Parent Coaching für Juristen?

von Anna Engers, Volljuristin, Beraterin für strategisches Diversity-Management, systemischer Business Coach und seit 2011 Inhaberin von diventure, Frankfurt

Der Coaching-Markt wächst und wächst. Viele Kanzleien bieten ihren Mitarbeitern Business Coaching schon an. Jetzt noch „Parent Coaching“ für Juristen? Was ist das?

Parent Coaching hat nichts mit Erziehung von Kindern zu tun. Parent Coaching richtet sich an werdende Eltern im Business-Kontext und schlägt eine Brücke zwischen der Kanzlei und ihren Mitarbeitern. Steigt eine Anwältin in die Familienplanung ein, stellen sich ihr viele Herausforderungen, beginnend mit der grundsätzlichen Frage: „Ist die Lebensplanung mit den Karriereplänen vereinbar, die die Kanzlei mir aufzeigt?“ Daran schließen sich schnell ganz praktische Fragen an: „Wie und wann informiere ich meinen Arbeitgeber über die Schwangerschaft? Wie lange möchte ich zu Hause bleiben? Kann ich das jetzt eigentlich schon absehen? etc.“ Das sind Fragen, die erst einmal verunsichern. Der Kanzlei muss klar sein, dass die Gefahr besteht, die Anwältin zu verlieren. In dieser Phase entscheidet oft die Kommunikation zwischen Kanzlei und Anwältin, ob die zukünftige Mutter später wieder den Weg an ihren alten Arbeitsplatz findet. Wenn hier nicht richtig – und das gilt für beide Seiten: Kanzlei und Mitarbeiterin – kommuniziert wird, können Missverständnisse entstehen, die später kaum noch zu beheben sind. Hier hilft das Parent Coaching. Die Kanzlei stellt der Anwältin für die Zeit der Schwangerschaft im Büro, den Ausstieg, die Zeit zu Hause und den Wiedereinstieg einen Coach zur Seite, um sie bestmöglichst bei den neuen Herausforderungen zu unterstützen und die Möglichkeiten in der Kanzlei aufzuzeigen. Wichtig ist: Dies geschieht natürlich in enger Beziehung zur Kanzlei. Denn diese soll profitieren: Die Mitarbeiterinnen sollen bleiben und nicht – wie so oft – bei oder schon vor Familiengründung die Sozietäten verlassen.

Parent Coaching richtet sich aber nicht nur an die Mitarbeiterinnen einer Kanzlei. Familienzuwachs bei männlichen Anwälten bedeutet ebenfalls Veränderungen, die sich auch auf das tägliche Arbeiten auswirken können. Damit ist nicht nur der anfängliche eventuelle Schlafmangel etc. gemeint, sondern dass von den jungen Vätern heute mehr verlangt wird. Sie sollen Karriere und gleichzeitig als Vater dabei eine gute Figur machen. Oft kommt dazu, dass die Frauen zurück in ihren Beruf möchten und von ihren Partnern ein Entgegenkommen erwarten. Wie ist das vereinbar, wenn man als Anwalt gerade auf dem Weg zur Partnerschaft ist? Hier entsteht durchaus Druck, der nicht zu unterschätzen ist. Greifen die Kanzleien das auf? Wie gehen sie mit Erwartungen und Bedürfnissen von jungen Vätern um? Im Parent Coaching werden die jeweiligen Bedürfnisse besprochen und Lösungen im Sinne beider Seiten (Kanzlei und Anwalt) erarbeitet.

Warum Parent Coaching?

Kanzleien haben schon erkannt, dass hinter ihren Anwälten und Anwältinnen auch ein Mensch steckt. Wenn dieser Mensch Vater oder Mutter wird, dann hat diese private Angelegenheit Auswirkungen auf den Beruf. Aber gerade weil sich hier private und berufliche Sphärenberühren, bedarf es einer guten Kommunikation. Fühlen sich die Mitarbeiter von der Kanzlei gehört und verstanden, dann bleiben sie, bzw. kommen wieder. Das spart der Kanzlei viel Geld, Zeit und Mühe. So einfach geht Parent Coaching.

Quelle NJW 24/2016