Harmonisierung der Beeidigungsvorschriften in den Bundesländern

von Natalie Padovan, staatlich geprüfte, öffentlich bestellte und allgemein beeidigte Dolmetscherin und Übersetzerin für die italienische Sprache und Dr. Thurid Chapman, staatlich geprüfte und öffentlich bestellte Dolmetscherin und Übersetzerin für die englische Sprache

Für Dolmetsch- und Übersetzungstätigkeiten für gerichtliche und behördliche Zwecke wurde in Deutschland das Instrument der allgemeinen Beeidigung eingeführt. Die allgemeine Beeidigung gilt als Qualitätskriterium, da sie nach Bestehen einer einschlägigen Dolmetscher- oder Übersetzerprüfung und nach Überprüfung der persönlichen Zuverlässigkeit und Eignung verliehen wird. Zu diesem Zweck wurden in den verschiedenen Bundesländern die Prüfungsämter für Übersetzer und Dolmetscher geschaffen. Darüber hinaus wurde eine deutschlandweite Datenbank eingerichtet, in der allgemein beeidigte Dolmetscher und Übersetzer nach Bundesländern, Gerichtsbezirken und Sprachen ausgewählt werden können.

Eigentlich sollte der Richter bei Auswahl eines Dolmetschers oder Übersetzers aus dieser Datenbank die Sicherheit haben, dass er auf eine qualifizierte und kompetente Fachkraft zurückgreifen kann. Es gibt jedoch Bundesländer, in denen die allgemeine Beeidigung auch ohne Bestehen einer einschlägigen Prüfung verliehen wird. In diesen Fällen wird die allgemeine Beeidigung für Sprachen, für die im Bundesland selbst keine staatliche Dolmetscher- oder Übersetzerprüfung angeboten wird, auch ohne Nachweis einer Dolmetscher- oder Übersetzerprüfung aufgrund der Vorlage von Bescheinigungen über Berufserfahrung erteilt, die beispielsweise von Polizei- oder Justizbehörden ausgestellt wurden.

Die Vorlage von Bescheinigungen über Berufserfahrung kann aber keinesfalls als ausreichend für den Nachweis der fachlichen Eignung und der erforderlichen Qualität angesehen werden.
Durch diese Handhabung wird das Instrument der allgemeinen Beeidigung, das den Gerichten einen ausreichenden Qualitätsstandard bieten soll, ausgehebelt. Ein Richter, der einen beeidigten Dolmetscher beauftragt, muss davon ausgehen können, dass dieser qualifiziert ist, ohne jedoch wissen zu können, ob eine einschlägige Prüfung abgelegt wurde oder nicht.

Die derzeitige Situation führt zu einem regelrechten „Beeidigungstourismus“: Als Beispiel seien Personen genannt, die in einem Bundesland mit strengen Beeidigungsvorschriften wohnen und dort bereits seit einiger Zeit als Dolmetscher oder Übersetzer tätig sind, ohne jedoch über eine allgemeine Beeidigung zu verfügen. Diese Personen stellen nun in einem Bundesland mit laxeren Beeidigungsvorschriften einen Antrag auf allgemeine Beeidigung und legen als Nachweis ihrer fachlichen Eignung Bescheinigungen über Berufserfahrung vor. Auf dieser Grundlage werden sie ohne einschlägige Prüfung allgemein beeidigt und können ihre Tätigkeit als allgemein beeidigte Dolmetscher oder Übersetzer nun auch in ihrem Bundesland ausüben, da aufgrund § 189 GVG eine allgemeine Beeidigung im gesamten Bundesgebiet anerkannt wird.

Die allgemeine Beeidigung sollte grundsätzlich nur nach Bestehen einer einschlägigen Dolmetscher- oder Übersetzerprüfung erfolgen. Nur durch Einführung eines bundesweiten Mindeststandards kann das System der allgemeinen Beeidigung, das den Justizbehörden den erforderlichen Qualitätsstandard garantieren soll, auf hohem Niveau gehalten werden. Wenn ein Bewerber eine allgemeine Beeidigung für eine Sprache anstrebt, für die im betreffenden Bundesland keine staatliche Dolmetscher- oder Übersetzerprüfung angeboten wird, so muss der Bewerber die Prüfung in einem anderen Bundesland ablegen, in dem die entsprechende Prüfung angeboten wird.

Auch für sogenannte seltene Sprachen, für die es (noch) keine staatlichen Prüfungen gibt, werden von der Hessischen Lehrkräfteakademie in Darmstadt zumindest Überprüfungsverfahren angeboten, die mit einer Bescheinigung abgeschlossen werden können.

Um das Problem uneinheitlicher Qualitätsstandards zu beheben, hat der BDÜ (Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer e.V.) eine Initiative zur Harmonisierung der Beeidigungsvoraussetzungen begonnen. Das Hauptziel der Initiative richtet sich auf die Forderung, das erfolgreiche Ablegen einer einschlägigen Prüfung als Mindeststandard für die Erteilung der Beeidigung einzuführen. Diese Forderung ist im Lichte der Umsetzung der Richtlinie 2005/36/EG, geändert durch Richtlinie 2013/55 EU, die in anderen Mitgliedsstaaten der EU tätigen Übersetzern und Dolmetschern die vorübergehende und gelegentliche Tätigkeit für deutsche Justizbehörden auch dann ermöglicht, wenn ihr Beruf im jeweiligen anderen Mitgliedsstaat nicht reglementiert ist, umso dringlicher. Die Qualitätsanforderungen an für die Gerichte und Behörden tätige Dolmetscher und Übersetzer sind in den einzelnen Mitgliedsstaaten, wenn sie denn überhaupt formuliert werden, nach Recherchen der European Legal Interpreters and Translators Association (EULITA) unterschiedlich hoch. Auch hier ließen sich, wie in einigen Bundesländern schon geschehen, Instrumentarien wie z. B. eine Prüfung und ein Nachweis der persönlichen Eignung zur Sicherung der Qualität und Integrität etablieren.

Die an rechtlichen Verfahren und Rechtsvorgängen beteiligten Behörden und Personen müssen verlässlich davon ausgehen können, dass ein hinzugezogener Dolmetscher/Übersetzer seine Leistungen korrekt und in der erforderlichen Qualität erbringt und darüber hinaus neutral und verschwiegen ist. Gerade die aufgrund der gegenwärtigen Situation erhöhten Anforderungen an die Sicherheit, für die die Qualität und Verlässlichkeit der Arbeit z. B. eines Dolmetschers eine Voraussetzung darstellen, lassen es als geboten erscheinen, hier noch vorhandene Schlupflöcher zu schließen.

Quelle NJW 17/2017