Seit wann sind Sie im Arbeitsrecht tätig und wie sind Sie dazu gekommen?
Ich bin seit 2012 in unserer Kanzlei als Rechtsanwalt tätig. Meine heutigen Partner kannte ich von einer Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Referendar im Bereich Arbeitsrecht einer großen Wirtschaftskanzlei in Frankfurt. Dort bin ich eher zufällig gelandet. Ich wollte in einem Rechtsgebiet mit sehr engem Bezug zur Realität tätig werden. Interessiert haben mich damals das Kartellrecht und eben das Arbeitsrecht. Ich habe mir während meiner Promotion dann verschiedene Wirtschaftskanzleien im Rahmen von Bewerbertagen und anderen Veranstaltungen angeschaut.
Wie sieht die tägliche Arbeit im Bereich Arbeitsrecht für einen Rechtsanwalt aus?
Wie viele andere Rechtsanwälte telefonieren und korrespondieren wir viel mit Mandanten oder Kollegen auf der Gegenseite. Zudem schreiben wir recht häufig Schriftsätze, Gutachten oder andere Stellungnahmen. Regelmäßig nehmen wir auch Gerichts- und Verhandlungstermine in ganz Deutschland wahr. Neben der Mandatsarbeit hat man natürlich auch immer wieder verschiedene interne Themen der Kanzlei zu besprechen und voranzubringen.
Welche Schwerpunkte bearbeiten Sie inhaltlich?
Wir werden nahezu ausschließlich auf Seite von Unternehmen, also der Arbeitgeberseite, tätig. Hier kann man grob zwischen dem Individualarbeitsrecht, der Rechtsbeziehung zwischen dem einzelnen Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber, sowie dem Kollektivarbeitsrecht, der Rechtsbeziehung zwischen dem Arbeitgeber und Betriebsräten/Gewerkschaften, unterscheiden. Zudem über nehmen wir regelmäßig die arbeitsrechtliche Beratung bei Unternehmenstransaktionen (also insbesondere dem Kauf oder Verkauf von Unternehmen), Restrukturierungen von Unternehmen (z.B. der Schließung oder Neuaufstellung von Unternehmensteilen oder kompletten Unternehmen) sowie bei bestimmten Projekten (z.B. internen Untersuchungen). Ein Schwerpunkt des Arbeitsrechts sind dabei natürlich immer auch Kündigungsschutzverfahren.
"Der „Griff in die Kasse“ in all seinen Ausprägungen ist z.B. ein Klassiker"
Wie kommt es typischerweise zum Ausspruch von Kündigungen?
Kündigungen werden aus unterschiedlichen Gründen ausgesprochen. Am häufigsten sind betriebsbedingte und verhaltensbedingte Kündigungen. Bei betriebsbedingten Kündigungen entscheidet sich der Arbeitgeber aus ganz unterschiedlichen Gründen, dass er eine bestimmte Stelle nicht mehr benötigt. In den letzten Jahren ist dies z.B. besonders häufig aufgrund der Digitalisierung der Fall gewesen. Eine Software übernimmt beispielsweise die Erfassung von Daten, die zuvor noch händisch eingegeben wurden. Verhaltensbedingte Kündigungen haben ihre Ursache dagegen in der Sphäre des Arbeitnehmers. Der „Griff in die Kasse“ in all seinen Ausprägungen ist z.B. ein Klassiker.
Wie läuft ein Kündigungsschutzverfahren in der Regel ab?
Das Arbeitsgerichtsverfahren ist sehr stark auf einen Vergleich zwischen den Parteien ausgerichtet. Die meisten Verfahren enden dann auch mit einem Vergleich. Entweder schon zu Beginn des Verfahrens in außergerichtlichen Verhandlungen oder im Gütetermin vor dem Arbeitsgericht, der in der Regel schon wenige Wochen nach Ausspruch der Kündigung statt findet. Wird man sich nicht schnell einig, dauert es meistens etwas länger, etwa bis zum Kammertermin, den man wiederum mit Schriftsätzen vorbereitet hat und der häufig ca. vier bis sechs Monate nach Kündigung durch das Arbeitsgericht terminiert wird. Es gibt aber gelegentlich auch Verfahren, die man einfach durchstreiten muss, notfalls bis zum Bundesarbeitsgericht.
Gegenseite mit Respekt begegnen
In Kündigungsschutzverfahren geht es für den Einzelnen um den Arbeitsplatz, also um sehr viel. Wie geht man damit um?
Ich finde es wichtig, dass man der Gegenseite mit Respekt und mit einem gewissen Verständnis begegnet. Auch wenn man als Rechtsanwalt immer zuerst Interessenvertreter der eigenen Partei ist und auf unterschiedlichen Seiten streitet, sollte es dabei nicht an einem vernünftigen und fairen Umgang mangeln. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ein sachlicher Umgang für alle Beteiligten, also ausdrücklich auch für den Arbeitgeber, zu schnelleren und besseren Lösungen führt.
Welche Qualifikationen bzw. Vorkenntnisse sollte ein Berufsanfänger im Bereich Arbeitsrecht mitbringen?
Es ist wichtig, eine gute juristische Allgemeinbildung und einen klaren Kopf zu haben. Die Details des Arbeitsrechts lernt man am Besten im Berufsalltag kennen.
Was ist das Unvergesslichste, was Ihnen bisher in ihrem Berufsalltag passiert ist?
Im Arbeitsrecht erlebt man sehr viele besondere Geschichten, das würde hier den Rahmen sprengen. Besonders spannend sind Termine beim Bundesarbeitsgericht. Schon das Gerichtsgebäude in Erfurt ist beeindruckend. Die mündlichen Verhandlungen sind es in der Regel ebenfalls.
Über den Interviewpartner:
Dr. Christoph Herrmann
Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner
der Kanzlei Schweibert Lessmann & Partner