Steuerberatung 2021– Worauf es für Mitarbeiter und Inhaber ankommt

von Ines Scholz

Der Arbeitsalltag in den Kanzleien hat sich in den letzten 18 Monaten zum Teil erheblich geändert. So waren Home-Office, eigenverantwortliches Lernen und Arbeiten oder die Führung von virtuellen Teams via Webkonferenz „über Nacht“ gelingender Alltag. Dazu kam eine Fülle an Fördermittelanträgen und Kurzarbeitergeld. Für alle eine immense Herausforderung, die die Branche dank versierter Mitarbeiter und engagierter Kanzleiführung mit Bravour gemeistert hat.

Nun also wieder zurück zum Alltag? Oder was bleibt für das tägliche Business, was bewahrt und weiterentwickelt werden kann? An Mitarbeiter in der Steuerberatung wurden schon immer hohe Ansprüche bezüglich des Lernens und „Entlernens“ von Gesetzen, Vorschriften und Prozessen gestellt. Das hat ihnen in der Pandemie wertvolle Vorteile gebracht: Durch Überbrückungshilfen stieg das Arbeitsvolumen immens.

Themen wie Existenzsicherung und Liquiditätsvorsorge sind zum Beratungsschwerpunkt Nummer eins geworden. Ständig neue Förderprogramme, FAQs und Richtlinien, neue gesetzliche Vorgaben und Maßnahmen stellten alle Berater und deren Mitarbeiter vor besondere Herausforderungen. Hier hat sich die Stärke unseres Berufes deutlich gezeigt.

Das Potenzial der Steuerberatung geht eben weit über die klassische Buchhaltung und Steuererklärungspflicht hinaus. Sie sind Unternehmensbegleiter und helfen ihren Mandanten Ansprüche zu sichern und das Unternehmen auf Kurs zu halten. Mit Corona wurde Sinn und Nutzen dieser Arbeit besonders deutlich.

Neue Zeit erfordert neues Denken

Letztendlich hat diese besondere Zeit vor allem Beschleunigung in die aktuellen Themen wie Technologieeinsatz, Kommunikation, Work-Life-Integration und agiles Arbeiten und Lernen gebracht. Gesellschaftlicher und technischer Wandel prägen die Berufsbilder und Unternehmen. Kanzleikultur bringt und hält die Mitarbeiter über eine gemeinsame Werte- und Leistungskultur in den Steuerkanzleien durch Vereinbarungen zusammen. Nichts ist so beständig, wie die Unbeständigkeit.

In der Arbeitswelt hat dafür der Begriff VUCA Einzug gehalten. Er steht für: volatility = Volatilität, Unbeständigkeit, uncertainty = Unsicherheit, complexity = Komplexität, ambiguity = Mehrdeutigkeit. So fremd dieser Begriff auch wirken mag, beschreibt er doch recht treffend unser aktuelles Arbeitsumfeld.

Neue Anforderungen der Mandanten und Mitarbeiter, neue technische Möglichkeiten, gesetzliche Vorgaben und die Entwicklung von „Konkurrenz“ in Form von Banken, Unternehmensberatern und Co. sorgen dafür, dass sich auch in der Steuerberatung etwas bewegen muss. Handeln ist angesagt.

Ein Weg, diesen Anforderungen zu begegnen sind neue Arbeitsmethoden, Arbeitsmodelle, Raumgestaltungen oder Entlohnungskonzepte, die unter dem Begriff „New Work“ zusammengefasst werden. Die Palette der Maßnahmen ist groß. Kanzleiinhaber stehen hier vor der Herausforderung, die richtige Auswahl für ihr Team zu treffen. Denn längst nicht jeder ist für eine Arbeit im Home-Office geeignet, nicht alle digitalen Lösungen sind sinnvoll zu kombinieren und flache Hierarchien funktionieren nur mit der richtigen Kanzleikultur.

Kultur der Veränderung im Arbeitsalltag integrieren

Zunächst hilft es, sich auf die Grundlagen zu besinnen. Welche Werte leben wir in unserer Kanzlei? Wie wollen wir miteinander umgehen? Wie sollen unsere Mandanten uns erleben? Welche Dinge sind uns besonders wichtig? Das Ergebnis dieser Fragen sollte bei allen weiteren Entscheidungen maßgeblich sein. Anschließend können die geeigneten Maßnahmen ausgewählt werden.

Wichtig dabei: Veränderung kommt nicht über Nacht. Sie braucht immer konkrete Vorbereitung, Verantwortlichkeiten und ein offenes Mindset. Zum Beispiel stellt sich die Frage: Wie bleiben Mitarbeiter miteinander in Kontakt, wenn sie sich durch Home-Office und flexible Arbeitszeiten nicht mehr begegnen? Wie können dennoch der Wissenstransfer und die effektive Abstimmung von Aufgaben gewährleistet werden?

Digitale Möglichkeiten können hier helfen. Egal ob Sie auf Online-Meetings, Kollaborationsplattformen oder z.B. eine eigene Mitarbeiterapp setzen – Spielregeln und Struktur braucht es auch hier. Gleichzeitig sind hier auch die Eigenschaften der einzelnen Mitarbeiter gefragt.

Wer 2021 in der Steuerberatung arbeitet, sollte Lernbereitschaft und eine Affinität für digitales Arbeiten mitbringen. Längst beschränken sich digitale Prozesse nicht mehr nur auf die klassischen Leistungsbereiche der Erstellung von Buchhaltung, Lohnabrechnung und Jahresabschluss. Schnittstellen, Vor- und Nachsysteme sowie neue Beratungsfelder stellen neue Anforderungen an Steuerberater und ihre Mitarbeiter.

Die Auswahl ist groß, doch allein mit der Bestellung ist es nicht getan. Eine strukturierte Einführung und Einrichtung sind genauso wichtig, wie die Inbenutzungnahme inklusive konkreter Anleitung und die Integration in die bestehenden Prozesse. Ansonsten landen Sie schnell im „Digilemma“.

Dabei kann eine durchdachte IT-Infrastruktur das Arbeiten wesentlich vereinfachen und gleichzeitig zum Kanzleierfolg beitragen. Beispielsweise kann ein Controllingtool mit entsprechender Schnittstelle die automatische Auswertung von Buchhaltungsund Lohndaten übernehmen. Kanzleien profitieren davon gleich mehrfach. Zum einen spart das Zeit, denn der Monatsabschluss kann per Knopfdruck an den Mandanten verschickt werden. Zum anderen machen intuitive Auswertungen die Ergebnisse der Kanzleiarbeit endlich sichtbar und damit ungleich wertvoller für den Mandanten. Das entsprechende Portal könnte Bestandteil eines umfangreichen Servicekonzeptes sein.

Zusätzlich bildet ein aktuelles Controlling die ideale Grundlage für betriebswirtschaftliche Beratung und damit einen wichtigen Baustein für das Geschäftsfeld der Zukunft.

Steuerberaterbranche – Wie sieht der Mitarbeiter der Zukunft aus?

Dass Steuerberater ihren Beratungsfokus weiter ausbauen sollten, ist nichts Neues. Schon im 2014 veröffentlichten Bericht der Bundessteuerberaterkammer beziehen sich einige Entwicklungsfelder für 2020 auf die umfassende Beratung. Sinn macht das allemal. Schließlich sind Kanzleien näher am Herzschlag der Unternehmen, als die meisten anderen Berater. Mit den Buchungen halten sie außerdem einen Datenschatz in Händen, der nicht ungenutzt bleiben sollte. Warum also die Daten für Banken, Unternehmensberater und Co. aufbereiten und dann abgeben? Die Datenherrschaft sollten sie nutzen lernen.

Dazu braucht es gut ausgebildete Fachkräfte im Steuer- und Finanzbereich, die sich als Datenmittler zwischen Erstellung und Mandant sehen. Es braucht eine hohe Lernbereitschaft und Lei-denschaft für den Beruf des „Bilanzverstehers“/Controllers, gepaart mit einer fachlich fundierten Grundlagenausbildung. Gesucht sind Steuerspezialisten mit digitaler Affinität und dem Wunsch, als Berater dem Mandanten effektiv Unterstützung geben zu wollen.

Die 08/15 Standard-Dienstleistung aus der Steuerberatung wird wohl in Zukunft immer weniger an Wert behalten. Nur wer mit aktuellen Auswertungen, individuellen Problemlösungen und integrierter Planungsrechnung und Kostenrechnung arbeitet, erfüllt den Anspruch unserer neuen Zeit.

Dazu braucht es denkoffene Mitarbeiter, die im Teamwork die Gesamtheit der Anforderungen gemeinsam lösen können und wollen. Das Feld der betriebswirtschaftlichen Beratung ist weit, doch viele Thematiken gehören ohnehin schon zum Portfolio eines Steuerberaters oder haben konkrete Überschneidungen mit steuerlichen Überlegungen.

Neuester Schwerpunkt: Existenzsicherung bzw. Insolvenzsicherheit. Nicht nur für viele Unternehmer ist dies ein brandaktuelles Thema. Auch Steuerberater sind spätestens seit dem neuen Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) verpflichtet, sich mit dem Thema zu befassen. Finanzplanung, Liquidität, Beteiligungsverhältnisse – das sind die aktuellen Lernfelder für Kanzleien.

Nur wer diese beherrscht, kann seine Mandanten wirksam unterstützen und die eigenen Honorare gegen eine Rückforderung absichern. Doch egal, welche Ziele sich eine Kanzlei steckt. Die wichtigsten Bausteine dafür sind und bleiben die Mitarbeiter. Nur Menschen, die zum Unternehmen und zum Team passen, werden sich dort auch gut integrieren.

Offenheit, Ideenreichtum, Lernbereitschaft, Selbstständigkeit, Organisationstalent, Eigenverantwortung und Veränderungswille zählen aktuell zu den wohl begehrtesten Talenten und sollten stets gefördert werden. So können Steuerkanzleien auch den veränderlichen Anforderungen im Jahr 2021 gegenübertreten.

 

Über die Autorin: 

Ines Scholz
seit 2001 Steuerberaterin
und Cheftresor®- Gründerin