolgen kann. Die Rechtreferendare erlernen durch die selbstständige Vorbereitung und Durchführung von Beweisaufnahme und Zeugenvernehmung den Umgang mit offenen Rechtsfragen, der ihnen spätestens in der mündlichen Prüfung des zweiten Examens, in denen der Aktenvortrag geprüft wird, von Nutzen ist.

Der Aktenvortrag

Dieser begegnet den Rechtsreferendaren bereits in der Zivilstation und wird in den Regelarbeitsgemeinschaften gründlich vorbereitet. Die  Rechtsreferendare erhalten hierfür eine Akte, deren Inhalt sie darzulegen und rechtlich zu würdigen haben, um am Ende des Vortrages ein Ergebnis formulieren zu können. In der mündlichen Prüfung dauert der Vortrag zwar nur ungefähr zehn Minuten, allerdings haben die Rechtsreferendare lediglich eine Stunde Zeit, um sich darauf vorzubereiten.

Abschließend betrachtet ist festzuhalten, dass die Rechtsreferendare in der Zivilstation mit anspruchsvollen Aufgaben betraut werden, von denen sie in der Stationsarbeit im Hinblick auf die schriftliche und mündliche Prüfung im zweiten Staatsexamen enorm profitieren.

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Quelle BECK Stellenmarkt 17/2017