Der Honoraranspruch von Dolmetschern und Übersetzern nach dem JVEG und die Bedeutung der Vergütungsvereinbarung gemäß § 14 JVEG

von Dr. Michael Hennig und Hermann J. Bauch

Die Möglichkeiten, wie Dolmetscher und Übersetzer in den Bereichen der Justiz, der öffentlichen Verwaltung sowie nicht zuletzt gegenüber den Sozialversicherungsträgern tätig werden können, sind vielfältig. Mit dieser Vielzahl der Tätigkeitsbereiche stellt sich für die Dolmetscher und Übersetzer regelmäßig die Frage nach der Vergütung ihrer Leistung. Dies betrifft zum einen die unterschiedlichen Rechtsgrundlagen, aus denen der Vergütungsanspruch herzuleiten ist. Zum anderen ist die Frage nach der Höhe des jeweiligen Vergütungsanspruches zu beantworten.

Als eine wesentliche Gemeinsamkeit lässt sich erkennen, dass die Honorare für die Dolmetscher- und Übersetzerleistungen nach dem Willen des Gesetzgebers grundsätzlich auf der Basis des „Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes“ (JVEG) bemessen werden sollen. Beispielhaft wird in den folgenden Überlegungen die Tätigkeit des Dolmetschers in den Blick genommen. Die Ergebnisse lassen sich jedoch im Wesentlichen auf die Tätigkeit des Übersetzers übertragen.

1. Grundsätzliches zur Anwendbarkeit des JVEG

a) Das Dolmetschen im Rahmen der Verfahren der Justiz – vom staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren bis hin zu den Gerichtsverfahren der verschiedenen Instanzen – kann historisch als Grund- und Ausgangslage für die Bemessung der Vergütung von Dolmetschern angesehen werden. Wird ein Dolmetscher bestellt, so hat dieser für seine Tätigkeit im Verfahren einen unmittelbaren Vergütungsanspruch nach § 1 Abs. 1 S. 3 JVEG. Dieser umfasst die in § 8 JVEG genannten Positionen. In den Verfahren vor den Gerichten ergibt sich die Vergütung entsprechend den Vorgaben des § 8 JVEG. Das Honorar des Dolmetschers beträgt dabei gemäß § 9 Abs. 3 S. 1 JVEG für jede Stunde 70,00 Euro und, wenn er ausdrücklich für simultanes Dolmetschen herangezogen worden ist, 75,00 Euro; maßgebend ist für den erhöhten Honorarsatz ausschließlich die bei der Heranziehung im Voraus mitgeteilte Art des Dolmetschens. Dolmetscher erhalten darüber hinaus nach § 5 Abs. 2 Ziff. 2 JVEG zur Abgeltung der Anschaffungs-, Unterhaltungs- und Betriebskosten sowie zur Abgeltung der Abnutzung des Kraftfahrzeugs 0,30 Euro pro gefahrenem Kilometer. Schließlich können verschiedene weitere Aufwandsentschädigungen, insbesondere bei Ortsabwesenheit, gemäß § 6 JVEG hinzukommen.

b) Neben der unmittelbaren Anwendung im Bereich der Justiz ist für die Tätigkeit der Dolmetscher die entsprechende Anwendung der Vergütungsregeln des JVEG im Rahmen von Verwaltungsverfahren der unterschiedlichsten Art von großer Bedeutung.

Zieht eine Behörde einen Dolmetscher hinzu, so hat dieser nach Maßgabe des § 23 Abs. 2 S. 4 VwVfG einen Vergütungsanspruch in entsprechender Anwendung der Regelungen des JVEG. Aufgrund der föderalen Struktur der Bundesrepublik gelten neben der genannten bundesrechtlichen Regelung die Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder. In Nordrhein-Westfalen korrespondiert der insoweit wortgleiche § 23 Abs. 2 S. 4 VwVfG NRW für die
Beauftragung durch Behörden des Landes mit der bundesrechtlichen Regelung.

Namentlich im Bereich der Tätigkeit von Dolmetschern für die Polizei – die überwiegend in Länderhoheit tätig wird – kommt es zu einer Abgrenzungsfrage von unmittelbarer und nur entsprechender Anwendung des JVEG. Der Runderlass zur „Vergütung von Dolmetschern und Übersetzern im Bereich der Polizei“ in Nordrhein-Westfalen1 macht dies beispielhaft deutlich. Nach Ziffer 2. gilt für Dolmetscher und Übersetzer, die von der Polizei im Auftrag oder mit vorheriger Billigung der Staatsanwaltschaft  herangezogen werden, das JVEG unmittelbar – es liegt ein Verfahren der Justiz vor. Lediglich entsprechend wird das JVEG im Bereich der polizeilichen Gefahrenabwehr oder sonstiger der Polizei gesetzlich zugewiesener Aufgaben gemäß § 10 Absatz 5 PolG NRW angewandt – einer Spezialregelung gegenüber § 26 Absatz 3 VwVfG NRW.

An dieser Stelle ist über die vorstehend bereits genannten Fälle einer lediglich entsprechenden Anwendung des JVEG hinaus auch die Vorschrift des § 19 Abs. 2 S. 4 SGB X anzusprechen. Für den weiten und für Dolmetscher wirtschaftlich bedeutsamen Bereich der Verfahren vor den Sozialleistungsträgern wird in § 19 Abs. 2 S. 4 1. Halbsatz SGB X der Wortlaut der Regelung des § 23 Abs. 2 S. 4 VwVfG aufgegriffen. Danach gilt auch hier, dass hinzugezogene Dolmetscher und Übersetzer einen Vergütungsanspruch entsprechend der Regelung des JVEG haben. Die Vorschrift des § 19 Abs. 2 S. 4 SGB X weist jedoch im Verhältnis zu § 23 Abs. 2 S. 4 VwVfG einen entscheidenden Unterschied auf. Sie enthält im 2. Halbsatz nämlich eine Ergänzung, wonach eine andere Vergütung vereinbart werden kann2. Diese Besonderheit wird nachfolgend unter Ziffer 2. c) noch genauer zu untersuchen sein.

c) Schließlich kann das JVEG für eine Vergütung des Dolmetschers auch bei Dienstverhältnissen gemäß §§ 611 ff. BGB im Rahmen des § 612 Abs. 2 BGB als eine vorhandene „Taxe“ Anwendung finden.

Zu dieser Problematik, welche namentlich die Tätigkeit von Gebärdensprachdolmetschern (GSD) im Bereich der stationären Heilbehandlung berührt – wenn diese im Krankenhaus hörbehinderte Menschen bei ärztlichen Gesprächen zur Aufnahme, zur Vorbereitung der Operation und zum Abschlussgespräch betreuen – sind eine Entscheidung des Sozialgerichts Hamburg vom 24.03.20173 sowie ein vorangegangener Beschluss des Bundessozialgerichts vom 29.07.20144 beachtenswert.

Nach der erwähnten Entscheidung des Sozialgerichts Hamburg handelte es sich bei der entsprechenden Dolmetscherleistung im Rahmen der Patientenbegleitung um eine Sozialleistung im engeren Sinne und keine Tätigkeit im Sozialverwaltungsverfahren, auf welche die Verweisungen auf das JVEG § 19 Abs. 2 S. 4 SGB X somit keine Anwendung finden. Die Kosten für den Einsatz eines GSD waren im konkreten Falle bereits mit der Fallpauschale der gesetzlichen Krankenkasse im Verhältnis zum Krankenhaus abgegolten. Das Bundessozialgericht kam bei seiner Entscheidung zu dem Schluss, dass anstelle einer Beauftragung durch die gesetzliche Krankenkasse unmittelbar zwischen dem Krankenhaus und dem GSD ein Dienstvertrag nach § 611 BGB zustande gekommen ist. Dabei war mangels Vorliegen einer individuellen Honorarvereinbarung für die Vergütung nach § 612 Abs. 2 BGB eine vorhandene „Taxe“ anzuwenden. Das Bundessozialgericht sah das JVEG als eine solche „Taxe“ an und leitete dessen Anwendung über die entsprechende Berücksichtigung der sozialrechtlichen Verweisungsvorschriften her.

2. Die Vergütungsvereinbarung nach § 14 JVEG

a) In der Praxis gewinnt neben der vorstehend skizzierten Rechtslage bei Erteilung eines einzelnen Dolmetscher- und Übersetzungsauftrages hinaus der Abschluss von Vergütungsvereinbarungen mit Dolmetschern und Übersetzern im Sinne des § 14 JVEG, die häufiger herangezogen werden, zunehmend an Bedeutung. Entscheidend ist dabei, dass im Rahmen eines solchen Vertrages die nach dem JVEG vorgesehene Vergütung nicht überschritten werden darf – sprich in der Praxis regelmäßig Vereinbarungen getroffen werden, die eine geringere Vergütung festlegen. Dies ist nicht nur in der Justiz bei der unmittelbaren Anwendung des JVEG, sondern auch im Verwaltungsverfahren unter entsprechender Anwendung der Vergütungsregelungen des JVEG zu beobachten. Im bereits erwähnten Runderlass zur „Vergütung von Dolmetschern und Übersetzern im Bereich der Polizei“ in Nordrhein-Westfalen heißt es unter Ziffer 5. Satz 2 ausdrücklich:

„§ 14 JVEG eröffnet insbesondere die Möglichkeit, mit einem einzelnen Dolmetscher oder Übersetzer, der häufiger herangezogen wird, zur Vereinfachung der Abrechnung eine Vereinbarung über die zu gewährende Vergütung zu treffen, deren Höhe die im JVEG gesetzlich zugelassene Obergrenze allerdings nicht überschreiten darf. Im Sinne einer sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung sollen daher grundsätzlich Ausschreibungen dafür genutzt werden, solche Vereinbarungen zu realisieren.“5

An dieser Stelle ist jedoch Folgendes zu berücksichtigen. Selbst wenn man den Aspekt der Abrechnungsvereinfachung gegenüber dem Fiskalinteresse des Staates weitgehend zurücktreten lässt – wie dies die Rechtsprechung tut6 – so muss doch bei der Bemessung der Dolmetschervergütung im Rahmen von Honorarverträgen eine differenziertere Betrachtungsweise zu Grunde gelegt werden. Die Vereinbarung von Honoraren im Sinne einer sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung setzt nämlich voraus, dass das Kriterium der Qualifikation des Dolmetschers in sachgemäßer Weise gewürdigt wird. Es kann daher nicht allein auf den niedrigsten Stundensatz abgestellt werden.

b) Darf im Rahmen solcher Vergütungsvereinbarungen also auf der einen Seite die Vergütung nach dem JVEG nicht überschritten werden und soll andererseits durch solche Vereinbarungen eine sparsame und wirtschaftliche Haushaltsführung der öffentlichen Kassen gewährleistet werden, so ist zu fragen, nach welchen Maßstäben die Vergütung im konkreten Falle zu ermitteln ist. Oder anders gewendet: Wie weit darf die gesetzliche Vergütung der Dolmetscher und Übersetzer nach den Vorschriften der §§ 8 ff. JVEG im Rahmen des § 14 JVEG unterschritten werden? Die Argumentation des Bayerischen Landessozialgerichts7 zu dieser Frage mag Licht ins Dunkel bringen.

Das Gericht setzt sich in seiner Entscheidung ausführlich mit den Gesetzesmaterialien zum Zeugen- und Sachverständigenentschädigungsgesetz (ZSEG) aus dem Jahre 1956 und den Gesetzesbegründungen zu § 14 JVEG aus dem Jahre 2004 auseinander. Es attestiert in diesem Zusammenhang dem Gesetzgeber ausdrücklich eine gewisse „Scheinheiligkeit“8, wenn dort von einer Vereinfachung der Abrechnung die Rede ist, die mit einer Vergütungsvereinbarung nach § 14 JVEG erreicht werden soll, und fiskalische Gesichtspunkte lediglich von untergeordneter Bedeutung sind. Das Gericht stellt demgegenüber fest, es sei offenkundig, dass eine Vereinbarung zur Höhe des Stundensatzes nicht einer Abrechnungsvereinfachung, sondern – überwiegend, wenn nicht ausschließlich – einer Kosteneinsparung auf Seiten der Staatskasse dient. Angesicht dessen kommt der Senat zu dem Schluss:

„Die Höhe der in einer Vereinbarung gemäß § 14 JVEG geregelten Vergütung ist daher grundsätzlich der Überprüfung (…) entzogen, sofern nicht Gründe offenkundig auf der Hand liegen, dass die vereinbarte Vergütung so niedrig ist, dass sich die Höhe nur durch einen Missbrauch der Marktposition des Staats beim Abschluss der Vereinbarung erklären lässt, weil mit der vereinbarten Vergütung kein vernünftiges wirtschaftliches Tätigwerden am Markt mehr möglich ist.“9

c) Ist schon die vorstehende Entscheidung zu einer Vergütungsvereinbarung im Sinne des § 14 JVEG in der Praxis bei der Geltendmachung einer Dolmetschervergütung im gerichtlichen Verfahren sowie bei Vertragsverhandlungen mit der Justiz sowie den Verwaltungsbehörden nur schwer in einer für die betroffenen Dolmetscher angemessenen Weise umzusetzen, so kann sich für Verhandlungen über Vergütungsvereinbarungen mit den Sozialleistungsträgern eine weitere Schwierigkeit ergeben.

Wie bereits erwähnt, erfolgt im Sozialverwaltungsverfahren die entsprechende Anwendung der Vergütungsregelungen des JVEG über die Vorschrift des § 19 Abs. 2 S. 4 SGB X. Die Vorschrift des § 19 Abs. 2 S. 4 SGB X weist jedoch im Verhältnis zu den übrigen Verweisungsvorschriften im öffentlichen Recht einen entscheidenden Unterschied auf. Sie enthält im 2. Halbsatz nämlich  eine Ergänzung, wonach mit den Dolmetschern und Übersetzern eine andere Vergütung vereinbart werden kann. Es fehlt dabei jeder Hinweis auf die Regelung auf den § 14 JVEG. In den Gesetzesmaterialien zu § 19 SGB X lässt sich ein solcher Hinweis nicht finden.10

Bedeutet dies, dass die Vergütungsvereinbarung im Sinne des § 19 Abs. 2 S. 4 2. Halbsatz gänzlich von der Vergütungsvereinbarung im Sinne des § 14 JVEG unterschieden werden muss? Die Autoren sind der Auffassung, dass es sich hierbei nur um ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers handeln kann. Dafür, dass es sich bei der Vergütungsvereinbarung im Sinne des 2. Halbsatzes um eine Vereinbarung nach § 14 JVEG handelt, spricht, dass im 1. Halbsatz ausdrücklich auf die Regelungen des JVEG Bezug genommen wird. Auch wird in den Gesetzesmaterialien nicht ersichtlich, warum im Sozialverwaltungsverfahren andere Umstände bestimmend sein sollen als im übrigen Verwaltungsrecht. Dort wird die Möglichkeit des Abschlusses einer Vergütungsvereinbarung im Sinne des § 14 JVEG ohne Weiteres über die generelle Verweisung auf die Regelungen des JVEG hergeleitet – so zum Beispiel im § 23 Abs. 2 S. 4 VwVfG.

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1 RdErl. des Ministeriums für Inneres und Kommunales - 402 - 57.01.63 - v. 25.2.2013.
2 Vogelgesang in Hauck/Noftz, SGB, Stand 12/2010, § 19 SGB X, Rn. 23.
3 SG Hamburg, Urteil vom 24.03.2017– S 48 KR 1082/14, juris.
4 BSG, Beschluss vom 29.07.2014 – B 3 SF 1/14 R, juris.
5 RdErl. des Ministeriums für Inneres und Kommunales - 402 - 57.01.63 - v. 25.2.2013, a. a. O.
6 Bayerisches LSG, Beschluss vom 07.04.2016 - L 15 RF 31/15, juris. In der Kommentarliteratur ist die Auffassung hierzu uneinheitlich. Einerseits wird die Ansicht vertreten, dass Vereinbarungen gem. § 14 JVEG ausschließlich zur Abrechnungsvereinfachung abgeschlossen werden dürfen, ein schutzwürdiges Kostensenkungsinteresse des Staates wird verneint, so Binz, JVEG, 4. Aufl., 2014, § 14 JVEG, Rn. 5; so wohl auch Meyer, Höver, Bach, Oberlack, Jahnke, JVEG, 27. Auflage, 2018 § 14 JVEG, Rn. 2; andererseits wird der genannten Entscheidung des Bayerischen LSG gefolgt, so Schneider, JVEG, 3. Aufl., 2018, § 14 JVEG, Rn. 8 und 15.
7 Bayerisches LSG, a. a. O., m. w. N.
8 Bayerisches LSG, a. a. O., Rn. 41.
9 Bayerisches LSG, a. a. O., Rn. 43.
10 Gesetzesbegründung, BT-Drucksache 8/2034, S, 6 f.

Über die Autoren:

Dr. Michael Hennig
seit 1997 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen und arbeitet darüber hinaus
als Bundesreferent für Soziales im BDÜ e.V.

Hermann J. Bauch
seit 1995 mit den Tätigkeitsschwerpunkten Forderungsmanagement,
Vertragsrecht, Mietrecht und Vereins- und Verbandsrecht
Rechtsanwalt in Köln, seit 2015 Justiziar des BDÜ e.V.

Quelle NJW 17/2018