Verein der Rechtsreferendare in Bayern: Ehrenamtliches Engagement für den juristischen Nachwuchs

Verein für Referendare in Bayern
Fabiola Haas und Stefan Holzmaier im BECK Stellenmarkt Interview

Referendarinnen und Referendare, die sich als unabhängige Interessenvertretung organisieren? Darüber wollten wir mehr erfahren und haben uns exklusiv mit zwei Vorstandsmitgliedern des Vereins der Rechtsreferendare in Bayern e.V. getroffen. Was den Verein ausmacht, welche Ziele sie erreichen wollen und warum ihre Tätigkeit für alle Referendarinnen und Referendare in Bayern so wichtig ist, haben uns Fabiola Haas und Stefan Holzmaier exklusiv im Interview berichtet.

Stellen Sie sich gerne zunächst einmal vor. Wie alt sind Sie, wo arbeiten Sie und last but not least – wie sind Sie zum Verein der Rechtsreferendare in Bayern gekommen?

Fabiola Haas: Ich bin 26 Jahre alt und absolviere aktuell meine Anwaltsstation bei Freshfields Bruckhaus Deringer im Bereich M&A und Gesellschaftsrecht. Ich bin über ehemalige Arbeitskollegen auf den Verein aufmerksam geworden. Ich war sofort begeistert und habe mit dem Verein Kontakt aufgenommen. Nach einem kurzen Vorstellungsgespräch habe ich dann relativ schnell die Zusage erhalten. Jetzt bekleide ich seit Anfang 2022 die Rolle des Finanzvorstandes, kümmere mich also um alles rund um Rechnungen und Steuer.

Stefan Holzmaier: Ich bin 27 Jahre alt und zum 01.04.2023 in das Referendariat gestartet, demnach erst recht kurz dabei. Neben dem Referendariat arbeite als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei einer kleineren Wirtschaftskanzlei. Tatsächlich bin ich über Fabiola zum Verein gekommen. Ich bin mit der Absicht gestartet neben dem Referendariat schon direkt so etwas wie Berufspolitik zu betreiben. Das ist es ja letztlich. Im Verein kümmere ich mich insbesondere um Social Media und die Außendarstellung.

Seit wann gibt es den Verein und wie viele Vorstands-Mitglieder sind zur Zeit aktiv beteiligt?

Fabiola Haas: Den Verein gibt es seit Dezember 1984, es steht also in naher Zukunft auch das 50-jährige Jubiläum an. Aktuell haben wir sechs Vorstandsmitglieder. Halbjährlich kommen zwei neue Vorstände hinzu und zwei werden entlassen. Dadurch, dass man ja auch halbjährlich in das Referendariat starten kann, hat sich das mit der Zeit etabliert.

Stefan Holzmaier: Dieser rege Wechsel bringt natürlich Herausforderungen mit sich: Man muss sich als Team immer wieder neu zusammen finden, die Neuankömmlinge müssen eingearbeitet werden, da ist dann natürlich Engagement von allen Beteiligten verlangt. Dabei darf man nicht vergessen, dass wir für den Verein ausschließlich ehrenamtlich tätig sind.

Wie oft kommen Sie zusammen und sprechen über aktuelle Angelegenheiten?

Stefan Holzmaier: Wir haben einmal im Monat ein reguläres Treffen aller Vorstandsmitglieder. Dabei werden dann alle großen Themen besprochen. Ansonsten wird die alltägliche Arbeit in Gruppen von meist zwei bis drei Personen aufgeteilt, die sich dann auch deutlich häufiger sehen.

Was ist aktuell die brisanteste Angelegenheit, mit der sich der Verein beschäftigt?

Fabiola Haas: Das war bis vor kurzem auf jeden Fall die Streichung der Prüfungsstandorte Passau und Bayreuth für das Zweite Staatsexamen. Nachdem zum Examenstermin 2024/II das E-Examen eingeführt wird, wurde vom Landesjustizprüfungsamt beschlossen, dass diese Standorte wegfallen sollen. Wir hielten die Streichung für falsch und haben das den zuständigen Stellen mehrfach kommuniziert. Seit 12. Juli ist nun offiziell, dass sich der Einsatz gelohnt hat: Die beiden Prüfungsstandorte bleiben erhalten!

Stefan Holzmaier: Da stimme ich Fabiola auf jeden Fall zu. Das Thema hat uns intensiv beschäftigt. Gegen die Streichung der Standorte gab es von mehreren Seiten Widerstand. In Passau beispielsweise wurde eine Petition ins Leben gerufen, die sehr viel Zustimmung erfahren hat. Auch die Landtagsfraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und SPD haben sich in Anträgen gegen die geplante Streichung positioniert.

Da wurde es dann richtig politisch, oder?

Stefan Holzmaier: Ja, absolut! Begründet wurde diese Standort-Thematik mit Kosten, die in Folge der Einführung des E-Examens entstehen. Um diese Kosten senken zu können, stand zur Diskussion, Standorte mit weniger Prüflingen – wie eben in Passau und Bayreuth – zu streichen.

Fabiola Haas: Wichtig war hier, die zusätzliche Belastung nicht außer Acht zu lassen, die dadurch für betroffene Referendarinnen und Referendare entstanden wäre. Die Anfahrt zum Examen hätte dann in manchen Fällen deutlich über hundert Kilometer betragen, teilweise hätte man wohl im Hotel schlafen müssen – das sind keine idealen Voraussetzungen. Insbesondere hätte die Streichung zu einer deutlichen Benachteiligung der Prüflinge aus Passau und Bayreuth in der herausforderndsten Zeit ihrer Ausbildung geführt.

Was haben Sie für das Jahr 2023 inhaltlich noch geplant?

Stefan Holzmaier: Es ist uns ein Anliegen, uns breiter aufzustellen. Aktuell sind wir personell nur in München vertreten, obwohl wir für ganz Bayern zuständig sind. Wir hätten gerne kleine Zweigstellen in den anderen OLG-Bezirken Nürnberg und Bamberg, um die Anliegen der Referendarinnen und Referendare dort besser vertreten zu können. Dazu muss mit den Behörden gesprochen werden, der Ausbildungsleitung am jeweiligen Ort, aber natürlich auch mit den Referendarinnen und Referendaren. Und parallel läuft unser Tagesgeschäft, mit dem wir einfach versuchen, im Rahmen unserer Möglichkeiten das Referendariat ein Stück weit zu verbessern.

Fabiola Haas: Und nicht zu vergessen die ganzen Veranstaltungen, die anstehen. Wir planen aktuell unser Sommerfest mit Fußball-Turnier und machen uns Gedanken bezüglich des anstehenden Jubiläums. Dazu gibt es halbjährlich Begrüßungs-Parties für alle neuen Referendarinnen und Referendare. Das sind wirklich tolle Veranstaltungen, die sehr gut angenommen werden, aber auch eine Menge Organisationsaufwand mit sich bringen.

Aus welcher Intention heraus wurde der Verein ursprünglich gegründet?

Fabiola Haas: Es sollte eine Plattform geschaffen werden, um die Interessen der Referendarinnen und Referendare zu vertreten, die aber auch gleichzeitig ein Ort der Begegnung und des Austauschs ist. Das war auch der Gedanke hinter unserer Website: Einen Ort zu schaffen, wo man sich schnell und umfassend informieren kann. Das Referendariat ist ja von Bundesland zu Bundesland etwas anders geregelt und wir wollen komprimiert und auf einen Blick alles Wichtige bieten, was eben als Referendarin oder Referendar in Bayern wissenswert ist.

Stefan Holzmaier: Wenn man sich während des Referendariats in einer schwierigen Phase befindet, gerade vielleicht nicht mehr weiß, wie man alles unter einen Hut bekommen soll und sich verloren fühlt oder durch das Examen gefallen ist, dann sind wir da und fungieren als Ansprechpartnerin bzw. Ansprechpartner. Wir versuchen in solchen Situationen alles, um die Person nach Kräften zu unterstützen.

Wie finanziert sich der Verein?

Fabiola Haas: Zum einen finanzieren wir uns über Sponsorengelder von Kanzleien. Wir haben 10 bis 15 feste Sponsoren, die auf unserer Website Bannerwerbung schalten. Darüber generieren wir einmal jährlich einen fixen Betrag. Für die einzelnen Veranstaltungen wie Parties, Sommerfest und Fußballturnier suchen wir immer noch nach zusätzlichen Sponsoren, die dann bei den jeweiligen Veranstaltungen auch exklusive Werbeformen geboten bekommen, beispielsweise mit Aufstellern, Werbematerialien, die verteilt werden, oder beim Fußballturnier mit Logos auf den Trikots.

Wie ist der Verein organisiert? Und kann ich als Ehemalige oder Ehemaliger auch noch eine Rolle inne haben?

Stefan Holzmaier: Innerhalb des Vorstandes gibt es den Vorstandsvorsitzenden, die Stellvertreter und einen Finanzvorstand. Insgesamt kann man jedoch sagen, dass wir innerhalb des Vorstandes auf Augenhöhe agieren und es keine festgefahrenen Hierarchien gibt. Ist man als Vorstandsmitglied fertig mit dem Referendariat, wird man automatisch Ehrenmitglied des Vereins.

Fabiola Haas: Als ehemaliges Vorstandsmitglied kann man auf jeden Fall noch eine Rolle spielen! Wir treffen uns einmal im Jahr, um uns auszutauschen. Wir besprechen mit ihnen Neuigkeiten, geplante Veranstaltungen und so weiter. Das ist immer schön und zeigt auch, dass wir über das Referendariat hinaus ein tolles Netzwerk bieten können!

Warum braucht es denn überhaupt einen Verein der Rechtsreferendare?

Stefan Holzmaier: Wie überall in unserer Gesellschaft braucht man ein Sprachrohr, das die Interessen einer bestimmten Gruppe vertritt – wir sind das für die bayerischen Referendarinnen und Referendare. Wenn jede und jeder Einzelne sich an das Staatsministerium der Justiz wenden müsste, würde das nicht funktionieren. So können wir geschlossen auftreten und uns gegenseitig unterstützen, sei es im Kleinen oder auch bei großen Entscheidungen. Da ist es wichtig, eine Institution zu haben, die im Namen dieser Gruppe auftritt. Außerdem ist wie eben schon erwähnt eine gute Möglichkeit, sich untereinander auszutauschen und zu vernetzen. Über uns kann schließlich Kontakt zu Kanzleien, also potenziellen Arbeitgebern, hergestellt werden. Wir verstehen uns somit auch als Bindeglied zwischen dem Referendariat und dem „echten“ Berufsleben.

Wie vereinbaren Sie die Arbeit im Verein mit Ihrem Arbeits- und Privatleben?

Fabiola Haas: Zum einen finden unsere Treffen in der Regel abends statt, also nach der Arbeitszeit. Zum anderen verstehen wir uns alle auch privat untereinander so gut, dass wir uns immer freuen, uns zu treffen, sich gegenseitig auf den neuesten Stand zu bringen und gleichzeitig eben die organisatorischen Fragestellungen abzuarbeiten. Es fühlt sich weniger nach strengen Formalitäten an, als es vielleicht klingen mag. Aber was natürlich jederzeit ein wichtiger Punkt in der ganzen Planung ist: Wir alle befinden uns in unterschiedlichen Phasen des Referendariats. Das heißt, während es bei dem einen gerade zeitlich eher locker zugeht, arbeitet die andere gerade extrem viel. Da muss Rücksicht genommen und einiges bedacht werden, auch, was die persönlichen Anforderungen betrifft, die die jeweilige Situation gerade mit sich bringt. Kompromisse zu finden ist deshalb wichtig, aber das klappt immer ziemlich gut, da wir ja alle im selben Boot sitzen.

Stefan Holzmaier: Dennoch ist es natürlich zeitaufwändig, das kann man nicht abstreiten. Das muss man mit dem Arbeits- und Privatleben dann schon zu vereinbaren wissen.

Mit welcher persönlichen Motivation engagieren Sie sich im Verein?

Fabiola Haas: Meine größte Motivation ist es, an der Weiterentwicklung des Referendariats mitgestalten zu können. Aber auch Erfahrungen, die ich selbst gemacht habe, weiterzugeben und damit anderen helfen zu können.

Stefan Holzmaier: Dem kann ich mich nur anschließen. Wie bereits eingangs erwähnt, finde ich den Aspekt der Berufspolitik wirklich spannend.

Wenn ich das richtig verstanden habe, machen Sie Ihren Vorstandsposten wieder frei, sobald Sie Ihr Referendariat abgeschlossen haben. Bedauern Sie das?

Stefan Holzmaier: Nein. Ich weiß, dass ich auch nach dem Referendariat auf das Netzwerk zurückgreifen kann. Ich will mich auch nicht für immer an diesem Posten klammern, sondern einfach jetzt meinen kleinen Teil dazu beitragen, dass das Referendariat ein Stückchen besser wird.

Fabiola Haas: Ich sehe auch definitiv einen nachhaltigen Mehrwert in diesem Engagement. Wie gesagt gibt es regelmäßige Ehemaligentreffen, die dann auch nach der Zeit als Vorstandsmitglied weiterhelfen können, sich gegenseitig Unterstützung zu bieten oder Erfahrungen auszutauschen.

Welches Verbesserungspotential sehen Sie für das Referendariat in Bayern?

Stefan Holzmaier: Ich bin der Meinung, dass man in der Verwaltungsstation ein bisschen mehr Flexibilität ermöglichen sollte. In vielen Bundesländern ist es möglich, dass die Verwaltungsstation auch außerhalb des Bundeslandes absolviert werden kann, in Bayern geht das leider nicht. Hier ist man auf bayerische Behörden beschränkt und ich finde, diese Regelung könnte ein wenig aufgebrochen werden, um die Möglichkeit zu schaffen, die Verwaltungsstation auch außerhalb Bayerns zu absolvieren. Auch in Sachen Digitalisierung ist trotz der zuletzt unternommenen Schritte noch Luft nach oben. Im Großen und Ganzen dürfen wir uns in Bayern dennoch nicht beklagen, denn es läuft auch einiges gut oder sogar sehr gut.

Ihr persönlicher Erfahrungsschatz ist mit Sicherheit groß – welchen Tipp würden Sie (angehenden) Referendarinnen und Referendaren unbedingt mit auf den Weg geben wollen?

Fabiola Haas: Mein Tipp wäre auf jeden Fall, sich so viele verschiedene Rechtsgebiete wie irgendwie möglich anzusehen während des Referendariats. Vor allem solche, die bis zum Ersten Staatsexamen kein Prüfungsstoff sind, wie zum Beispiel M&A, Insolvenz- oder Patentrecht. Das sind alles spannende Bereiche, die man während des Studiums gar nicht kennenlernt, wenn man sie nicht während des Schwerpunkts behandelt hat. Da bietet das Referendariat einfach ein breites Spektrum an Möglichkeiten, das man für sich nutzen sollte, um herauszufinden wo man wirklich hinmöchte.

Stefan Holzmaier: Wie Fabiola bereits gesagt hat, ist das Referendariat dazu da, den Berufswunsch zu konkretisieren. Es ist wirklich sinnvoll, sich so viel wie möglich einmal anzuschauen und dann aktiv mitzuarbeiten, Präsenz und Motivation bei den Ausbilderinnen und Ausbildern zu zeigen. Und gleichzeitig ein Rat, den man von vermutlich allen Seiten im ersten und zweiten Semester im Studium schon gehört hat, der aber auch wirklich, wirklich wichtig ist: Macht von Anfang an mit. Mitlernen, sich in AGs beteiligen, das ist der beste Weg, um in den Prüfungen gut abzuschneiden. So kann man vermeiden, dass man am Ende vor einer riesigen Welle steht, die einen zu erschlagen droht. Die Zeit läuft einem von ganz allein davon, da muss man nicht noch nachhelfen.

Vielen Dank für das Interview!

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Über die InterviewpartnerInnen:

Fabiola Haas & Stefan Holzmaier
Vorstandsmitglieder des Vereins der Rechtsreferendare in Bayern

Franziska Vogl
Volontärin für Social Media-/ Online-Marketing
Verlag C.H.BECK

 

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