Karriere in der Großkanzlei und Familie? Es geht!

von Dr. Anna Schwander

Familie und Karriere in der Großkanzlei – geht das zusammen? Noch immer stellen sich viele hochqualifizierte Juristinnen und Juristen diese Frage. Meine Antwort ist: Es geht, probiert es aus!

Voraussetzung der Vereinbarkeit ist zum einen, dass alle Beteiligten mitspielen, die Kanzlei, das Team, der/die Lebenspartner/in, und, nicht zu vergessen, auch die Kinder. Zum anderen muss man/frau die erforderliche Flexibilität mitbringen und am allerwichtigsten: das Interesse, die Neugierde und die Motivation für eine Tätigkeit in einer Großkanzlei. Und dann geht es oft um viel mehr als die Frage der Vereinbarkeit von Familie und Karriere. Es geht darum, sich zu trauen, seinen Fähigkeiten und Interessen nachzugehen, hochmotiviert zu sein, gut und besser sein zu wollen als andere und, das Glück und die Chance zu haben, später beides zu haben: Familie und einen Beruf, in dem man tagtäglich gefordert und gefördert wird.

Wenn ich auf meine bisherige Laufbahn als Rechtsanwältin zurückblicke, kann ich sagen: Ich hatte das Glück, dass ich immer sehr gute Ausbilder und Mentoren hatte, ohne die ich sicherlich nicht da wäre, wo ich jetzt bin. Nach der Geburt meiner ersten Tochter habe ich fünf Monate pausiert, bevor ich die Gelegenheit bekam, in München das Büro von Hengeler Mueller mit zu eröffnen. Nach der Geburt meines zweiten und auch des dritten Kindes, habe ich jeweils knapp ein Jahr ausgesetzt und bin danach jeweils wieder in Teilzeit eingestiegen. Während der Elternzeit habe ich stets engen Kontakt zur Kanzlei und den Kollegen gehalten. 2016 mit dem Wechsel zu Kirkland & Ellis bin ich dann Partnerin geworden.

Die Frage nach dem „wie“

Wenn ich gefragt werde, ob ich meine Kinder zum „richtigen“ Zeitpunkt bekommen habe, kann ich nur antworten, dass es meines Erachtens nie den richtigen Zeitpunkt gibt. Erst das Studium, dann das Referendariat, danach der Berufseinstieg, bei dem man sich erst einmal bewähren möchte. Und so steckt man plötzlich tief in Mandaten, die einen zeitlich enorm fordern. Den „richtigen“ Zeitpunkt für die Familie abzupassen, ist da meines Erachtens kaum möglich. Für mich kann ich sagen, dass mir Familie immer enorm wichtig war, und ich daher mit der Familiengründung nicht auf den „richtigen“ Zeitpunkt warten wollte. Im Gegenteil. Meine Überzeugung war immer, dass es möglich sein müsste, beides zu vereinen, Familie und Beruf. Im Nachhinein hätte ich am Anfang meiner anwaltlichen Laufbahn gerne länger Vollzeit gearbeitet. Denn Teilzeit bedeutet letztlich, auch nur einen Teil der Arbeitserfahrungen zu sammeln, die oft die männlichen Kollegen oder die Kolleginnen ohne Kinder haben, was den nächsten Karriereschritt dann oft verzögert.

Der Einsatz, den Frauen in der Kanzleiwelt bringen müssen, um Familie und berufliche Ambitionen zu verbinden, ist hoch, phasenweise sehr hoch. Funktionieren kann beides nur, wenn eine starke Motivation dazu da ist, die Familie mitspielt und es entsprechende Angebote in der Sozietät gibt, die die Doppelrolle ermöglichen und erleichtern. Und nicht zu vergessen: Role Models in der eigenen Kanzlei. Vorbilder fördern automatisch das gleichberechtigte Denken in der Kanzlei. So differenzieren wir in den Karrieremöglichkeiten nicht zwischen Mann und Frau. Zusätzlich versuchen wir durch unsere Women Leadership Initiative Frauen weiter zu fördern.

Familie und Karriere schließen sich also keinesfalls aus. Trotzdem darf die Familienplanung die Karriereplanung nicht bereits im Keim ersticken. Richtig gut wird man nur in dem, was einen wirklich interessiert, wofür man sich einsetzt und wofür man auch bereit ist, viel Zeit zu investieren. Beim Spagat zwischen Familie und Beruf ist es nicht immer leicht, darauf zu achten, dass man nicht selbst zu kurz kommt. Wer hier seine Balance findet, wird es als enorm bereichernd empfinden, beides – Familie und Karriere – leben zu können.

Auf Role Models und die eigene Überzeugung kommt es an

Dass Frauen in Kanzleien nicht immer die Karrieren machen, die sie gemessen an ihrer Ausbildung und Qualifikation machen könnten – eigentlich müssten –, hat jedoch auch andere Gründe als „nur“ den Familienaspekt. Teilweise, so erlebe ich es im Austausch mit jüngeren Juristinnen, sind die Frauen zögerlicher, sich auf bestimmte Positionen zu bewerben, Aufgaben an sich zu ziehen oder Verantwortung einzufordern. Teilweise fehlen ihnen in dem Umfeld, in dem sie tätig sind oder für das sie sich am Anfang ihrer Karriere interessieren, die bereits genannten Role Models, die ihnen den Einstieg erleichtern. Teilweise beschreiten sie, sofern nicht der richtige Mentor da ist, eher nicht den Karriereweg, der ihnen als der anstrengendste erscheint, weil sie sich stärker darauf konzentrieren, einen guten Job zu machen als ihre Kräfte auch darauf zu richten, sich im Aufstiegswettbewerb durchzusetzen. Immer mehr Kanzleien haben inzwischen erkannt, dass es wichtig ist, Frauen explizit zu fördern und Absolventinnen gezielt anzusprechen, um sie für die Kanzlei zu begeistern. Die Initiative, die ich am besten kenne, ist natürlich die von Kirkland & Ellis, unsere „Women Leadership Initiative“.

Unter dem Titel „Women in Law“ veranstalten wir zudem seit vielen Jahren in München Workshops für angehende Juristinnen. Entstanden ist die Idee aus dem Wunsch, möglichst viele junge Menschen für eine Karriere in der Großkanzlei zu begeistern – unabhängig vom Geschlecht. Wir haben uns dann doch entschlossen, die geballte „Women Power“ in einem eigenen Format zusammenzubringen, das dem gegenseitigen Kennenlernen und dem Austausch untereinander dient, weil gerade das Networking unter Frauen oft noch viel zu kurz kommt. Vor allem aber soll der Event dazu beitragen, die Teilnehmerinnen zu ermutigen, den Schritt in die Großkanzlei zu wagen. Ihnen möchten wir ausdrücklich Mut machen, indem wir ihnen bestätigen, was sie ja eigentlich längst wissen: dass sie bestens ausgebildet sind und sich trauen sollen, ihren Fähigkeiten und Interessen nachzugehen und Karriere zu machen. Die Sorge vor dem letzten Schritt wollen wir den jungen Juristinnen mit Veranstaltungen wie denen von „Women in Law“ nehmen.

Die Sorge vor dem letzten Schritt

Was „Women in Law“ auszeichnet ist, dass alle Teilnehmerin ganz unterschiedliche Eindrücke, Tipps und Erfahrungen mitnehmen. Manchmal sind es die Vorträge von meist Frauen, oft aus unserem internationalen Netzwerk, zu den unterschiedlichsten Themen, die besonders inspirieren. Manchmal treffen Teilnehmerinnen und Anwältinnen aufeinander und verstehen sich so gut, dass der Kontakt über den Event hinaus bestehen bleibt und eine langjährige Verbundenheit entsteht, wenn nicht auch ein natürlich gewachsenes Mentorenverhältnis.

Indem wir unsere positiven Erfahrungen teilen, zugleich offen und ehrlich darüber berichten, was die besonderen Herausforderungen – nicht nur, aber eben auch für Frauen – in der Großkanzlei sind und es uns gelingt, einen persönlichen und offenen Austausch zu fördern, wecken wir bei vielen Teilnehmerinnen Interesse an der Großkanzlei. Was uns natürlich besonders freut: Zahlreiche Teilnehmerinnen von „Women in Law“ kommen dann tatsächlich als juristische Mitarbeiterinnen oder Referendarinnen zu uns. Und auch wenn sie nicht dauerhaft bei uns bleiben, aber für sich erkannt haben, dass die Karriere in der Großkanzlei nicht nur möglich, sondern auch erstrebenswert ist, sagen wir: Mission accomplished, es geht!

 

Über die Autorin:

Dr. Anna Schwander
Partnerin bei Kirkland & Ellis 

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