Mit seelischer Stärke Krisen meistern

von Susanne Kleiner

Menschen schaffen es durchaus, innere Kraftquellen zu aktivieren, wenn Unvorhersehbares über sie hereinbricht oder Konflikte dauerhaft belasten – vorausgesetzt, sie folgen einer mentalen Strategie. Die gute Nachricht ist: Psychische Widerstandsfähigkeit, also Resilienz, ist weitgehend erlernbar – und ihr Nutzen groß: Wer innerlich stark ist, akzeptiert Widrigkeiten des Lebens leichter, bewahrt den Lebensmut und bewältigt schmerzhafte Wendepunkte aus eigener Kraft. Impulse für alle, die entschlossen sind, an Stressmomenten zu wachsen – Übungen inklusive.

Inseln im Alltag sehen und neue Wege gehen

Wer lernt, gut für sich zu sorgen, bereitet den Nährboden für innere Stärke. Menschen erholen sich bei einem Spaziergang im Wald, einem gesunden Essen oder erhebender Musik. Ein Ortswechsel ist dafür nicht einmal nötig. Es genügt, das Gedankenkarussell zu stoppen und mental zu pausieren, still zu sein und tief zu atmen. Dann gilt: Routine bringt Ruhe.

Achtsamkeitspraxis baut Stress ab und sensibilisiert Geist und Körper. Fünf Minuten am Arbeitsplatz die Augen zu schließen, kann Wunder wirken. Wer Abstand gewinnt, schafft es mühelos, Probleme aus einer anderen Perspektive zu sehen. Daraus resultieren Gelassenheit und ein positiver Grundton des eigenen Denkens.

Kennen Sie das? »Ich würde gerne einmal wieder…!« oder »Wenn ich doch nur dies und das tun könnte?« Gönnen Sie sich Auszeiten. Besser geht das, wenn Sie ein gedankliches »Nein, das geht nicht, weil...« durch ein »Ja, ich plane an Tag X eine Wanderung, ein Entspannungsbad oder ein Treffen mit einem guten Freund« ersetzen.

Oder Sie tun nichts, ganz einfach nichts – frei nach Astrid Lindgren: »Und dann muss man ja auch noch Zeit haben, um dazusitzen und einfach vor sich hinzuschauen.«

Veränderungen akzeptieren und eigene Stärken anerkennen

Wir können äußere Ereignisse nicht beeinflussen, unsere innere Haltung und Einstellung hingegen schon. Wir haben die Chance, das, was wir denken, fühlen und tun, gezielt zu gestalten.

Widerstandsfähige Menschen atmen bewusst tief. Sie beobachten zunächst, ohne zu bewerten – auch wenn Schwieriges über sie hereinbricht. Sie halten inne, anstatt überstürzt spontanen Impulsen zu folgen. Wenn schlechte Nachrichten eintreffen, hilft es, Pause zu machen. Noch besser ist es, an die frische Luft zu gehen und zu verstehen: Ja, ich bin es, die oder der sich bewegt. Ich entscheide mich dafür, einen Fuß vor den anderen zu setzen.

Blicken Sie zurück: Welche unbeeinflussbaren Ereignisse haben Sie beklagt? Und wie hat sich die Situation danach entwickelt? Würdigen Sie diesen Umbruch aus heutiger Sicht und notieren Sie, wofür Sie dankbar sind. Welche Hürden haben Sie genommen? Welche Ihrer Stärken haben Sie dabei unterstützt, Ähnliches zu meistern? Fragen Sie sich auch: Was würde mir ein Mentor raten? Reisen Sie imaginär fünf Jahre in die Zukunft und fragen Sie sich: Was würde ich als Persönlichkeit, die an dieser Schwierigkeit gereift ist, meinem heutigen Ich raten? Sie werden Erkenntnisse gewinnen wie: Ich kann zwar nicht alles kontrollieren, doch auf meine Kompetenzen kann ich mich verlassen.

Die Realität klären und Perfektionismus den Rücken kehren

Wer der Maxime folgt, alles mustergültig zu machen, erwartet zu viel von sich und anderen. Perfektionisten setzen sich oft selbst unter Leistungsdruck und riskieren, Ressourcen zu „verblasen“. So konstruieren sie Krisen, die objektiv betrachtet keine sind.

Wer die innere Drehzahl reduziert und sich regelmäßig Feedback einholt, vermeidet hausgemachte Katastrophen. Klar ist: In digitalen Zeiten werden Arbeitsprozesse immer schneller. Also: Ergebnisse werden nicht für die Ewigkeit erarbeitet. Erfolgreich werden immer mehr jene Menschen sein, die es schaffen, eine gesunde Energie- und Leistungsbalance aufrechtzuerhalten. So erhöhen sie die Chance, beständig gut in Form zu sein.

Fühlen Sie sich in ein Projekt ein, das Sie in Hochform bringt. Welche Gedanken kreisen dazu? Schreiben Sie alles ungefiltert auf. Ein Beispiel: »Mein Mandant stellt meine Kompetenz in Frage, wenn ich nicht umgehend liefere.« Hinterfragen Sie: Was macht mein Denken mit mir? Entspanne ich oder verspanne ich mich? Wer und wie bin ich ohne diese Gedanken? Was lerne ich rückblickend aus vergleichbaren Situationen? Formulieren Sie Ihre Wahrheiten positiv und wiederholen Sie Ihre Erkenntnisse. Etwa so: »Ich bin ein geschätzter und kompetenter Anwalt. Meine Mandanten vertrauen mir.«

Sich mit guten Geistern umgeben und sich selbst zufrieden erleben

Unsere Mitmenschen beeinflussen uns. Ja, wir gehen in Resonanz mit dem Wesen anderer. Das heißt: Wer gestresst ist, ist gut beraten, sich mit ruhigen Gemütern zusammenzutun. Gelassene Charaktere strahlen Entspannung aus, genauso wie Panikmacher Stress potenzieren.

Genauso gilt: Jammerer, die ihre Opferrolle kultivieren, ziehen uns runter. Andere, die mit sich im Reinen sind und respektvoll über andere sprechen und in Lösungen denken, bauen uns auf.

Bedenken Sie: Viele gefestigte Zeitgenossen konnten sich auch deshalb zu standfesten Persönlichkeiten entwickeln, weil sie sich gezielt mit Menschen umgeben haben, die ihnen guttun.

Seien Sie wachsam und hinterfragen Sie vergangene Begegnungen: Nehmen Sie sich nach dem Treffen gestärkt wahr? Hat Sie die oder der andere gesehen und gehört? Oder realisieren Sie, als seelischer Mülleimer benutzt worden zu sein? Entscheiden Sie sich für das, was Sie hebt. Verbringen Sie bewusst Zeit mit Menschen, die Sie in Ihrer Einzigartigkeit erkennen und Sie unterstützen. Und ja, es ist in Ordnung, sich zurückzuziehen und Kontakte abzubrechen. Wenn Ihnen die Beziehung wichtig ist: Äußern Sie Ihre Bedürfnisse in Ich-Botschaften, ohne anzuklagen. Sagen Sie, was Sie sich wünschen und setzen Sie Grenzen. Ein kritikfähiges Gegenüber wächst womöglich an Ihrer Wahrheit. Dann profitieren beide.

Ungewissheit wandeln und selbstbestimmt handeln

Jeder Mensch sieht die Welt durch seine eigene Brille. Und jeder ist in der Lage, sein Denken zu verändern. Hilfreich ist es, sich im Ernstfall auf die eigenen Stärken zu konzentrieren und das Positive an der Situation zu würdigen, anstatt die Katastrophe zu befeuern.

Stärkenbewusste Zeitgenossen nehmen auch in schwierigen Zeiten ihr Leben selbst in die Hand und finden kreative Wege aus der Misere. Sie stärken ihr Selbstvertrauen, auch weil sie sich selbst für kleine Fortschritte beglückwünschen. Und sie suchen nicht nach Schuldigen, sondern orientieren sich an Auswegen und Lösungen. Auch das ermöglicht, aus eigener Kraft vorwärts zu gehen.

Wie denken Sie über das, was kommt? Kultivieren Sie optimistisches Denken und treffen Sie aktiv Entscheidungen. Seien Sie bereit, Veränderungen anzunehmen und finden Sie heraus, was Sie selbst gestalten können. Bei allem Neuen oder Schwierigen, das Sie beschäftigt: Reflektieren Sie, welchen Nutzen Sie persönlich daraus ziehen. Und vergegenwärtigen Sie sich, wie sehr Sie daran wachsen können.

Über die Autorin:

Susanne Kleiner
Kommunikationsexpertin, Autorin,
Texterin, Trainerin und Coach

www.susanne-kleiner.de

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