Werte schöpfen mit Weiterbildung

Svenja Op gen Oorth im Gespräch mit Susanne Kleiner

Die Digitalisierung definiert erfolgreiche Rechtsberatung neu: Kommunikation, Teamarbeit, Führung und mentale Stärke sind wertvoller denn je. Gut, dass immer mehr Kanzleien und Notariate ihre Führungskräfte und Mitarbeiter auch dafür qualifizieren, meint Svenja Op gen Oorth.

Warum Soft Skills immer wichtiger werden und wie Weiterbildung wirksam greift, erklärt die Kommunikationsexpertin, Trainerin und Coach im Gespräch mit Susanne Kleiner.

Wie konzipieren Sie Trainings und Coachings, die zu Juristen passen?

Mir fällt es leicht, Juristen zu verstehen und mich in deren Denkwelt hineinzuversetzen. Ich habe selbst Jura studiert. Außerdem halte ich mich über Kanzleiführung, -management oder Legal Tech auf dem Laufenden.

Es ist kein Geheimnis: Juristen haben wenig Zeit. Deshalb sind kompakte Einheiten so beliebt. Ganz gleich, ob es um klassische Kommunikationstrainings, um Führungskräfte-Programme, Karrierecoaching, Konfliktklärungen oder Mentalcoaching geht; auch wenn die Begleitung in persönlichen und unternehmerischen Entscheidungsprozessen im Fokus steht: Gefragt sind flexible Formate, die realisierbar sind, ohne die Teilnehmer über weite Strecken aus dem Tagesgeschäft herauszureißen.

Was sind typische Bedürfnisse von Juristen?

Ich beobachte, dass Soft-Skills ins Zentrum rücken. Genügte es vor zwanzig Jahren, fachlich kompetent zu sein, ist es heute erfolgsentscheidender denn je, zwischenmenschlich zu punkten. Das populäre Stichwort hierzu ist „Beratung auf Augenhöhe“.

Auch ist es angesichts der hohen Drehzahl im Beruf unverzichtbar, dass sich Juristen selbst stärkend aufstellen und ungesunden Stress vermeiden. Wer gut für sich sorgt, bleibt gesund und entwickelt persönliche Ausstrahlung.

Wer sich dann auch noch konstruktiv auf andere einstellt und wertschätzend kommuniziert, überzeugt Mandanten, Richter, die gegnerische Partei oder Experten in interdisziplinären Projekten. Das kann im Beratungsgeschäft, in Verhandlungen und bei Diskussionen vor Gericht Gold wert sein.

Wo sehen Sie primär Entwicklungsbedarf bei Anwälten und Notaren?

Die digitale Transformation macht auch vor Juristen nicht Halt. Für Anwälte und Notare sind digitale Kompetenzen ein Muss. Die Digitalisierung hat die Abläufe grundlegend verändert. Und das ist erst der Anfang. Künstliche Intelligenz wird den Rechtsmarkt weiter massiv beeinflussen. Im Zuge dessen wird Führung als Wertschöpfungsfaktor immer bedeutender.

Drei Generationen treffen heute auf dem Arbeitsmarkt aufeinander, nämlich Baby Boomer, die Generation X und die Digital Natives. Das heißt: Unterschiedliche Prägungen, Bedürfnisse und Erwartungen definieren neue Gesetze in unserer volatilen, unsicheren, komplexen und ambivalenten Welt. In dieser sogenannten VUKA-Welt gibt es keine festen Regeln, keine Gewissheiten und keine klar zu erkennenden Zusammenhänge mehr: Alles ist möglich oder auch nicht. Stärkenorientiert zu führen erfordert kommunikative Kompetenzen und das Know-how, systemisch zu coachen. Dass die Nachfrage nach Trainings, Coaching und Teamentwicklung zunimmt, zeigt, wie bewusst sich viele Kanzleien diesem Wandel stellen.

Wie kann die Kanzleispitze den Weiterbildungsbedarf treffend ermitteln?

Zunächst muss die Spitze für Weiterbildungen offen sein; besonders für Formate, die das rein Fachliche hinter sich lassen. Zukunftsorientierte Entscheider erkennen den Wert der weichen Faktoren. Und sie sind sich der Hebelwirkung bewusst, die Persönlichkeitsentwicklung und mentale Stärke bei Mitarbeitern freisetzen, und zwar über alle Hierarchiestufen und Funktionen hinweg.

Eine gedeihliche Kanzleikultur lebt davon, dass Kanzleiinhaber und Entscheider klar, integrativ und ermutigend kommunizieren. Das heißt: Eine starke Führung hat ein offenes Ohr für das, was im Team vor sich geht. Und sie steht im Dialog mit den Mitarbeitern. So zeichnet sich der Bedarf automatisch ab. Während eine Kanzlei Führungskompetenzen braucht, fragt eine andere nach Verhandlungsstrategien, eine dritte setzt auf Akquisition und wieder eine andere Kanzlei profitiert von einem Themen-Mix.

Wie sind Unternehmen gestrickt, die Weiterbildung großschreiben?

Für mich sind das jene Marktteilnehmer, die ihr Humankapital, ihre Mitarbeiter, als ihre kraftvollste Ressource anerkennen; eine Ressource, die noch wertvoller wird, wenn sie entwickelt wird. Denn in unserer agilen, schnelllebigen Umwelt agieren gestärkte Persönlichkeiten wie Leuchttürme, die Orientierung bieten.

Wir brauchen Menschen, die mit ihren Ideen und marktfähigen Innovationen Unsicherheiten überwinden, Veränderungen gestalten und der beweglichen Zukunft der Rechtsberatung bejahend begegnen.

Gibt es eine Schlussbotschaft, die Ihnen am Herzen liegt?

Für mich sind Juristen eine spannende Berufsgruppe, die aktuell vor der Herausforderung steht, sich enorm bewegen und verändern zu müssen. Und genau diese Fähigkeit bringen Rechtswissenschaftler mit. Genaugenommen ist Agilität Teil ihrer DNA.

Ich sehe großes Potenzial darin, dass Juristen in diesen anspruchsvollen und zugleich chancenreichen Zeiten zu signifikanten Transformationsträgern unserer Gesellschaft werden.

Über die Interviewpartnerinnen:

Svenja Op gen Oorth

Juristin, Diplom PR-Fachwirtin, Trainerin (dvct) und
Coach (dvct) sowie Gründerin und Geschäftsführerin
der PR-Agentur eloquenza GmbH in München.

www.eloquenza.de

Susanne Kleiner
freie PR-Beraterin, Texterin, Journalistin
und Mediatorin, München

www.susanne-kleiner.de

www.trainings-workshops-seminare.de

Quelle BECK Stellenmarkt 23/2018