Karriere als Wirtschaftsjurist: Worauf es heute wirklich ankommt

von Dr. Christoph Wittekindt

Vergessen Sie einmal für einen Moment, was Sie im Laufe Ihres Studiums, Referendariats, auf Jobmessen oder im Rahmen diverser Praktika, sei es im In- und Ausland, über Wirtschaftskanzleien gelesen bzw. erfahren haben.

Machen Sie es sich bequem, lehnen Sie sich zurück, genießen Sie ein geistiges Getränk und lesen Sie dann bitte die nachfolgenden Zeilen:

1. Erfolg!

Wer heute Karriere in einer national oder international ausgerichteten Wirtschaftskanzlei machen möchte, muss erfolgreich sein. Und er muss ein Unternehmer sein. Und letztlich ein Generalist.

Woran bemisst sich der Erfolg ?

Früher hätte man geantwortet: an der möglichst schnellen Erlangung des Partnerschafts-Status, genauer gesagt, der Equity-Partnerschaft in einer Kanzlei. Also am möglichst schnellen, internen Aufstieg vom Associate über den Senior Associate, Counsel und Salary partner zu eben jenem Status, der einem neben der Leitung einer Praxisgruppe samt entsprechender Budget- und Umsatzverantwortung uneingeschränkte Stimmrechte in der Partnerschaft und ein in der Regel auskömmliches Einkommen beschert.

Heute ist dies nicht mehr so eindeutig. Es gibt viele Wirtschaftsanwälte, die nicht mehr Equity Partner werden oder sich in einer Wirtschaftsrechtsboutique in erster Linie spezialisieren und den Fachanwaltstitel erwerben wollen oder die nicht in Vollzeit tätig sein wollen etc.

Am Ende des Tages gilt aber auch für sie: Der Erfolg bemisst sich am Ergebnis, am stetigen, langjährigen wirtschaftlichen Erfolg. Umsatz, Akquise, return on investment und was nach Abzug der bei Wirtschaftskanzleien z. T. erheblichen (Gemein-)Kosten für den einzelnen Anwalt übrig bleibt. Und für einen selber, welche Zahl dann am Ende des Jahres nach Steuerabzug auf dem Kontoauszug steht.

In dieser Beziehung ist der Wirtschaftsanwalt Unternehmer.

Er ist aber auch deshalb Unternehmer, weil er als Wirtschaftsanwalt in erster Linie Unternehmen berät. Er muss sich daher in die Lage eines Unternehmers (des Vorstands, der Geschäftsführung etc.) hineinversetzen können, um diesen bzw. dessen Unternehmen adäquat zu beraten.

Er soll also über das juristische Handwerkszeug hinaus selber ein Unternehmer-Gen haben und auch Branchenkenntnis mitbringen, den Markt und/oder die Produkte und die Wettbewerber kennen. Auch betriebswirtschaftliche und/oder bilanz- und steuerrechtliche Zusatzkenntnisse sind dabei nicht verkehrt.

Damit einher geht das entsprechende Auftreten nach außen. Wichtig ist  nicht arrogant zu erscheinen. Selbst „alte Hasen“ können hier noch dazulernen.

Als Berater von mittelständischen Unternehmen sollte der Wirtschaftsanwalt Generalist sein, denn er muss das Unternehmen von A-Z, von Arbeitsrecht bis Zwangsvollstreckung, und dies in allen Lebenslagen, schnell und schnörkellos beraten können. Dabei schaden auch wirtschaftsstrafrechtliche Kenntnisse nicht, wenn Staatsanwaltschaft oder Steuerfahndung vor der Tür stehen. Denn die Arbeit des Wirtschaftsanwalts ist extrem haftungsträchtig – dabei denke man nicht nur an lukrative M&A-„Deals“ – und oft gefahrgeneigt.

2. Wie werde ich ein erfolgreicher Wirtschaftsanwalt?

Die Kriterien für eine Karriere innerhalb einer Kanzlei, egal ob national oder international tätig, egal ob Großkanzlei oder Boutique, sind damit benannt. Überflüssig zu sagen, dass ein Praxisgruppenleiter darüber hinaus Verantwortung für seine – juristischen wie nicht-juristischen – Mitarbeiter, deren Fortentwicklung und Wohlergehen hat.

Die dafür erforderlichen Soft Skills sind einem Juristen nicht unbedingt in die Wiege gelegt (es gibt übrigens hervorragende und sehr erfolgreiche Wirtschaftsjuristen im sog. Back-office, also hinter den Kulissen).

Grundstein für eine solche Karriere sind – egal, was man Ihnen auch sagt – die Examensnoten. 16 Punkte in der Addition beider Examina, 1 Punkt „on top“ für LL.M. oder Doktortitel. Also 18 Punkte in Summe. Sprachkenntnisse (verhandlungssichere, im Ausland erworbene Englischkenntnisse werden sowieso vorausgesetzt) und weitere Qualifikationen als Plus. Das gilt jedenfalls für die TOP 25 Wirtschaftskanzleien. Die nächsten 25 Kanzleien im Umsatzranking sowie die Boutiquekanzleien behandeln dieses Thema dann schon lockerer – ansonsten bekommen sie keine Kandidaten. „2x befr.“ sollten es für eine Wirtschaftskanzlei aber schon sein. Spezialkenntnisse oder eine vorherige Spezialisierung in Studium oder Referendariat sind nicht vonnöten; das meiste lernt man „on the job“.

3. Wie finde ich die richtige Kanzlei für mich?

Dafür gibt es keinen Königsweg: Praktika, Station im Referendariat, aber auch Jobmessen oder die Einladung zu einem Kennenlern-Wochenende mit dem Partner der Kanzlei in entspannter Atmosphäre helfen. Viele (Vorstellungs-)Gespräche führen, auch mit „einschlägig vorbelasteten“ Freunden, Eltern oder Bekannten. Diese können oft manchen wertvollen Tipp geben. Wichtig ist, dass man ein Gefühl dafür bekommt, ob man für den oft sehr harten Job wirklich geeignet ist und in welche Richtung – örtlich, fachlich, von der Größe her – der Zug am Ende fahren soll.

Und noch eins zum Schluss: „Chillen“ und Wirtschaftsanwalt vertragen sich in der Regel nicht, es sei denn, man verfügt bereits von Zuhause aus über ein entsprechendes Vermögen, was bei den wenigsten der Fall sein dürfte.

M&A-Deals ziehen sich oft über mehrere Wochen hin, mit Nachtschichten, und gehen damit an die Substanz. Auch Gesellschafterauseinandersetzungen können schnell zu einer „never-ending story“ werden; und Hauptversammlungen sehr nervenaufreibend sein. Wenn dann noch im China-Geschäft ungeklärte Zahlungsflüsse auftauchen, kann dies selbst einem gestandenen Wirtschaftsanwalt den Schlaf rauben. Kurzum, eine gute physische und psychische Konstitution (Familie und Hobbies als stabilisierender Faktor) sind daher am Ende für den Wirtschaftsanwalt überlebenswichtig.

Über dem Autor:

Dr. Christoph Wittekindt
Leiter der Personalberatung Legal People,
München – Frankfurt/Main

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Quelle JuS 7/2018