Von Kapstadt bis zur Fachanwältin: Über eine außergewöhnliche Wahlstation und die Arbeit im Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Luzia Traut im BECK Stellenmarkt Interview

Für die Wahlstation nach Südafrika? Wir haben die Rechtsanwältin Luzia Traut zu einem Interview getroffen, die während ihrer Wahlstation in Kapstadt einzigartige Eindrücke sammelte und uns exklusiv berichtet hat, wie sie zu ihrer Spezialisierung im Miet- und Wohnungseigentumsrecht kam. Erfahren Sie mehr über die Herausforderungen und Chancen ihres Arbeitsalltags als Fachanwältin und erhalten Sie spannende Einblicke in aktuelle rechtliche Themen wie die Mietpreis- und Energiepreisbremse.

Frau Traut, Sie haben Ihre Wahlstation bei einer Anwaltskanzlei in Kapstadt absolviert. Das klingt im ersten Moment nach einer besonders ausgefallenen Wahl! Wie kam es zu dieser Entscheidung und welche Eindrücke haben Sie daraus mitgenommen?

Ich habe mein Examen im Winter 2017 geschrieben und meine Wahlstation hat im Januar 2018 begonnen. Ich wollte gerne in ein englischsprachiges Land, in dem im besten Fall Sommer ist und habe mich deshalb auf die Südhalbkugel konzentriert. Australien und Neuseeland waren aufgrund der Preise schnell aus dem Rennen und Südafrika hat in Referendars-Kreisen einen tollen Ruf für die Wahlstation. Bei meinen Recherchen bin ich auf den Blog zweier Münchner gestoßen, die ihre Zeit in Kapstadt teilten, habe mich mit ihnen getroffen und mich dann entschieden, dass Kapstadt für mich genau richtig ist. Was mir sehr geholfen hat, ist, dass ich früh dran war mit meiner Planung, als ich zirka ein Jahr vor dem Start begonnen habe. Dadurch habe ich eine erschwingliche, zentrale Unterkunft bekommen und hatte auch keine Schwierigkeiten, eine Anwaltskanzlei zu finden.

Die Gesellschaft, das Leben und die Juristerei sind in Südafrika ganz anders, als wir es in Deutschland gewohnt sind. Während meiner Zeit dort – Januar bis März 2018 – gab es eine schlimme Dürre und das Wasser ist knapp geworden. Es gab Vorgaben der Regierung, wie viel Wasser jede Person verbrauchen soll: Man sollte beispielsweise nur höchstens zwei Minuten duschen und für einen kurzen Zeitraum gab es kein Trinkwasser mehr zu kaufen. Durch solche Erlebnisse lernt man zum ersten Mal, dass Wasser nicht selbstverständlich ist. Die Armut und Kriminalität sind in Südafrika bekanntermaßen auch verbreiteter und natürlich steht in jedem Ratgeber und Reiseführer, dass man bestimmte Verhaltensweisen vermeiden sollte.

Wir sind nur einmal nachts zu Fuß heimgegangen und sonst immer mit Uber gefahren. Vor Wanderungen in kleinen Gruppen wurde immer wieder gewarnt und manche Strecken sollte man überhaupt meiden. Diese Art der Bedrohung war für uns neu, auch wenn meinen engsten Freunden und mir nichts passiert ist. Einige Bekannte sind bestohlen worden. Die haben sich aber nicht an die Empfehlungen gehalten. Auf der anderen Seite ist Kapstadt eine großartige und für Südafrika auch sehr sichere Stadt voller Leben, gutem Essen und viel Kultur. Südafrika ist ein wunderschönes und riesiges Land. Wir haben auch einige Ausflüge und Urlaube gemacht, haben aber lange nicht alles erleben können. Ich würde jederzeit wieder nach Südafrika fahren, auch für einen längeren Zeitraum und kann das Land als Einstieg für Afrika im Allgemeinen sehr empfehlen.

Spannend war auch der Einblick in das Rechtssystem, das aufgrund der Kolonialzeit nahe an das britische Rechtssystem angelehnt ist. Hier gibt es das sog. „Case-Law“ statt dem hier in Deutschland verwendeten „Code-Law“. Wir durften auch einmal in der Woche bei Gerichtsverhandlungen zuschauen, die wir uns selbst aussuchen konnten.

Mittlerweile sind Sie als Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht tätig. Was waren Ihre Beweggründe, sich auf diese Rechtsgebiete zu spezialisieren?

Während meines Studiums habe ich bei einer Rechtsanwaltskanzlei gearbeitet und bin dabei zufällig in einem Referat gelandet, das vor allem Mietrecht und Transaktionen bearbeitet hat. Das hat mir gut gefallen, weil Mietrecht auch im Examen immer relevant war und der Einstieg damit einfach und nützlich war. Nach meinem zweiten Examen wurde in der gleichen Kanzlei, in der ich mich zu dem Zeitpunkt seit über fünf Jahren sehr wohl gefühlt habe, eine Stelle frei in einem Referat, das sich ausschließlich mit Wohnungseigentumsrecht beschäftigt hat. Hier habe ich entdeckt, dass ich dieses eher unbeachtete Rechtsgebiet sehr gerne bearbeite.

In den nächsten viereinhalb Jahren habe ich dann hauptsächlich wohnungseigentumsrechtliche Sachverhalte bearbeitet und dabei außergerichtlich beraten und gerichtliche Verfahren geführt. In dieser Zeit habe ich auch meinen Fachanwaltstitel verdient. Da mein Vorgesetzter keine mietrechtlichen Fälle bearbeitet hat, habe ich dies in unserem Referat übernommen. Seit inzwischen zirka einem halben Jahr arbeite ich in der Kanzlei KFR Kirchhoff Franke Riethmüller Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB, die sich als Immobilienrechts-Boutique auf alle immobilienrechtlichen Themengebiete spezialisiert hat, angefangen von der Baugenehmigung, über den Bau, die Vermietung und Verwaltung bis hin zu. Hier darf ich nun den Bereich des Wohnungseigentumsrecht aufbauen und betreuen, während ich gleichzeitig meine Kenntnis in der Beratung von gewerblichen Mietverträgen noch vertiefen kann.

Wie sieht der Arbeitsalltag einer Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht aus?

Der Arbeitsalltag einer Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht unterscheidet sich wahrscheinlich nicht so sehr von dem Arbeitsalltag anderer Anwälte. Ich habe das Glück – darauf habe ich aber auch Wert gelegt – dass ich im Grunde so viel im Homeoffice arbeiten kann, wie ich möchte und wie die Termine es erlauben. Das bedeutet für mich, dass ich in der Regel 2-3 Tage in der Woche im Büro in München bin und 2-3 Tage in meinem Arbeitszimmer zu Hause.

Meine Arbeit besteht aus Beratungstätigkeiten für Verwalter und dem Erstellen von Nachträgen und Mietverträgen. Ich bin auch bei Gerichtsverhandlungen, die Anzahl der Verfahren variiert jedoch. Manchmal bin ich bei Ortsterminen dabei, wenn Sachverständigengutachten eingeholt werden oder Besonderheiten der Wohnungseigentumsanlage vor Ort erörtert werden sollen. Wenn man sich mit Wohnungseigentumsrecht beschäftigt, wird man auch des Öfteren zu Eigentümerversammlungen gebeten, entweder als Berater für die WEG oder als Vertretung einzelner Wohnungseigentümer. Was mir an der Kombination dieser beider Rechtsgebiete gut gefällt, ist die abwechslungsreiche Tätigkeit. Es gab schon Wochen, in denen ich kaum vier Stunden an meinem Schreibtisch saß und dann gibt es Wochen, in denen ich zu keinem einzigen Termin muss.

Mit welchen rechtlichen Fragestellungen haben Sie aufgrund Ihrer Spezialisierung am häufigsten zu tun? Oder kann man das so pauschal gar nicht sagen?

Pauschal kann man das nicht sagen. Was mich oft beschäftigt sind, wie bereits erwähnt, Nachträge zu (gewerblichen) Mietverträgen und das Erstellen und das Überprüfen von (gewerblichen) Mietverträgen. Im Wohnungseigentumsrecht berate ich die Verwaltungen oder einzelne Wohnungseigentümer oft bei der Frage, welche Teile der Anlage zum Sonder- und welche zum Gemeinschaftseigentum gehören und welche Auswirkungen diese Zuordnungen haben, aber unterstütze auch bei der Erstellung von Eigentümerbeschlüssen, bei der Eintreibung ausstehender Wohngelder oder bei der Unterbindung von Störungen, die von Mietern oder Eigentümern ausgehen. Dabei sind mir auch schon häufiger psychisch kranke Menschen begegnet, für die dann versucht wird, eine Betreuung zu erreichen. Das ist leider nicht so einfach.

Der Begriff „Mietpreisbremse“ war in den letzten Wochen und Monaten medial omnipräsent. In gewisser Art und Weise hat die Thematik Sie wahrscheinlich auch immer wieder beruflich beschäftigt, oder? Wollen Sie Ihre Meinung zu dem Thema mit uns teilen?

Die Mietpreisbremse begleitet mich schon seit meinem Berufseinstieg und die Thematik wird schon seit vielen, vielen Jahren diskutiert. Das ist also kein neues Phänomen. Grundsätzlich herrscht in Deutschland die sogenannte Vertragsfreiheit, d.h. eigentlich kann jeder mit jedem Verträge schließen, wie er das will. Von diesem Grundsatz gibt es, vor allem zum Schutz schwächerer Parteien, im BGB viele Ausnahmen. Die Mietpreisbremse greift in diese Vertragsfreiheit ein, da damit die Miethöhe nicht mehr frei vereinbart werden kann. Dies gilt aber nur in Gebieten mit einem angespannten Wohnungsmarkt. Dass es sich um ein solches Gebiet handelt, muss von den jeweiligen Landesregierungen per Rechtsverordnung festgelegt werden.

Vor der nun seit August 2019 gültigen Mietpreisbremse in Bayern war die vorhergehende Verordnung über mehrere Jahre unwirksam, sodass viele Mieter bei der Geltendmachung ihres vermeintlichen Rechts an dieser unwirksamen Landesverordnung gescheitert sind. Da wir prozentual mehr Vermieter als Mieter vertreten, begegnet uns die Mietpreisbremse hauptsächlich bei der Beratung zu Mietverträgen. Es gibt – neben der Rechtsverordnung der Landesregierung – noch andere Anwendungsvoraussetzungen und einige Ausnahmen, bei denen die Mietpreisbremse nicht greift. Daher lohnt es sich für die Vermieter oft, sich mit uns über ihren individuellen Fall auszutauschen. Mieter, die sich wegen eines Verstoßes gegen die Mietpreisbremse an uns wenden, sind in meiner Beratungspraxis bisher nicht vorgekommen. Es mag aber sein, dass diese sich zuerst an die Mietervereine wenden.

Aktuell ist nun die Energiepreisbremse ein großes Thema. Wie stehen Sie – beruflich gesehen – zu diesen Entwicklungen? Wird das Einfluss auf Ihre Arbeit bzw. Ihre Mandate haben?

Das „Gesetz zur Einführung von Preisbremsen für leitungsgebundenes Erdgas und Wärme und zur Änderung weiterer Vorschriften“ sowie das „Gesetz zur Einführung einer Strompreisbremse“ sind Gesetze, die als Reaktion auf außenpolitische Aktionen eingeführt wurden. In meiner Praxis zeigt sich, dass es noch große Unsicherheiten gibt, wie mit diesen gesetzlichen Vorgaben umzugehen ist. Mieter kennen ihre Rechte nicht, Vermieter können ihre Pflichten nicht einschätzen. Die Gesetze sind ohne rechtlichen Beistand geradezu unverständlich, sodass wir mit verstärkten Anfragen zu diesen Themen rechnen.

Zu guter Letzt: Welchen Rat würden Sie Absolventinnen und Absolventen geben, die ebenfalls eine Spezialisierung im Mietrecht anpeilen?

Für jede Spezialisierung auf ein Rechtsgebiet gilt meiner Meinung nach das Gleiche: Man muss es einmal ausprobiert haben. Das kann schon während der Praktika im Studium passieren, als Studentenjobs oder später im Referendariat. Je mehr man sich mit der Thematik auseinandergesetzt hat, desto eher weiß man, ob das Fachgebiet auch zu einem passt. Mietrecht kann man schon im Studium in den Grundzügen kennenlernen. Wohnungseigentumsrecht ist nur ein „Nebenschauplatz“ im Rahmen der kautelarjuristischen Fallgestaltung. Gerade ausgefallenere Rechtsgebiete sollte man in „freier Wildbahn“ kennenlernen.

Mir persönlich hat es geholfen, schon während dem Studium und Referendariat bei meiner Nebentätigkeit das Arbeitsleben als Anwältin kennenzulernen und erste fachliche Aufgaben übernehmen zu können. Daher wusste ich schon beim Berufseinstieg, was ich als Anwältin von mir und meinem Arbeitgeber erwarte und was ich nicht will. Trotzdem war der Sprung in das Wohnungseigentumsrecht dann eher ein Selbstversuch als eine Selbstverständlichkeit.

Weitere Erfahrungsberichte bzgl. der Wahlstation:

Vielen Dank für das Interview!

Über die Interviewpartnerinnen:

Luzia Traut,
ist Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht in der Kanzlei KFR Kirchhoff Franke Riethmüller Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB. Zuvor absolvierte sie ihre Juristischen Staatsexamina in München.

Franziska Vogl
Volontärin für Social Media-/ Online-Marketing
Verlag C.H.BECK

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