Berufswahl Anwaltsnotariat – »Je ne regrette rien«

von Dr. Joachim Gores

Ist es nach 25 Berufsjahren zu früh, Bilanz zu ziehen? Vielleicht. Nach zweieinhalb Jahrzehnten in der Rechtsberatung kann ich aber eines sicher sagen: Meine Entscheidung, Anwaltsnotar zu werden, habe ich nie bereut. Aus der Kombination des Notariats mit der Anwaltstätigkeit hat sich für mich der Beruf ergeben, den ich gerne und mit Leidenschaft ausübe.

Als ich im Herbst 1997 zu meiner jetzigen Kanzlei nach Essen wechselte, hatte ich nur eine ungefähre Ahnung, dass die Verbindung von Anwalts- und Notariatstätigkeit reizvoll und facettenreich sein könnte. Aus einem Bundesland mit sogenanntem Nur-Notariat kommend, hatte ich mich mit dem Berufsbild noch nicht näher beschäftigt. Zugegeben, die Notare genossen innerhalb der juristischen Zunft ein hohes Ansehen und das Notariat galt auch wirtschaftlich als lukrativ. Allerdings kam mir die Tätigkeit des Notars zu  formal, zu wenig kreativ und in manchen Ausprägungen zu antiquiert vor. Nach meinen ersten spannenden Aufgaben in einer Wirtschaftskanzlei konnte ich mir nicht vorstellen, meinen beruflichen Alltag auf Dauer mit dem (so dachte ich damals) Vorlesen von Urkunden zu verbringen. Umso interessanter klang da die Aussage meiner späteren Sozien im Vorstellungsgespräch: »Bei uns können Sie Anwalt und Notar sein«. Wie sich bald herausstellen sollte, hat es sich gelohnt, dass ich damals hellhörig wurde.

Zahlen und Fakten: Nur-Notar und Anwaltsnotar

Von den im Jahr 2020 insgesamt in der Bundesrepublik zugelassenen 6.912 Notarinnen und Notaren üben 1.708 ihr Amt hauptberuflich aus, sind also sogenannte Nur-Notare. Dies betrifft die Bundesländer Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, das Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und die rheinischen Teile Nordrhein-Westfalens. Die Mehrzahl, also 5.204 Kolleginnen und Kollegen, sind Anwaltsnotare. Sie sind in den übrigen Bundesländern sowie in Teilen Nordrhein-Westfalens und Baden-Württembergs tätig.

Der Weg zum Anwaltsnotariat

Notarstellen werden von der Justizverwaltung entsprechend dem Bedarf  (Urkundsaufkommen, Altersstruktur der vorhandenen Notare) ausgeschrieben. Wer als Anwaltsnotar zugelassen werden möchte, muss mindestens fünf Jahre als Rechtsanwalt tätig gewesen sein, davon drei Jahre in dem in Aussicht genommenen Amtsbereich. Am Ende steht die notarielle Fachprüfung, von Notaranwärtern respektvoll als »Drittes Staatsexamen« bezeichnet. Sie besteht aus vier Klausuren und einer mündlichen Prüfung. Die Vorbereitung findet in mehrmonatigen Kursen statt, die bundesweit regelmäßig angeboten und von einer praktischen Tätigkeit bei einem Anwaltsnotar begleitet werden. Bei der Auswahl unter den Bewerbern wird die Note der Fachprüfung zu 60%, die Note des Zweiten Staatsexamens zu 40% berücksichtigt. Der Weg bis zu einer Notarstelle ist also kein leichter. Am Ende der Mühen steht aber eine Qualifikation, die nur 3,13% der in Deutschland zugelassenen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte aufweisen.

Der Reiz des Anwaltsnotariats

Was macht nun die Attraktivität der Kombination aus Anwaltstätigkeit und Notariat aus? Für mich liegt sie in der Vielgestaltigkeit der Tätigkeit. Im Anwaltsnotariat lassen sich die Vorzüge beider Berufe verbinden. Ich profitiere von den Vorteilen des Notariats, ohne auf die interessanten Seiten der Anwaltstätigkeit verzichten zu müssen. Wer gerne berät, kreative Lösungen entwickelt oder vor Gericht streitet, kann das tun. Größere Projekte von der ersten Idee bis zum Abschluss zu begleiten, ist in der anwaltlichen Ausprägung möglich. Auch die eigene Spezialisierung kommt nicht zu kurz. Gleichzeitig betreue ich in meinem gesellschaftsrechtlichen Notariat außerordentlich große und komplexe Transaktionen. Das Spektrum der notariellen Arbeit ist vielgestaltig und abwechslungsreich, auch wenn mein Schwerpunkt das Gesellschaftsrecht ist. In meiner notariellen Arbeit besteht nie das Risiko der Gleichförmigkeit z.B. eines M&A-Dezernats, bei dem irgendwann ein Deal dem anderen gleicht. Das nächste Notariatsmandat ist vielleicht ein Unternehmertestament oder »nur« die Schenkung einer Eigentumswohnung. So verliere ich trotz aller Fokussierung auf bestimmte Rechtsgebiete nicht den Bezug zu den alltäglichen Rechtsfragen. Mein Kontakt als Notar zu den Entscheidern und Führungskräften ist enger als in meiner anwaltlichen Arbeit. Zu mir als Notar kommen die Vertreter von Unternehmen auch mit ihren privaten Anliegen. Dadurch entsteht ein besonderes Vertrauensverhältnis, das in dieser Form heute nicht alltäglich ist.

Fazit

Viele hoch qualifizierte Juristinnen und Juristen haben das Berufsbild des Anwaltsnotars nicht auf dem Schirm. Zu Unrecht: Wer das Beste aus zwei Welten sucht, ist hier richtig.

 

Über den Autor:

Dr.Joachim Gores
Rechtsanwalt und Notar 
Schwerpunkt: Gesellschaftsrecht sowie Unternehmenstransaktionen.