Erfolgreich übersetzen lassen

von Andrea Alvermann

Juristische Übersetzungen stellen besondere Anforderungen an ihren Übersetzer. Doch auch der Auftraggeber kann bereits im Vorfeld einiges dafür tun, damit diese Anforderungen erfolgreich gemeistert werden.

Die Auswahl des Übersetzers

Der Beruf des Übersetzers ist im Gegensatz zu anderen Berufen nicht geschützt. Für juristische Übersetzer gibt es aber zumindest die Ermächtigung, deren Erteilung zwar in den verschiedenen Bundesländern bisher nicht ganz einheitlich geregelt ist, die aber zumindest eine gewisse fachliche Eignung voraussetzt.

Zwar wird der Übersetzer in den seltensten Fällen ein abgeschlossenes Jurastudium vorweisen können (was auch nicht unbedingt erforderlich ist, denn seine Aufgabe ist die Übersetzung, nicht die Anpassung an das andere Rechtssystem), doch als juristischer Fachübersetzer wird er über einschlägige Kenntnisse verfügen, die für diese Übersetzungen unerlässlich sind.

Für Auftraggeber ist es daher hilfreich, erst einmal einen kürzeren Text in die eigene Muttersprache übersetzen zu lassen: Als Jurist werden Sie hier sehr schnell die Spreu vom Weizen trennen können.

Ausreichend Zeit

Der nächste wichtige, ja vielleicht fast wichtigste Punkt ist die Zeit. Eine Übersetzung schreibt sich nicht von selbst und auch erfahrene juristische Übersetzer müssen recherchieren. Übersetzen ist nicht „abtippen in die andere Sprache“.

Als Faustregel kann man davon ausgehen, dass ein erfahrener juristischer Übersetzer durchschnittlich maximal 10 Normseiten pro Tag übersetzen kann – und möglicherweise auch noch andere Aufträge zu bearbeiten hat. Das sind am Tag ungefähr 15.000 Zeichen, einschließlich Leerzeichen. Geben Sie zusätzlich noch einen oder zwei Tage Puffer, dann haben Sie einen Zeitrahmen, der annähernd realistisch ist und eine sorgfältige Übersetzung ermöglicht.

Weniger Zeit bedeutet möglicherweise weniger Sorgfalt – die ein seriöser Übersetzer gewiss nicht bieten möchte – oder erfordert den Einsatz mehrerer Übersetzer für einen Text. Damit wiederum erhöht sich die Gefahr von Inkonsistenzen und Fehlern, sodass diese Arbeitsweise eher für Texte geeignet ist, bei denen es vorläufig erst einmal darauf ankommt, nur den groben Inhalt zu kennen.

Und damit kommen wir auch schon zum nächsten Punkt:

Fertige Texte übersetzen lassen

Lassen Sie erst den fertigen Text übersetzen. Natürlich ist es möglich – insbesondere bei einem engen Zeitrahmen – bereits den ersten Entwurf übersetzen zu lassen und später dann die endgültige Fassung. Allerdings wird das mit deutlich höheren Kosten verbunden sein, denn die Überarbeitung ist meist aufwändiger als eine direkte Übersetzung und wird folglich in den meisten Fällen mit einem Zuschlag oder zusätzlichem Stundenaufwand berechnet.

Vor allem aber sollte die Überarbeitung unbedingt durch den ursprünglichen Übersetzer erfolgen, denn dieser kennt den Text nun bereits und wird hier sehr viel effizienter arbeiten.

Sollten Sie den zu übersetzenden Text selbst verfassen, dann ist es hilfreich, wenn Sie die folgenden Punkte beachten:

– Lockere Seitenfüllung: Bescheinigte/beglaubigte Übersetzungen müssen das Originallayout bestmöglich nachbilden, sind aber oft länger als der Ausgangstext. Hier ist es hilfreich, wenn die Seiten genug Spielraum lassen.

– Beachten Sie die Regeln für gut redigierte Texte, vermeiden Sie umfangreiche Schachtelsätze, unklare Bezüge und Abkürzungen.

Genaue Anweisungen

Hilfreich ist es, wenn der Übersetzer den Kontext und die Zielgruppe seines Auftrags kennt. Daher sollten Sie ihm bereits bei der Bitte um ein Angebot die folgenden Informationen mitgeben:

– Zielgruppe des Textes (Anwälte, Gericht, gegnerische Partei usw.)

– Zweck des Textes (Gefälligkeitsübersetzung, Arbeitsübersetzung bspw. zur Anpassung an das Rechtssystem der Zielsprache oder als Verhandlungsgrundlage, Vorlage vor Gericht, muss die Übersetzung bescheinigt/beglaubigt werden? usw.)

– Genaue Zielsprache (amerikanisches oder britisches Englisch, schweizerisches oder deutsches Deutsch, belgisches, luxemburgisches, kanadisches oder französisches Französisch usw.)

– Geltendes Recht (auch wenn der Übersetzer keinerlei Anpassungen an ein anderes Rechtssystem vornehmen kann und darf, so ist es für ihn doch wichtig zu wissen, welchem Rechtssystem der fertige Text unterworfen sein soll. Dies hat nicht nur Auswirkungen auf die verwendete Terminologie sondern auch auf mögliche Anmerkungen usw.)

– Erwünschtes bzw. spätestes mögliches Lieferdatum

Im Anschluss an die Auftragserteilung ist es dann hilfreich, wenn Sie ihrem Übersetzer nicht nur einen Ansprechpartner für Rückfragen nennen, sondern auch eine Liste der ggfs. im Text verwendeten Abkürzungen und ihrer Bedeutung vorlegen. Außerdem ist es ratsam, ihm alle im Rahmen dieses Projektes bereits übersetzten Texte in beiden Sprachfassungen zur Verfügung zu stellen.

Nutzen Sie die Übersetzung für Ihren eigenen Text

Ohne irgendwen desillusionieren zu wollen, ist davon auszugehen, dass niemand den zu übersetzenden Text so sorgfältig lesen wird wie der Übersetzer. Ihm werden daher auch sprachliche Unstimmigkeiten, Tippfehler, Unklarheiten oder Widersprüche auffallen, die ansonsten wahrscheinlich niemand bemerken wird – außer vielleicht im Streitfall.

Auftraggeber, die ihren Übersetzer dazu ermuntern, ihnen diese Punkte mitzuteilen, nutzen damit die Gelegenheit, ihren eigenen Text nochmals zu verbessern und zu optimieren.

Und ganz zum Schluss: Geben Sie Ihrem Übersetzer Feedback. Dazu gehört Lob ebenso wie mögliche Kritik. Damit legen Sie die Basis für eine langfristige und vertrauensvolle, für beide Seiten zufriedenstellende und erfolgreiche Zusammenarbeit.

Über die Autorin:

Andrea Alvermann
staatlich anerkannte, allgemein ermächtigte Übersetzerin,
seit 1996 freiberufliche Übersetzerin und Dozentin mit
Schwerpunkt auf juristischen Übersetzungen für
Französisch – Deutsch und Deutsch – Französisch

Quelle NJW 17/2020