Von der Großkanzlei in den Gerichtssaal - Mein Wechsel an das Verwaltungsgericht Berlin

von Dr. Peter Dieterich

Nach dreieinhalb Jahren in der Großkanzlei weg von verglastem Büro, Spitzengehalt und abendlichem Essensservice als Richter in die Justiz wechseln? Nach nunmehr etwa fünf Jahren im Richterberuf kann ich behaupten, dass sich die mit diesem Schritt verbundenen Hoffnungen erfüllt haben.

Der Richterberuf – Ein Alltag mit Menschen, Schicksalen und Verantwortung

Auch wenn mir die Tätigkeit als Anwalt viel Freude bereitet hat, konnte ich zunehmend feststellen, dass mich ein juristisches Arbeiten aus der Richterperspektive stärker reizt. Die rein fachlich begründete und objektive Falllösung liegt mir mehr als die interessengeleitete und taktische Argumentation. Zudem gefällt es mir sehr, dass (fast) jede Entscheidung unmittelbare Wirkung und regelmäßig große Bedeutung für die Betroffenen zeitigt. Es ist ein befriedigendes Gefühl, meine Zeit und Gedanken in die Lösung konkreter Fälle, hinter denen jeweils menschliche Schicksale stecken, und nicht in abstrakte Hintergrundpapiere zu investieren.

Egal, ob der homosexuelle Asylbewerber aus dem Irak, der wegen Täuschung exmatrikulierte Student oder der aufgrund Übergewichts abgelehnte Bewerber bei der Polizei – regelmäßig sind meine Fälle geprägt von anspruchsvollen Rechtsfragen, aufzuklärenden Sachverhalten und emotionaler Betroffenheit der Beteiligten, deren persönliche Lebenswege von der gerichtlichen Entscheidung abhängen.
Diese Gemengelage in der mündlichen Verhandlung zu „moderieren“ und ggf. zu einer gütlichen Einigung zu bringen oder ihr angemessen in der Entscheidungsbegründung Rechnung zu tragen, ist eine spannende und erfüllende Aufgabe.

Das Verwaltungsgericht Berlin – Gemeinsam den Rechtsstaat prägen

Infolge meiner Leidenschaft für das öffentliche Recht und meinem Interesse an politischen Themen stand für mich früh fest, als Verwaltungsrichter arbeiten zu wollen. Oftmals spiegeln die Verfahren vor den Verwaltungsgerichten aktuelle (gesellschafts-) politische Debatten wider, z.B. wenn die Rechtmäßigkeit von Verkehrsbeschränkungen in der Innenstadt oder polizeilicher Maßnahmen gegenüber „Klima-Klebern“ in Rede steht.

Dem VG Berlin kommt in diesem Zusammenhang infolge des Sitzes der Bundeshauptstadt besondere Bedeutung zu, die in weiteren Zuständigkeiten (z.B. im Visumsrecht), in aktuellen politischen Bezügen der Verfahren (z.B. beim Verbot israelfeindlicher Demonstrationen) oder in besonders öffentlichkeitswirksamen Streitigkeiten (z.B. zur Ausstattung des Büros des Kanzlers a.D. Gerhard Schröder) zum Ausdruck kommt.

Das Kammerprinzip erlaubt dabei eine Spezialisierung und Schwerpunktbildung der RichterInnen im Laufe des Berufswegs und sorgt dafür, dass man im steten Austausch mit den KollegInnen steht. Überhaupt ist der richterliche Alltag – durch das Kammerprinzip, den Kontakt mit Verfahrensbeteiligten oder die vielen Fortbildungsmöglichkeiten innerhalb und außerhalb des VG Berlin – in einem Maße von Kommunikation, Diskussion und Argumentation geprägt, wie ich es zuvor nicht erwartet hätte.
Zudem besteht ein großer Zusammenhalt innerhalb der Justiz im Allgemeinen und dem VG Berlin im Speziellen – das Gefühl, gemeinsam an der Verwirklichung des Rechtsstaats zu arbeiten und hierfür Verantwortung zu tragen, verbindet und motiviert spürbar.

Die persönliche Entwicklung – Viele Türen öffnen sich

Mit der Entscheidung für den Richterberuf ist der weitere Berufsweg keineswegs in festen Bahnen vorgezeichnet. Es bieten sich gerade für VerwaltungsrichterInnen infolge der intensiven Befassung mit öffentlich-rechtlichen Themen und der Erfahrung im Umgang mit Behörden vielfältige Möglichkeiten, sich temporär an Bundes- bzw. Landesbehörden oder Einrichtungen der EU abordnen zu lassen. Daneben kommen auch Abordnungen an höherinstanzliche Gerichte (z.B. OVG, BVerwG, LVerfG oder BVerfG) in Betracht.

Darüber hinaus bestehen auf Landes-, Bundes- und europäischer Ebene vielfältige Fortbildungsangebote, die neben materiellrechtlichen Themen und prozessrechtlichen Fähigkeiten (z.B. Verhandlungsführung, Mediation, Fragetechnik) auch Aspekte der Persönlichkeitsentwicklung umfassen (z.B. Kommunikation, Mitarbeiterführung). Zudem wird der internationale Austausch der Richterschaft (etwa im Rahmen des European Judicial Training Network (EJTN)) intensiv gelebt und gefördert.
Schließlich eröffnet die Selbstverwaltung des Gerichts unterschiedliche Optionen, die Arbeitsbedingungen aktiv mitzugestalten und die Interessen des Gerichts zu fördern (z.B. als Ausbildungs-, Nachwuchs- oder IT-Beauftragte).

Das Gesamtpaket

Natürlich spielen neben fachlichen Kriterien auch materielle und persönliche Faktoren eine gewichtige Rolle bei der Entscheidung für einen Beruf. Gerade für KollegInnen mit Kindern hält der Richterberuf unterschiedliche Anreize bereit, seien es familienbezogene Besoldungsbestandteile, das System der Beihilfe oder die Möglichkeit zur Teilzeitarbeit. Ferner erleichtert die zunehmende Digitalisierung der Justiz die Arbeit im Homeoffice immens (am VG Berlin läuft momentan der Prozess zur Einführung der eAkte).

Die richterliche Unabhängigkeit bietet zudem Flexibilität bei der Gestaltung der Arbeitszeiten. Als Vater dreier Kinder und Ehemann einer Ärztin profitiere ich hiervon sehr. Diese Selbstbestimmtheit unterscheidet den Richterberuf deutlich von der Rolle als Dienstleister, die man als Anwalt einnimmt, und erlaubt es zudem, auch fachlich „über den Tellerrand“ zu blicken. So engagieren sich etwa viele RichterInnen in der Juristenausbildung (in Studium und Referendariat) oder arbeiten an wissenschaftlichen Veröffentlichungen.

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Über den Autor:

Dr. Peter Dieterich, LL.M. - Richter
Dieterich ist am Verwaltungsgericht Berlin nicht nur Richter, sondern auch für Angelegenheiten der Nachwuchsgewinnung verantwortlich. Bei Fragen oder Interesse an einer Tätigkeit am Verwaltungsgericht Berlin ist er unter peter.dieterich@vg.berlin.de erreichbar.