Soft Skills für junge Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte – Warum Fachwissen im Berufseinstieg nicht alles ist!

Junge Anwältin Karriere
von Aline Schöninger

Zwischen Theorie und Praxis liegen bekanntlich Welten. Auch zwischen Jurastudium und Anwaltsberuf bestehen große Unterschiede in den Anforderungen und Herausforderungen. Als junge Rechtsanwältin muss man im Beruf plötzlich Aufgaben bewältigen, auf die das Studium nicht ausreichend vorbereitet. Die Erwartungen an junge Anwälte werden immer größer und Zusatzqualifikationen wie der LL.M., der Fachanwaltstitel oder gar eine Promotion werden immer gefragter. Doch fachliche Expertise ist nicht alles. Bei den praktischen Herausforderungen im Kanzleialltag kommt es oft auf ganz andere Fähigkeiten an – und zwar auf Soft Skills.  

Der Anwalt als Vertrauensperson und Vermittler – Kommunikation und Empathie in der Mandantenbetreuung  

Für den Berufseinstieg gilt: gute Examensnoten sind kein Garant für eine erfolgreiche Karriere. Auch, wer bereits im Referendariat oder durch Praktika anwendungsorientierte Erfahrungen sammeln konnte, wird feststellen, dass die Erwartungen und die Verantwortung im Beruf sehr viel höher sind. Spätestens jetzt ist es unabkömmlich, seine Aufgaben zu organisieren und Prioritäten zu setzen. Bei der Aktenarbeit oder Telefonaten, bei der Beantwortung von E-Mails und Mandantengesprächen kommt es neben dem Zeitmanagement aber in erster Linie auf die Kommunikationsfähigkeit an. Das im Jurastudium erworbene Expertenwissen kann dabei zum Problem werden. Wer im Mandantenschreiben mit Paragraphen um sich wirft oder dem Mandanten im Gespräch einen juristischen Fachjargon zumutet, läuft schnell Gefahr, seinen Gesprächspartner zu überfordern. Für die Mandantenbetreuung ist es daher als Anwältin geboten, sich immer auch in der Vermittlerrolle zu sehen. Aufgrund des im Studium erlernten Gutachtenstils in den Juraklausuren mag es jungen Berufseinsteigern besonders schwerfallen, einen komplexen Sachverhalt kompetent und trotzdem verständlich zu erklären und mit der Mandantin auf Augenhöhe zu kommunizieren. Hier kommt es auf die Soft Skills an. Als Rechtsanwältin oder Rechtsanwalt ist man immer auch Vertrauensperson und muss entscheidende Sozialkompetenzen wie Empathie mitbringen, um Vertrauen zu gewinnen und die Mandantschaft zu überzeugen.    

Juristischer Austausch und effizientes Networking mit der richtigen Gesprächskultur  

Auch bei der internen juristischen Kommunikation sind Soft Skills gefragt. Insbesondere in Großkanzleien fällt die Teamfähigkeit stark ins Gewicht. Hier sind eingespielte und effiziente Abläufe besonders wichtig, um Zeit einzusparen. Durch den Austausch unter Anwältinnen und mit Kollegen können Arbeitsabläufe erleichtert sowie den Mandanten vermittelt werden, dass sie zuverlässig betreut und vertreten werden. Doch auch als selbständiger Anwalt ist die Zusammenarbeit mit Kolleginnen oft unverzichtbar. Wer gute Kontakte und ein effizientes Netzwerk hat, erleichtert sich die Mandatsakquise und -abgabe und muss auch auf den wertvollen fachlichen, juristischen Austausch nicht verzichten. Darüber hinaus müssen sich Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte außerdem mit dem Kanzleimanagement an sich beschäftigen. Eine Kanzlei zu unterhalten, ist immer mit Kosten verbunden, weshalb neben der Kommunikation auch unternehmerische Fähigkeiten und Entscheidungen im Beruf eine tragende Rolle spielen.    

Außenwirkung und Imagepflege als Rechtsanwältin – Sichtbar werden und bleiben  

Zum Anwaltsberuf gehört ebenfalls das nötige Selbstbewusstsein, um in Mandantengesprächen, aber auch bei Gerichtsverhandlungen überzeugen zu können. In vielen Bereichen muss rhetorische Überzeugungsarbeit geleistet werden, die Juristinnen und Juristen meist nicht unbedingt in den theorielastigen Prüfungssituationen während des Jurastudiums erwerben. Dennoch bieten viele Universitäten kostenlose Zusatzgebote an, um diese wichtigen außercurricularen Soft Skills zu schulen. Es lohnt sich in jedem Fall, solche Angebote wahrzunehmen, um womöglich bereits erste Hemmungen vor dem Berufseinstieg abzubauen und sich für die Anforderungen im juristischen Berufsleben zu wappnen. Ebenso wichtig ist die Vernetzung – sowohl unter Juristinnen und Juristen als auch mit der Mandantschaft. Die fachliche Kompetenz sowie die fleißige Mandatsarbeit reichen nicht aus, wenn die notwendigen Kontakte ausbleiben.  

Vielmehr ist daneben auch eine entsprechende Präsenz nach außen gefragt. Es empfiehlt sich, sowohl juristische Tagungen zu besuchen, um in der Branche Kontakte zu knüpfen, als auch etwa seine Sichtbarkeit im Netz zu steigern. Selbst bei angestellten Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten macht es sich bezahlt, über eine eigene Homepage nachzudenken oder sich in den sozialen Medien zu platzieren. Entscheidend dabei ist, möglichst verschiedene Kanäle zu bespielen und sich frühzeitig einen eigenen Mandantenstamm aufzubauen sowie die eigenen fachlichen Kompetenzen selbstbewusst in Szene zu setzen und zu bewerben.    

Fachwissen und Soft Skills – Beides will gelernt sein  

Ein perfekter Lebenslauf macht noch keinen guten Anwalt. Zwar ist die ständige fachliche Weiterbildung unentbehrlich, doch für jede Anwältin sind etwa rhetorische, psychologische, werbende und unternehmerische Fähigkeiten mindestens genauso wichtig. Dabei müssen fachliche und überfachliche Kompetenzen stets ineinandergreifen. Ohne das Gespür für die Interessen der Mandantin nützt das Fachwissen wenig. Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sind hingegen Allrounder, die im Beruf unterschiedliche Fähigkeiten unter Beweis stellen müssen. Umso mehr lohnt es sich, in Soft Skills zu investieren. Einerseits erlangt man diese Fähigkeiten durch Erfahrung, andererseits kann man durch entsprechende Fortbildungen und Seminare seine Kompetenzen auch aktiv verbessern. Denn die gute Nachricht ist: genau wie das juristische Fachwissen können auch die begehrten Soft Skills erlernt werden!  

Über die Autorin:

Aline Schöninger,
betreut in unseren Fachzeitschriften die Redaktion der Themenspecials. Auf www.beck-stellen-markt.de/ratgeber schreibt sie regelmäßig über Karrierethemen.
 

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