Das Fachanwaltsgebiet des Steuerrechts – warum eigentlich Steuerrecht?

von Jan-Rasmus Schultz

Ob Student, Rechtsreferendar oder Praktiker – vielerorts wird das Steuerrecht, gelinde gesagt, als trocken, langweilig oder gar belanglos erachtet. Zuweilen wird der steuerrechtsaffine Rechtsanwender daher mit der eingangs gestellten Frage konfrontiert: „Warum eigentlich Steuerrecht?“. Denn sobald Themen des Steuerrechts tangiert werden, herrscht regelrechtes Unbehagen, das bei frisch gebackenen Juristen oftmals mit fehlenden oder nur bruchstückhaften Kenntnissen einhergeht.

Während letzteres mit den Studien- und Referendarausbildungsverordnungen, die den Bereich des Steuerrechts meist optional, etwa im Rahmen des universitären Schwerpunktbereiches oder der Wahlstation im Rechtsreferendariat, ausgestalten, zu erklären ist, stellt sich die zuweilen vorherrschende Abneigung auf den zweiten Blick als nicht gerechtfertigt dar. Denn das Steuerrecht offeriert nicht nur vielfältige Anwendungsbereiche, sondern auch breit gefächerte Tätigkeitsschwerpunkte und eröffnet dem Anwender darüber hinaus eine zusätzliche Einnahmequelle.

Die Anwendungsbereiche des Steuerrechts

Steuerrechtliche Fragestellungen spielen in nahezu jedem Rechtsgebiet eine Rolle. Die Relevanz des Steuerrechts offenbart sich hierbei bereits bei einem ersten Blick auf die verschiedenen Steuertatbestände: Von der Einkommens- und Erbschaftssteuer über die Grunderwerbs- sowie die Lohnsteuer bis hin zur Umsatzsteuer – mit einer Liste sämtlicher Steuertatbestände ließen sich gewiss mehrere Seiten füllen.

Dementsprechend haben Rechtsanwälte regelmäßig auch steuerrechtliche Aspekte zu berücksichtigen. Ist der Mandant beispielsweise über mögliche Alternativen zur Regelung seiner Erbfolge und damit einhergehend zur Übertragung seiner Vermögensgegenstände in Folge letztwilliger Verfügungen zu beraten, ist regelmäßig von Bedeutung, welche der in Betracht kommenden Möglichkeiten den Anfall der Erbschaftssteuer bewirkt und insbesondere, bei welchen dies umgangen oder wenigstens beschränkt werden kann.

Auch und gerade im Bereich des Arbeitsrechts ist zudem im Rahmen der regelmäßig abgeschlossenen Abfindungsvereinbarungen steuerrechtlich zu berücksichtigen, dass Abfindungen als steuerpflichtiger Arbeitslohn behandelt werden, die zwar der Arbeitnehmer schuldet, jedoch der Arbeitgeber an das Finanzamt abzuführen hat.

Doch nicht nur über das nahezu gesamte Zivilrecht spannt sich ein Bogen verschiedenster steuerlicher Anknüpfungspunkte. Auch im Bereich des Strafrechts kommt dem Steuerrecht mitunter erhebliche Bedeutung zu, namentlich im Rahmen des Steuerstrafrechts. Zwar ist nahezu jedem auch Rechtsunkundigem der in § 370 der Abgabenordnung normierte zentrale Tatbestand des Steuerstrafrechts, die Steuerhinterziehung, bekannt. Das Steuerstrafrecht bewegt sich aber in einem Spannungsverhältnis zwischen strafrechtlichen Grundsätzen und steuerrechtlichen Anforderungen.

Damit ist einerseits das Recht des Beschuldigten gemeint, sich zu der Anschuldigung zu äußern oder nicht und andererseits die weiterhin bestehende Verpflichtung zur Abgabe steuerrechtlich relevanter Erklärungen, z. B. einer Einkommensteuererklärung. Dieses Spannungsverhältnis birgt mitunter erhebliche Schwierigkeiten bei der individuellen Rechtsberatung und -durchsetzung.

Die Tätigkeitsschwerpunkte

Neben dem oben bereits angesprochenen Bereich des Steuerstrafrechts erstreckt sich das Tätigkeitsfeld insbesondere auf die Beratung im Vorfeld der Abgabe steuerrechtlich relevanter Erklärungen sowie auf die Gestaltung steuerrechtlicher Anknüpfungspunkte, etwa in Verfügungen von Todes wegen. Hierbei steht regelmäßig eine Verringerung der Steuerlast des Mandanten im Vordergrund, die durch Abwägung der verschiedenen Handlungsoptionen in den vorstehenden Anwendungsbereichen regelmäßig in nicht unerheblichem Umfang realisiert werden kann.

Zusätzliche Verdienstmöglichkeit

Schließlich gewährt das Steuerrecht den diesbezüglich versierten Anwälten regelmäßig eine weitere Verdienstmöglichkeit, sofern sie ihre Mandanten auch in steuerlichen Aspekten beraten, da andernfalls der mit dieser Beratung verbundene Umsatz zwangsläufig in andere Kassen fließt, in der Regel in die eines Steuerberaters, der neben Wirtschaftsprüfern nach der Reform des Rechtsdienstleistungsgesetzes dazu befugt ist, Mandanten in steuerlichen Fragestellungen rechtlich zu beraten.

Darüber hinaus wird der steuerrechtlich beratende Rechtsanwalt auf diese Weise seine Mandanten an sich binden können, sodass der andernfalls drohenden Gefahr eines Mandatsverlustes wirksam entgegengewirkt werden kann.

Abschließend betrachtet bietet das Steuerrecht mithin nicht nur spannende, fachbereichsübergreifende Tätigkeitsfelder, sondern offeriert darüber hinaus zusätzliche Verdienstmöglichkeiten.

Auf die obige Frage „warum eigentlich Steuerrecht?“ lässt sich daher ohne schlechtes Gewissens erwidern: „Warum eigentlich nicht!“.

Über den Autor:

Jan-Rasmus Schultz
bearbeitete als Rechtsreferendar in der Anwaltsstation
auch steuerrechtliche Themen und berichtet im
BECK Stellenmarkt regelmäßig über Karrierethemen

Quelle JuS 10/2020