Von Erbausschlagung bis Hauptversammlung, von Wohnungskauf bis Testament, von Ehevertrag bis Umwandlungsgesetz: Ein wesentliches, wenn nicht das entscheidende Charakteristikum des notariellen Berufs ist die Vielfalt an Rechtsgebieten und damit an Menschen und Lebenssituationen, mit denen man Tag für Tag konfrontiert ist.
In Deutschland gibt es zwei verschiedene Wege zum Beruf der Notarin oder des Notars. Denn in Berlin, Bremen, Hessen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und in den westfälischen Teilen Nordrhein-Westfalens ist aus historischen Gründen das Anwaltsnotariat gesetzlich festgelegt, in den übrigen Ländern das hauptberufliche Notariat oder Nurnotariat.
Voraussetzung für den Zugang zum Anwaltsnotariat ist im Wesentlichen eine mindestens fünf Jahre dauernde Anwaltstätigkeit und das Bestehen der notariellen Fachprüfung. Wer diese Voraussetzungen erfüllt, kann sich auf eine freie Notarstelle bewerben. Im Bereich des Nurnotariats – etwa in Bayern, wo ich berufstätig bin – ist nach dem zweiten Staatsexamen ein mindestens dreijähriger Anwärterdienst abzuleisten, bevor die Bestellung zur Notarin oder zum Notar auf Lebenszeit erfolgen kann.
Breitgefächerte Erfahrungen im Anwärterdienst
Im Anwärterdienst, als Notarassessorin oder Notarassessor, absolviert man Ausbildungsstationen in den Büros verschiedener Notare; hier ist das erste Mal örtliche Flexibilität gefragt. Dabei übernimmt man zunehmend auch selbstständig die Vertretung bei Beurkundungen oder führt gerade nicht besetzte Notarstellen im Rahmen einer Notariatsverwaltung weitgehend eigenständig. So habe ich beispielsweise nach meinem ersten Anwärterjahr für sechs Monate die Elternzeitvertretung einer Notarin übernommen.
Daneben gibt es von der jeweiligen Notarkammer organisierte Pflichtfortbildungen, die auf hohem Niveau – meist referiert von erfahrenen Praktikern – das spezifische Know-How für die notarielle Berufstätigkeit vermitteln. Wenn sich die Gelegenheit ergibt, kann man im Anwärterdienst auch für eine gewisse Zeit im Rahmen einer Abordnung in einem Justizministerium tätig sein oder bei einer notariellen Organisation wie der Bundesnotarkammer mit Büros in Berlin und Brüssel oder beim wissenschaftlich ausgerichteten Deutschen Notarinstitut in Würzburg. So war ich einige Jahre, zuletzt als einer der Geschäftsführer, bei der Bundesnotarkammer in Berlin tätig.
Nach der Mindestzeit von drei Jahren im Anwärterdienst kann man sich auf freie Notarstellen in dem Land bewerben, in dessen Anwärterdienst man sich befindet. Beiden Verfassungen des Notariats ist gemein, dass die Anzahl der Notarstellen örtlich beschränkt ist und von der Justizverwaltung auf Grundlage des Bedarfs festgelegt wird. Im Nurnotariat muss man innerhalb des Landes örtlich flexibel sein. Im Anwaltsnotariat ist man darauf angewiesen, dort eine Stelle zu bekommen, wo man seit mindestens drei Jahren als Anwalt tätig ist.
Sprung in die Selbständigkeit
Mit der Übernahme seiner Notarstelle ist man dann selbstständig und auf eigene Rechnung tätig. Die Notarin oder der Notar trägt für die Infrastruktur der Amtsausübung und die Mitarbeitenden die organisatorische und finanzielle Verantwortung. Das muss man wollen; wer diesen Aspekten der Selbstständigkeit und Eigenverantwortung nichts abgewinnen kann oder sie als Last empfindet, für den ist der Beruf nicht geeignet.
Bei der Beratung und Beurkundung sind Notarinnen und Notare zur Neutralität verpflichtet, müssen den Willen der Rechtssuchenden ermitteln und einer rechtssicheren Umsetzung zuführen. Wegen des hoheitlichen Charakters ihrer Tätigkeit sind sie der staatlichen Aufsicht und in vielen Bereichen einer intensiven Regulierung unterworfen. So sind die Gebühren gesetzlich festgelegt und für fast alle notariellen Leistungen bei allen Berufsträgern gleich. Die Kosten hängen dabei im Wesentlichen von der wirtschaftlichen Bedeutung des Geschäfts ab, was sicherstellt, dass für alle Angelegenheiten, bei denen die Mitwirkung einer Notarin oder eines Notars zwingend ist, jeder sich diese Mitwirkung auch leisten kann.
Täglich vielfältige Herausforderungen
Ich mag neben der täglichen Vielfalt an meinem Beruf besonders die neutrale Stellung und den vorsorgenden Charakter: Bei der Mehrzahl der Fälle geht es nicht darum, eine schon entstandene Problemsituation – notfalls im Rechtsstreit – zu bewältigen und die Position einer Seite zu vertreten, sondern darum, durch eine vorausschauende rechtliche Lösung zukünftige Streitigkeiten, Rechtsunsicherheiten und sonstige Nachteile zu vermeiden. Das setzt voraus, die Situation der beteiligten Personen in tatsächlicher Hinsicht korrekt zu erfassen, um sie dann rechtlich umsetzen zu können. Das kann gerade in höchstpersönlichen Angelegenheiten wie etwa bei Testamenten oder Schenkungen eine ziemliche Herausforderung sein, die Fingerspitzengefühl erfordert. Häufig ist auch die Zusammenarbeit mit steuerlichen oder anwaltlichen Beratern erforderlich.
Wer sich vorstellen kann, dass eine solche Tätigkeit für sie oder ihn etwas wäre, sollte sich näher mit dem Berufsbild befassen. Eine Station im Rahmen des Referendariats kann einen konkreten Einblick vermitteln, ebenso eine Hospitation in einem Notarbüro, die sich vor einer Bewerbung als Notarassessorin oder Notarassessor nach dem zweiten Staatsexamen in jedem Fall empfiehlt.
Nicht verschwiegen werden darf, dass die Anforderungen an das Ergebnis des zweiten Staatsexamens in den meisten Fällen nicht ganz gering sind. Im Bereich des Nurnotariats hängen sie konkret von den Bewerberzahlen im entsprechenden Land ab, so dass man sich bei verschiedenen Ländern nach den aktuellen Anforderungen umhören sollte. Im Bereich des Anwaltsnotariats kommt es grob gesagt auf die Bewerberzahlen an dem ins Auge gefassten Amtssitz an, wobei hier auch das Ergebnis der notariellen Fachprüfung noch eine wesentliche Rolle spielt. Mit etwas örtlicher Flexibilität stehen die Chancen gut, einen der schönsten juristischen Berufe ergreifen zu können.
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Über den Autor
Dr. Sebastian Löffler - Notar
Er studierte Rechtswissenschaften in Würzburg und Caen und wurde mit einer verfassungsrechtlichen Arbeit promoviert. Das Referendariat absolvierte er am Kammergericht in Berlin mit Ausbildungsstationen beim Bundesministerium der Justiz, am Bundesverfassungsgericht und bei einer Großkanzlei in Berlin und London.