»Prädikat oder Taxi?«

Youtube Jurastudium
von Sarah Settele

Warum ein Youtube-Kanal?

»Wenn ich geahnt hätte, was da auf mich zukommt, hätte ich nie Jura studiert.« Diesen Satz habe ich zu oft gehört, wenn ich mich mit Kommilitonen ausgetauscht habe. Auch nach dem Zweiten Staatsexamen lautete die Antwort einiger Kollegen auf die Frage, welchen Weg sie denn nun einschlagen möchten (Anwaltschaft, Justiz, Verwaltung): »Hauptsache nichts mit Jura«. Es ist tragisch, dass so viele während der Ausbildung zum (Voll-)Juristen jeden Spaß an der Materie verlieren, und gleichzeitig doch wenig überraschend. »Sehen Sie mal nach links und rechts… viele unter Ihnen werden das Studium nicht bis zum Examen durchhalten und jeder Dritte, der es bis dahin schafft, wird nicht bestehen.« Solche maximal aufbauenden Worte habe wohl nicht nur ich zum Studienbeginn gehört. Immer wieder wurde meinem Eindruck nach ein zu negatives Bild gezeichnet und unnötig Angst geschürt. Da wundert es nicht, dass sich viele Studenten massiv unter Druck setzen, sich selbst vernachlässigen und am Ende aus dem Examen »kriechen«.

Mehr Information und Motivation

Ich sehe daher großen Bedarf an Aufklärung und gleichermaßen an Motivation für (angehende) Juristen. Man sollte im Vorfeld wissen, wie anstrengend und langwierig das Studium sein kann, dass einige (vermeintliche) Traumberufe eben nur mit bestimmter Examensnote erreicht werden können und diese nicht so ohne Weiteres sicher zu schaffen ist. Gleichzeitig ist mir auch wichtig, ein gutes Gefühl zu vermitteln und der allgemeinen »Weltuntergangsstimmung« (gerade während der Examensvorbereitung weit verbreitet) entgegenzusteuern. Daher habe ich 2018 den Youtube-Kanal »Suspectaria« ins Leben gerufen. In wöchentlichen Videos kläre ich über das Studium auf und gebe Tipps zum Lernen bzw. zur Selbstorganisation, die ich teilweise selbst gerne früher gewusst hätte. Auch zeige ich durch Interviews die zahlreichen Möglichkeiten auf, die man mit und ohne abgeschlossenes Jurastudium hat. Natürlich berichte ich auch aus meiner eigenen  Erfahrung aus dem Studium. Dabei möchte ich offen und ehrlich Themen ansprechen, die – warum auch immer – tabuisiert werden. Großen Zuspruch habe ich z.B. für das Video erhalten, in welchem ich im Detail über meine eigene turbulente Examensgeschichte und die nervliche Belastung gesprochen habe.

Offen und ehrlich

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Bonn
Vertragsrecht | Verwaltungsrecht

Mehr Ehrlichkeit und Offenheit ist der Wunsch vieler Studenten. Dass hierfür Bedarf besteht, erkenne ich vor allem an den Aufrufzahlen. Die meisten Klicks (über 23.000) hat das Video mit dem Titel »Schattenseiten im Jurastudium«. Ich habe im Studium teils wirklich gekämpft, bin aber heute leidenschaftlich gerne Rechtsanwältin und hoffe, auch andere für den Beruf begeistern zu können. Es ist jedoch weder mein Anliegen, Werbung für das Jurastudium zu machen, noch möchte ich aktiv abschrecken. Wichtig ist mir, dass sich Interessierte ein ungeschöntes Bild vom Studium, dem Referendariat und dem Anwaltsberuf machen können. Sie sollen sich aufgrund tiefergehender Einblicke entscheiden können, ob sie ein solches Studium angehen möchten. Denjenigen, die sich dafür entscheiden, soll der Kanal als Plattform dienen, sich mit mir und anderen Kollegen über Themen auszutauschen, die man sonst vielleicht eher selten ansprechen kann. Eine solche »Anlaufstelle« hätte ich mir während meines Studiums gewünscht. Dafür nehme ich mir gerne Zeit.

Auch bei den recht einfach gehaltenen Videos, in welchen man quasi nur vor der Kamera sitzt und redet, ist der Aufwand nicht zu unterschätzen. Es muss zunächst eine Videoidee entwickelt und ein Skript entworfen werden. Der Dreh dauert auch, je nach Thema, teilweise mehrere Stunden. Mindestens genauso lange benötige ich für den Schnitt, das Thumbnail und alles weitere (Titel, Videobeschreibung, etc.). Man kann also durchaus pro Video ca. einen Arbeitstag veranschlagen. Alle Videos produziere ich selbst im Rahmen meiner Möglichkeiten.

Kanzleigründung und Work-Life-Balance

Da ich Ende 2020 den Sprung in die Selbstständigkeit gewagt habe, hatte ich mich zwischendurch entschlossen, eine Pause auf Youtube einzulegen. Priorität hatte der Aufbau meiner Kanzlei, der Umzug in größere Räume und das Bilden eines Teams. Nebenbei habe ich auch den Fachanwaltslehrgang im Arbeitsrecht absolviert. Da der Youtube-Kanal aber mein zweites Herzens-Projekt ist, habe ich mir inzwischen wieder etwas Kapazität eingeräumt, lade wöchentlich Videos hoch und richte mich bzgl. der Themen nach den Wünschen der Zuschauer. Aufgrund meiner gewonnenen Erfahrung kann ich nun auch zum Thema Kanzleigründung/ Selbstständigkeit berichten, immer mit einer Portion Humor, den es einfach manchmal braucht. Aufgrund der Nachfrage versuche ich mich öfter auch an anderen Formaten und drehe nun hin und wieder auch mal einen Vlog und »Life-Style-­Videos«. Dabei nehme ich die Zuschauer mit in meinem Alltag als Anwältin. Im Mittelpunkt steht immer eine gesunde »Work-Life-Balance« (eigentlich ein Unwort …) und der Spaß an der Juristerei.

Ich hoffe, durch meinen Kanal andere  zu motivieren und darin zu unterstützen, ihren eigenen Weg zu finden. Kein Mensch braucht erst ein Prädikat, um glücklich zu sein.

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Über die Autorin:

Sarah Settele
studierte Rechtswissenschaften und absolvierte ihr Referendariat in Regensburg. Seit 2018 betreibt sie den Kanal »Suspectaria« auf Youtube für (angehende) Juristen. Im Jahr 2020 gründete sie ihre eigene Kanzlei in Krumbach (Schwaben).

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