Jurastudium: Work smarter, not harder!

Von Anette Maier, Rechtsanwältin und Syndikus-Steuerberaterin

Mit guter Planung lässt sich wertvolle Zeit gewinnen – durchaus auch, um mehr Freizeit zu haben!

1. Organisation und Struktur

Zeit ist ein knappes, im Angesicht nahender Prüfungen oder Abgabeterminen zunehmend knapper werdendes Gut, das sinnvoll eingesetzt und geplant werden will.

Denn Zeit lässt sich nicht ansparen, verlängern oder hinzuerwerben. Und zumindest Anwältinnen und Anwälten, die ihre Tätigkeit dem Mandanten in Zeiteinheiten in Rechnung stellen, ist nicht nur sprichwörtlich, sondern ganz real bekannt, dass Zeit Geld ist.

Dies sollte allerdings nicht zu der Annahme verleiten, Zeitmanagement diene vor allem der ökonomischen Wirtschaftlichkeit und damit im späteren Leben dazu, in weniger Zeit mehr Geld zu verdienen.

Richtig verstanden bedeutet Zeitmanagement vielmehr, den zeitlichen 
 Rahmen eigener Bedürfnisse durch einen strukturierten Prozess mit äußeren Vorgaben in Einklang zu bringen.

Eigene Bedürfnisse umfassen dabei die ganze Bandbreite dessen, was dem Einzelnen für das Wohlbefinden wichtig ist, wozu Sport genauso zählen kann wie völliges Nichtstun.

Letzteres ist dabei umso entspannender, je weniger das schlechte Gewissen ob unerledigter Aufgaben oder bedrohlich naher Deadlines auf einem lasten.

Daher mag man das Motto „work smarter, not harder” als Wegweiser durch lange „To-Do”-Listen der einschlägigen Zeitmanagement-Literatur begreifen: Auch unter großem Druck den Aufgaben gewachsen zu sein, sich einer Vielzahl unterschiedlicher Vorgaben stellen zu können und die eigene Effizienz durch fokussiertes und konzentriertes Arbeiten zu erhöhen. Damit lassen sich zähe Arbeitsprozesse, verpasste Deadlines oder viel zu knapp bemessene Vorbereitungszeiten und dadurch insbesondere  unnötiger Stress und Frustration vermeiden. 

Mit guter Planung lässt sich wertvolle Zeit gewinnen. Wie man sie nutzt, bleibt der individuellen Entscheidung überlassen und kann also auch mehr Freizeit statt mehr Arbeit bedeuten.

Zeitmanagement schafft den Rahmen dafür, innerhalb dessen jeder individuell für sich ein optimales Verhältnis von Arbeit und Freizeit finden muss.

Dieses Optimum setzt Planung und Organisation der Prioritäten voraus, die von den jeweiligen Bedingungen und Vorgaben abhängen. So bringt es beispielsweise wenig, zu Beginn des Studiums zu sprinten, wenn die Kraft dann nicht für den Spurt am Ende reicht.

Ausschließlich auf den einen Spurt am Ende zu setzen, wird aber auch nur bei Ausnahmetalenten zum Erfolg beim Examen ausreichen. Daher bedarf es Klarheit darüber, welche Prioritäten zu bestimmten Zeiten im Vordergrund stehen, Disziplin, diese möglichst effizient zu erreichen und Erkenntnis, wann es Zeit für einen Tempowechsel ist.

Dies wiederum setzt voraus, die bis zum jeweiligen Termin verbleibende Zeit zu strukturieren und so einen angemessenen Rahmen für externe Vorgaben wie interne Bedürfnisse zu schaffen. Hierzu dient Zeitmanagement – nicht nur, aber auch im Rahmen der Prüfungsvorbereitung. 

2. Wichtiges und Dringendes durch aktive Planung steuern 

Wichtiges ist nicht automatisch dringend und Dringendes nicht notwendig wichtig.

Ein klingelndes Telefon mag dringend sein, denn wenn man nicht dran geht, verpasst man den Anruf. Ob es sich um einen wichtigen Anruf handelt, werden Sie allerdings erst nach dessen Entgegennahme feststellen. Damit die dringenden nicht die wichtigen Dinge in den Hintergrund treten lassen, brauchen Sie neben dem Wichtigen auch Zeit für Dringendes.

Um sich diese Zeit – auch für Spontanes – nehmen zu können, empfiehlt sich der Einbau von ausreichenden zeitlichen Puffern in der Tages- und Wochenplanung; dies auch deshalb, um an Tagen, an denen es mal nicht so gut läuft, nicht der Zeit hinterher zu laufen und immer mehr in Verzug zu geraten. Ein solcher Zustand schafft Stress und Frustration. 

3. Aktive Zeitplanung für optimale Vorbereitung 

Genauso wie es besser ist, vor als hinter der Welle zu schwimmen, so ist es angenehmer, weiter als der eigene Zeitplan zu sein, statt stets hinterher zu hecheln.

Planen Sie deshalb aktiv und nicht passiv, steuern Sie den Zeitplan und lassen sich nicht von Deadlines und unvorhergesehenen Ereignissen steuern.

Zwar können Sie deren Eintritt nicht beherrschen, mit guter Zeitplanung den Einfluss auf Sie und Ihre Prüfungsvorbereitung hingegen schon. Es ist einfacher, auf Termine hinzuarbeiten als von ihnen überrascht zu werden. Im Studium steht mit relativ großer Vorlaufzeit fest, wann eine Hausarbeit abzugeben oder eine Prüfung zu schreiben ist. Sinnvoll ist es, von diesem Datum aus rückwärts zu planen bis zu dem Tag, an dem Sie mit der Vorbereitung beginnen wollen.

Stellen Sie dabei fest, dass die  Planung unrealistisch ist, verlagern Sie den Beginn der Vorbereitung so weit nach vorne, dass der Plan auch mit Puffern zu schaffen ist.

Ist allerdings der Tag der Planung auch der Tag maximalen Beginns der Vorbereitung auf eine Prüfung, müssen Sie den Stoffumfang kürzen, entweder die Breite oder Tiefe des Lernens („Mut zur Lücke”) und / oder auf Übungen und Wiederholung verzichten.

 a)   Allgemeines zu Prüfungen 

Für die Prüfungsvorbereitung bietet sich an, den Lernstoff in Tagesportionen herunterzubrechen und dann die jeweiligen Wochen und Tage kleinteiliger zu planen.

Dazu kann man zunächst in Lern- und Freizeittage trennen und den Stoff, der Gegenstand der Prüfung ist, durch die Anzahl der Arbeitstage unter Berücksichtigung von Veranstaltungen, die Sie besuchen wollen/müssen, zu teilen.

Bei der Beurteilung des zu lernenden Stoffes hilft das Inhaltsverzeichnis Ihres favorisierten Lehrbuchs bzw. die Vorlesungsgliederung und die dort pro Thema zugewiesene Seiten- bzw. Vorlesungsstundenzahl. Dies ist der Zähler Ihrer Rechnung. Der Nenner ermittelt sich aus der Zahl der bis zum Prüfungstermin bestehenden Arbeitstage abzüglich Tagen für Wiederholung und Übung, die ebenfalls festzusetzen sind.

Denn um den gelernten Stoff auch zu behalten und reproduzieren zu können, sollte immer, insbesondere kurz vor dem Prüfungstermin, ausreichend Zeit für Wiederholung und Übung zur Verfügung stehen.

Erfahrungsgemäß fällt ohne mehrmalige Wiederholung erstmalig Gelerntes durch den Rost. Die Wiederholung sollte deshalb im Rahmen reguläreren Lernens immer das z. B. während der zwei vorangegangenen Tage und das vor einer Woche Gelernte erfassen.

Übungen und Musterklausuren, die ebenfalls einzuplanen sind, dienen der Abrundung. Ein gutes Zeitmanagement hilft auch, sich einen gewissen Tagesrhythmus vorzugeben, anstatt immer wieder neu zu überlegen, womit man heute beginnt. So bietet es sich z. B. an, den Lerntag mit der Wiederholung zu beginnen und die Bearbeitung von Fällen ans Ende zu stellen.

Reicht die zur Verfügung stehende Zeit nicht für eine vollständige Fallbearbeitung, sollte Ihre Zeiteinteilung zumindest Raum für die Erstellung einer eigenständigen Gliederung und einen Abgleich mit der Musterlösung vorsehen.

Schaffen Sie Freiräume: permanentes Lernen ist kontraproduktiv. Zeitmanagement ermöglicht es Ihnen, den Tag in thematische Einheiten mit ausreichenden  Pausen einzuteilen, z. B. in 90-Minuten-Blöcke mit einer halbstündigen Pause dazwischen sowie einer längeren Pause nach zwei Lerneinheiten. Und denken Sie an sich – nicht nur bei der Planung von Freizeit, sondern auch bei der des Tagesrhythmus: Kein Mensch kann gegen seine biologische Uhr arbeiten. Weil in Tiefschlafphasen selten gute schriftliche Leistungen erzielt werden, sollte sich allerdings Ihre innere Uhr über den Zeitraum der Prüfungsvorbereitung langsam in Richtung der Uhrzeit des Prüfungstermins entwickeln. Auf ausreichend Freizeit (an Lerntagen und ganz ohne Arbeit mindestens einmal in der Woche) ist zu achten.

Trotz guten Zeitmanagements kann es sein, dass Sie einzelne Themen nicht in dem von Ihnen gewünschten Maß beherrschen.

Dennoch: am Tag vor einer Prüfung lieber früh ins Bett gehen als frustriert die Nervosität durch hektisches Lernen auf den letzten Drücker steigern.

b) Vorbereitung auf das Staatsexamen

Die Vorbereitung auf das Staatsexamen kann grundsätzlich denselben Regeln folgen, allerdings mit ein paar Unterschieden: Verteilen Sie die von Ihnen gewählten Lernzeiten anteilig auf die Anzahl der auf jeden Fachbereich entfallenden Prüfungen.

Stehen z. B. fünf Prüfungen im Zivil- und jeweils zwei im Straf- und öffentlichen Recht an, so bietet es sich an, 5/9 der Arbeitszeit Zivilrecht und jeweils 2/9 den anderen Rechtsgebieten zuzuweisen.

Um Abwechslung zu schaffen, sollten immer zwei Rechtsgebiete am Tag behandelt werden, mithin im Regelfall immer Zivil- und dazu jeweils im Wechsel Straf- und öffentliches Recht.

Planen Sie ein, den Stoff zusätzlich etwa am 10. und 20. Arbeitstag nach der vorangegangenen Wiederholung nochmals durchzugehen.

Berücksichtigen Sie, dass damit nach ca. einem halben Monat Ihr Pensum, dem Sie täglich Zeit für erstmalig zu Lernendes zuweisen können, sinken wird und dass dies nach einem Monat nochmals erfolgt. Je näher Sie dem Staatsexamen kommen, desto häufiger sollten nachmittags Übungszeiten eingeplant werden.

Die Zeit, in der kein neuer Stoff mehr aktiv gelernt wird, ist dabei so ausreichend zu bemessen, dass vor der Prüfung alles noch mindestens einmal wiederholt werden kann. Idealerweise sollten hierbei abseitigere Themen zu Beginn und wesentliche Bereiche gegen Ende der Wiederholungsphase stehen.

 c)  Hausarbeiten

Für die Zeitplanung von Hausarbeiten kann mit der Gliederung begonnen werden, um basierend darauf die dahinter stehenden Themen zu identifizieren.

Jedem dieser Themen kann dann ein bestimmtes Zeitkontingent für Recherche zugewiesen werden, das sich wiederum auf die insgesamt für die Hausarbeit eingeplanten oder noch verfügbaren Arbeitstage verteilen lässt.

Bedenken Sie bei Bemessung der Gesamtarbeitszeit, dass Sie neben der Recherche- und Schreibzeit auch noch ausreichend Zeit für das Korrekturlesen sowie die Bearbeitung von Themen benötigen, die sich erst im Schreiben und nicht bereits bei der Gliederung als relevant erweisen. Für die Themensammlung, Beurteilung der Relevanz und Anordnung/Themenabfolge kann zudem das Zettelsystem hilfreich sein (sehr ausführlich beschrieben in Heussen, Time-Management für Anwälte).

Notieren Sie dazu (handschriftlich oder elektronisch) jeden Gedanken bzw. jedes Unterthema auf einen separaten Zettel (oder im elektronischen Dokument in eine separate Spalte).

Darunter lassen sich alle relevanten Argumente und Schlussfolgerungen sowie Fundstellen sammeln. Nach Abschluss dieser Arbeit können die Zettel in die für die Gesamtarbeit stimmige Abfolge geordnet werden.

Dieses System hilft auch dabei, anfängliche Schreibblockaden aufzulösen und eine umfassende Arbeit in überschaubare Teilstücke herunterzubrechen

4. Zeitmanagement als Erfolgsfaktor

Voraussetzung von guter zeitlicher Organisation ist eine ausreichende, die erwarteten und unerwarteten Ereignisse widerspiegelnde Planung eines jeden Tages vor dem Prüfungstermin.

Wie die Landkarte nicht das Land ist, so bildet auch Planung nur die Wirklichkeit ab, ist aber selbst nicht real.

Passen Sie also – wo erforderlich – Ihr Time Management für gute Prüfungsvorbereitung und Prüfungsleistungen im Verlauf des Lernprozesses an.

Weichen Sie aber nicht ohne guten Grund von den Vorgaben ab, die Sie sich gegeben haben – sowohl beim Lernen wie bei den Dingen, die Ihnen neben einem guten Prüfungsergebnis wichtig sind, ermöglicht Ihnen doch vorausschauende Zeitplanung beides. 

Anette Maier, LL.M. (Univ. London), EMBA (Univ. St. Gallen), MBA (Univ. Toronto) ist Rechtsanwältin und Syndikus-Steuerberaterin. Sie ist seit 2015 bei der Allianz SE in München im Bereich internationale Steuern/Steuerplanung und war zuvor lange Jahre in einer internationalen sowie als Partnerin in einer lokalen Wirtschaftsrechtskanzlei tätig.

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Quelle Studienführer 2017/2018