„Die Leidenschaft für das, was man tut, ist am wichtigsten. Fachwissen kann man sich aneignen. “

Bärbel Kuhlmann im BECK-Stellenmarkt Interview

Als Partner bei einem bedeutendem Beratungsunternehmen hat man keinen Nine-to-five- job. Unsere Redakteurin Susanne Raff sprach mit Bärbel Kuhlmann, Partner und Head of Employment Law bei EY, über ihren Arbeitsalltag, ihre Begeisterung für den Anwaltsberuf und weshalb das Arbeitsrecht das lebendigste Rechtsgebiet überhaupt ist.

Frau Kuhlmann, wie sieht Ihre Tätigkeit als Head of Employment Law aus?

Als Fachanwältin bediene ich die gesamte Klaviatur des Arbeitsrechts. Dabei geht es nicht nur um die Beendigung von Arbeitsverhältnissen. Unsere Beratung beginnt mit einer strategischen Personalplanung in den Unternehmen und setzt sich fort beispielsweise über Umstrukturierungen, Transaktionen, Verlagerungen, die Einrichtung von Shared-Service-Centern und die Entsendung von Mitarbeitenden, was selbst in der Pandemie stattfindet. Darüber hinaus berate ich mit meinem Team zur betrieblichen Altersversorgung und Mitarbeiter-Beteiligungsprogrammen. Immer wichtiger wird auch das Öffentliche Arbeitsrecht, besonders in Kommunen und Gesellschaften in Bundeseigentum.

Wie unterscheidet sich die juristische Arbeit in einem Beratungsunternehmen zu jener in einer großen Wirtschaftskanzlei?

Vor allem im interdisziplinären Handeln. In einem Beratungsunternehmen, wie wir es sind, muss man als Rechtsanwalt regelmäßig über den eigenen Tellerrand hinausschauen – und auch andere Bereiche mit berücksichtigen. Viele große Umstrukturierungsprojekte zum Beispiel, haben auch steuerrechtliche Auswirkungen und bedürfen ferner bei der Umsetzung eines Change Management Konzepts.

Auch während der Pandemie Gerichtstermine und Termine beim Mandanten

Wie läuft Ihr typischer Arbeitstag ab?

Frühmorgens E-Mails bearbeiten und gegebenenfalls an Kolleginnen und Kollegen weiterleiten, damit eine zeitnahe Bearbeitung sichergestellt wird. Im Laufe des Tages gilt es, Termine wahrzunehmen, vor Ort und per Teams, Anfragen zu beurteilen, Freigaben zu erteilen, Arbeitsergebnisse zu reviewen. Die Interaktion mit meinen Mitarbeitenden geschieht sternförmig, damit nichts ins Stocken gerät. Dazu beantworte ich eigene Anfragen von Mandanten, leite Planungen, spreche Empfehlungen aus – auch für unser Recruiting. Learning und Training von Nachwuchskräften ist ebenfalls ein Thema für das ich bei EY Law gerne Verantwortung übernommen habe. Auch während der Pandemie füllen Gerichtstermine oder Termine mit oder beim Mandanten einen großen Teil meines Arbeitstages aus.

Stichwort Pandemie: Wie hat diese das Teaming mit Ihren Mitarbeitenden verändert?

Die Veränderung ist gar nicht so groß, da unsere Ausstattung und Arbeitsweise schon vorher sehr flexibel war: Alle Mitarbeitenden sind mit Laptop und Smartphone ausgestattet und remote gearbeitet wurde auch – wenn auch vereinzelt – schon vorher. In der Pandemie liegt der Schwerpunkt natürlich auf dem Homeoffice, aber jenen, die Geräte wie Fax und Drucker nutzen müssen, bieten wir unter Wahrung der Abstands-und Hygiene regeln buchbare Büros an. Aber es fehlen natürlich die Social Events!

Hat die Pandemie die Inhalte Ihrer Arbeit verändert?

Ich würde sagen: nicht verändert, aber ergänzt. Ab Tag 1 der Pandemie wurden wir mit vielen arbeitsrechtlichen Fragestellungen konfrontiert: Darf man Mitarbeitenden Reisen nach Italien verbieten? Was ist mit Kurzarbeit und den Anspruchsgrundlagen? Wie kann man das Arbeiten von zu Hause durchsetzen und und und. Tatsächlich hielten wir immer unsere typischen Tätigkeiten aufrecht – die Covid-basierten Themen kamen hinzu.

Überstunden können auch mal abgebaut werden

Wie steht es bei EY Law um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie?

Das ist ein zentrales Anliegen unserer Firma, das bereits seit geraumer Zeit gefördert wird. Insbesondere auch aufgrund unserer Größe können wir gute Konzepte und Programme umsetzen. Ich habe selbst drei Kinder und in meinen zehn Jahren in dieser Position keine nennenswerten Kollisionen erlebt. In den Teams wird Eigenverantwortung gefördert, so dass – eher unüblich für Kanzleien – auch mal Überstunden abgebaut werden können. Flexible Elternzeitwünsche werden unterstützt und Boni können in Freizeit umgewandelt werden.

Wie hoch ist der Frauenanteil bei den Partnern?

Von 40 Partnern bei EY Law sind acht Frauen, also 20 Prozent. Die Frauenförderung in den unteren Ranks ist ein großes Thema: Wir versuchen, die jungen Rechtsanwältinnen früh abzuholen und zu ermutigen, sich eine Stellung als Partner zum Ziel zu setzen, indem man ihnen Förderprogramme und Lehrgänge für Managerinnen anbietet.

Welche Eigenschaften sollte ein Partner auf jeden Fall mitbringen?

Das sind vor allem drei Dinge: Erstens Kompetenz und zwar sowohl fachlich als auch geschäftlich. Als Rechtsanwalt in einem Beratungsunternehmen braucht man auch Geschäftssinn, also das Gespür für Ideen, Geschäftsmöglichkeiten und Lösungen. Zweitens große Führungsfähigkeit, um Mitarbeitende zu führen und ausbilden zu können, man muss Potenziale erkennen und Schwächen analysieren können, um richtig zu fördern. Drittens die Fähigkeit, interdisziplinär zu arbeiten: kommunikativ und offen sein, Verständnis für andere Themen als nur die eigenen zu haben, mitwirken zu können, den richtigen Ton zu finden und Geschäftsmöglichkeiten auch für andere Bereiche sehen zu können.

Stichwort Boomerang Hiring und Alumni-Netzwerk: Wie gelingt es Ihnen, ehemalige Mitarbeitende an sich zu binden?

Unser Alumni-Programm bietet ehemaligen Mitarbeitenden regelmäßige Veranstaltungen und aktuelle Informationen, das ist sozusagen ein zentral und intensiv gepflegter Austausch. Als Berater lernt man viele verschiedene Unternehmen kennen, und nicht jeder hat das Ziel, Partner zu werden. So liegt es in der Natur der Sache, irgendwann seine Erfahrung aus vielen Unternehmen letztlich einem einzigen zur Verfügung stellen zu wollen, aber seinen früheren Arbeitgeber in guter Erinnerung zu behalten. Unser Alumni Netzwerk hilft einerseits, gute Ehemalige wieder zu rekrutieren, andererseits neue Einsatzmöglichkeiten für EY zu finden. Allerdings kommen auch viele Kolleginnen und Kollegen wieder zu uns zurück, nachdem sie andere Erfahrungen gesammelt haben. Der kürzeste Weggang waren drei Tage, häufig sind es jedoch eher ein bis zwei Jahre.

Was war die größte Herausforderung, der Sie sich bisher in Ihrer Berufslaufbahn stellen mussten und wie haben Sie sie bewältigt?

Vor 20 Jahren hatte ich einen sehr guten Ausbilder und nach meinem damaligen Wechsel in eine andere Kanzlei war ich vom ersten Tag an auf mich alleine gestellt – jede Entscheidung selbst zu verantworten und dieser auch zu trauen, das war eine Herausforderung. Allerdings habe ich daraus gelernt, dass ein solcher Schritt wichtig ist. Entwicklung findet immer außerhalb der Komfortzone statt!

Welche Einschränkungen bringt der Beruf mit sich?

Erstens, dass man sehr wenig Zeit außerhalb der Arbeit hat. Als Anwältin ist man 24 Stunden am Tag Anwältin! Man nimmt viele Aufgaben und Fragestellungen mit nach Hause und kann die Akte nicht einfach schließen und vergessen. Zweitens die Nicht-Planbarkeit der Aufgaben. Man ist wie ein Jongleur mit einer wechselnden Anzahl von Tellern, die alle in der Luft bleiben müssen. Dies ist aber auch ein Grund, warum ich es liebe, Anwältin zu sein. Es ist immer spannend und abwechslungsreich.

Was ist Ihr persönlicher Ausgleich zu Ihrem Arbeitsalltag?

Familie, Freunde, Sport, Hund. Wobei ich letztere beide gut verbinden kann, da ich leidenschaftliche Läuferin bin.

Wenn Sie nicht Juristin geworden wären – was wären Sie dann geworden?

Als Teenager wechselten meine Berufswünsche ständig, mein letzter Berufswunsch war, Sängerin zu werden. Das wäre aber wahrscheinlich keine gute Idee gewesen! Ich studierte zuerst BWL. In meiner ersten Rechtsvorlesung machte es bei mir »klick« und nach dem Vordiplom wechselte ich zu den Juristen.

Warum kann man jungen Juristinnen und Juristen die Spezialisierung im Arbeitsrecht besonders empfehlen?

Das Arbeitsrecht spiegelt alle Facetten des Lebens wider. Hier geht es regelmäßig um typische Lebenssituationen im beruflichen Alltag, um Kommunikation, um Psychologie, um Hierarchien. Jura gilt als trocken, aber das Arbeitsrecht ist nicht trocken, es fußt natürlich auf einer Gesetzeslage, aber ist darüber hinaus sehr lebensnah, spannend und so vielfältig wie das Leben selbst.

Welchen Tipp würden Sie gerne Nachwuchsjuristen und -juristinnen auf den Berufsweg mitgeben?

Die Haltung und die Leidenschaft für das, was man tut, sind am wichtigsten. Fachwissen kann man sich weiter aneignen. Wissen, wofür man brennt, was einem gefällt – nur dann kann man erfolgreich sein. Neben einer guten Leistung zu erkennen, wo die eigene Leidenschaft und Fähigkeit liegen und dies dann weiterzuentwickeln. Ansonsten ist das Berufsleben nicht erfüllend. Wichtig ist auch, sich die Neugier zu bewahren, die Komfortzone zu verlassen, damit man nicht einrostet. Dies alles ergibt den glücklichen Erfolg.

Frau Kuhlmann, wir danken Ihnen für das Gespräch.

 

Über die Interviewpartnerin:

Bärbel Kuhlmann
ist Rechtsanwältin und leitet den
Bereich Arbeitsrecht bei EY Law