Als ich vor acht Jahren in der Wahlstation zur Lufthansa kam, dachte ich noch, die A380 wäre eine Autobahn. Der Arbeitsvertrag einer Großkanzlei lag mir schon vor. Dennoch wollte ich mir noch einmal ein »Unternehmen anschauen«. Was lag da näher als die Lufthansa, einer der attraktivsten und führenden Arbeitgeber und sicherlich eine der bekanntesten Marken in Deutschland.
Vor meiner Station bei der Lufthansa wollte ich im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht arbeiten, in einer Kanzlei. Oder im Finanzbereich, zum Beispiel in einer Bank. Jetzt leite ich seit drei Jahren die Arbeitsrechtsabteilung mit 15 Mitarbeitenden in der ca. 100 Mitarbeitende umfassenden Abteilung Corporate Legal & Compliance der Deutsche Lufthansa AG.
Wohin die Reise führt: Der Weg ins Unternehmen
»Was wollen Sie denn nach Ihrer Station bei Lufthansa machen?«, fragte mich der damalige General Counsel und heutige Personalvorstand. »Chillen, reisen, mich treiben lassen, erstmal eine Pause«, habe ich geantwortet. Seit meinem Gap Year nach dem Abitur hatte ich bis dahin keine Auszeit mehr gehabt. Direkt nach dem ersten Examen in Passau bin ich für den LL.M. nach London. Ein LL.M. in »Law of International Finance and Insolvency Law ». Ein Jahr, das ich nicht missen möchte und an welches ich gerne zurückdenke. Aber chillen war das auch nicht immer!
Nach London ging es für mich zum Referendariat nach Frankfurt am Main. Umzug, weiter geht’s, keine Zeit verlieren! Nach dem Studium in Passau und dem Jahr in London waren mir die bayrischen Städte zu kleinstädtisch geworden, eine Stadt mit Skyline musste es sein. Eine Stadt, die einen rausbringt in die weite Welt, mit dem größten Flughafen Deutschlands, mit Banken und Finanzwelt, Großkanzleibüros im 38. Stockwerk. Dort habe ich in der Anwaltsstation als Referendarin die ein oder andere Nacht verbracht, nachts um 23 Uhr Kapitalmarktprospekte prüfend.
»Und was machen Sie, wenn Sie nicht mehr chillen?«, fragte die damalige Leiterin Arbeitsrecht der Lufthansa lachend. »Wahrscheinlich erstmal Großkanzlei.« Gesellschaftsrecht sollte es werden! Sie antwortete: »Wir hätten da eine Stelle frei, im Arbeitsrecht. Wollen Sie sich das nicht einmal überlegen?« Und die Überlegungen nahmen ihren Lauf.
Warum Juristin in der Rechtsabteilung der Lufthansa?
Arbeitsrecht, ein Rechtsgebiet, welches ich bisher tunlichst vermieden hatte. Zum ersten Mal war ich in der Wahlstation bei Lufthansa damit vertiefter in Berührung gekommen. Aber ich fühlte mich sehr wohl bei der Lufthansa in der Konzernrechtsabteilung. Es machte Spaß, es war herausfordernd. Gleich am zweiten Tag meines Referendariats vertrat ich die Lufthansa vor Gericht, vor dem Amtsgericht Köln. Ein unansehnliches Gerichtsgebäude, eher einem heruntergekommenen Krankenhaus ähnelnd als einem anmutigen Gerichtsgebäude. Aber die gerichtliche Vertretung machte mir Spaß, der Diskurs, das Argumentieren, das Kämpfen, die eigenverantwortliche Aufgabenübernahme. Auch das Verfassen von Schriftsätzen, andere überzeugen, seine Meinung vertreten, Gesetze lesen, anwenden und Entscheidungen – gerichtlich und außergerichtlich – herbeiführen. Das war etwas, was ich in meinen Kanzleistationen so nicht erlebt hatte.
Wir waren als Referendare mittendrin und voll in die Rechtsabteilung integriert. Wir durften überall mit hin, bekamen unsere eigenen Aufgaben aus unterschiedlichen Rechtsgebieten und viele unternehmerische Einblicke. Die Anwälte hatten Spaß an der Arbeit, aber auch Spaß am Leben und an anderen Kulturen, ob Neuseeland, Afrika oder ein Kurztrip nach Bangkok. Die Welt schien einem bei der Lufthansa offen zu stehen.
Warum also nicht Arbeitsrecht?
Als gute Juristin liest und lernt man sich in alles ein. Dass ich den Einführungslehrgang Arbeitsrecht geschwänzt hatte und in den Klausuren auf Lücke setzte, schien nachholbar. Ich entschied mich gegen die Großkanzlei und fing bei der Lufthansa an: als Syndikusrechtsanwältin im Arbeitsrecht, nur einen Monat nach meiner mündlichen Prüfung im zweiten Staatsexamen. Wieder keine Pause, aber ich habe es bis heute nicht bereut.
Nach einem kurzen Ausflug als Teamleiterin im HR-Bereich bin ich in die Rechtsabteilung zurückgekehrt und leite nun die Arbeitsrechtsabteilung, eine Abteilung mit zwei Teams und dem Bereich Fremdpersonal-Compliance. Arbeitsrecht habe ich inzwischen gelernt, den Fachanwaltstitel im Arbeitsrecht erworben. Auch das ist inzwischen als Syndikusrechtsanwalt möglich. Die 100 Fälle, davon 50 gerichtliche, kamen problemlos in einem Jahr zusammen.
Wenn ich bei großen Transaktionen in M&A-Verhandlungen sitze und die arbeitsrechtlichen Themen verhandle, bin ich ganz froh, den Unterschied zwischen Share Deal und Asset Deal schon im Studiumsschwerpunkt verstanden zu haben. Wenn ich als Aufsichtsrätin in einer Tochtergesellschaft Bilanzen lesen muss, möchte ich den LL.M. im Finanz- und Insolvenzrecht nicht missen. Und auch das ist Teil der letzten sieben Jahre, dass ich nämlich Arbeitsrecht im Insolvenzfall schon einmal gehört hatte, bevor ich es im Alltag prüfen musste. Und dieser Arbeitsalltag bei der Lufthansa ist abwechslungsreich. Bei einem Konzern mit knapp 100.000 Mitarbeitenden sind die arbeitsgerichtlichen Verfahren, die in meiner Abteilung ankommen, so vielseitig wie der Konzern selbst. Von verschmähten Liebesavancen bis zur gerichtlichen Überprüfung von Streikmaßnahmen – das Leben schreibt die besten Geschichten.
Selbstbestimmtes und eigenverantwortliches Arbeiten in einem internationalen Umfeld
Die Möglichkeit eigenverantwortlich zu arbeiten, Dinge selbst zu entscheiden, selbst zu gestalten, ohne dabei den Teamgeist zu vermissen, das macht die Arbeit bei uns in der Rechtsabteilung aus. Die »Lufthansa Welt« bietet dabei gleichzeitig viele Entwicklungsperspektiven. Als internationaler Großkonzern mit mehr als 450 Gesellschaften weltweit kann man vom »Sneaker- und Hoodie-Spirit« bis hin zu Schlips und Kragen alle Arbeitsumgebungen finden.
Jurist bei Lufthansa zu sein heißt hierbei nicht immer, in der Konzernrechtsabteilung oder einer Rechtsabteilung der Konzernunternehmen zu arbeiten. Operative Positionen beispielsweise in den USA, Singapur oder in Österreich sind genauso möglich wie Jurist in der Konzernstrategie. Offen sein, anspielbar sein, wie mein Chef zu sagen pflegt, neugierig, Freude am Neuen haben, an der Herausforderung, sich auf die Reise begeben – ob im A380, dem größten je produzierten zivilen Verkehrsflugzeug oder auf der A380 – ist das Wichtigste, um weiterzukommen und seinen Weg zu gehen.
Conclusio
Ich habe es nie bereut, als Juristin bei der Lufthansa gelandet zu sein. Und wer andere Rechtsgebiete als das Arbeitsrecht bevorzugt: Wir decken in der Rechtsabteilung alle wirtschaftlich relevanten Rechtsgebiete ab. Und das sind bekanntlich sehr viele. Die Arbeit als Syndikusrechtsanwältin in der Lufthansa Gruppe bietet die Kombination von klassisch juristischer Tätigkeit mit prozessualem Schwerpunkt und unternehmerischer Beratung. Und dies in einem vielfältigen und internationalen Arbeitsumfeld mit Kollegen, die sich füreinander und mit Leidenschaft für eine Luftfahrt einsetzen, die zukunftsfähig ist und die Menschen überall auf der Welt auf nachhaltige Art und Weise verbindet.
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Über die Autorin:
Christina Hoffmann, LL.M. - Fachanwältin für Arbeitsrecht
Sie leitet seit 2021 die Arbeitsrechtsabteilung in der Abteilung Corporate Legal & Compliance der Deutsche Lufthansa AG. Ihre berufliche Karriere begann Hoffmann bei der Lufthansa als Legal Counsel sowie als Gruppenleiterin im HR-Management.