Die größte Hürde auf dem Weg zur digitalen Kanzlei: Der zu häufig analoge Datenaustausch mit Mandanten

von Claudia Specht

Sowohl Steuerberater als auch kleine und mittelständische Unternehmen setzen inzwischen ganz selbstverständlich digitale Lösungen in ihren betrieblichen Abläufen ein. Doch wenn es um den Belegaustausch zwischen Kanzleien und Mandanten geht, dominieren immer noch Pendel- und Aktenordner das Geschehen.
Hier stimmt etwas nicht. Es wird Zeit für ein offenes Gespräch.

Ineffizienzen trotz Digitalisierung

Steuerberater nutzen seit über 50 Jahren elektronische Verfahren, zum Beispiel für die Finanzbuchführung oder Lohnabrechnung. Mit vielen Behörden und Institutionen tauschen sie auf digitalem Wege Daten aus. In den meisten Unternehmen stehen spätestens seit den 1990er Jahre PCs in den Büros. Nur in den wenigsten Betrieben werden noch Überweisungsträger aus Papier zur Bank getragen – viel zu aufwändig. Ganz im Gegensatz dazu zeigen aktuelle Studien, dass viele Mandanten immer noch ihre Belege – selbst die, die sie elektronisch erhalten oder erstellt haben – in Papierform in die Kanzlei ihres Vertrauens bringen, meist kurz vor dem Termin für die Vorsteueranmeldung.

Das ist erstaunlich, denn an sich ist sowohl in den Kanzleien als auch bei den gewerblichen Mandanten die Bereitschaft zur effizienteren digitalen Gestaltung ihrer Prozesse hoch. Ein im vergangenen Jahr von DATEV ermittelter Digitalisierungsindex für die Steuerberaterbranche zeigt, dass sich viele Kanzleien strategisch mit dem Thema beschäftigt haben. Im Teilbereich Dateninput von Mandanten sind demnach immerhin 73 Prozent der Befragten bereits aktiv geworden.

Passend dazu gaben in einer anderen Umfrage fast drei Viertel der befragten Mandanten an, „sicher“ oder „eher ja“ in den kommenden zwölf Monaten ihre kaufmännischen Prozesse effizienter gestalten zu wollen. In dieser repräsentativen Studie, die Anfang des Jahres von DATEV und dem handwerk magazin veranlasst wurde, wurden über 500 Handwerker befragt. „Handwerker begreifen die Digitalisierung eindeutig als Chance“, stellte Stefan Wunram, Leitender Berater Trends & Strategien der DATEV eG, bei der Vorstellung der Studie fest. Deren Ergebnisse lassen sich sicherlich weitgehend auf alle kleinen und mittelständischen Unternehmen übertragen.

Optimierungspotenzial beim Datenaustausch

Angesichts dieser hohen Bereitschaft zum Einsatz digitaler Lösungen in Kanzleien und bei Mandanten überraschte es allerdings, dass trotzdem zwei Drittel (66,9 Prozent) der Befragten in der Handwerker-Studie angaben, noch eine Papierablage zu pflegen und nur 47 Prozent Daten digital mit ihrem Steuerberater austauschen. „Hier gibt es eindeutig noch Optimierungspotenzial“, sagte Wunram.

„Luft nach oben“ heißt das in der Auswertung der Befragung für den Digitalisierungsindex für den Steuerberatermarkt. Denn auch dort zeichnet sich ein ähnliches Bild ab: In Papierform eingehende Daten sind in Kanzleien aller Größen die dominierende Form (57 Prozent). In mittelgroßen Kanzleien übermitteln noch knapp über die Hälfte der gewerblichen Mandanten ihre Daten auf Papier, in kleinen Kanzleien liefern sogar 64 Prozent ihre Belege und sonstigen Informationen auf Papier an.

Wollen Kanzleien und Unternehmen die Effizienzgewinne durch die Digitalisierung ihres Datenaustausches nutzen, wird es Zeit für ein Gespräch. Bisher kommen aber lediglich knapp 18 Prozent der handwerklichen Mandanten selbst auf die Idee, ihren Steuerberater auf das Thema Digitalisierung der kaufmännischen Prozesse anzusprechen. Die Umfrageergebnisse zum Digitalisierungsindex deuten darauf hin, dass auch die Kanzleien das Thema mit den Mandanten nicht offensiv vorantreiben. Insgesamt beraten nur 63 Prozent ihre Mandanten bei der Einführung des digitalen Datenaustausches, unter kleinen Kanzleien sogar weniger als die Hälfte. Mit 80 Prozent können nur die großen Kanzleien hier bereits ein sehr solides Ergebnis vorweisen.

GoBD-Konformität bei Mandanten in Gefahr

Dabei gibt es ein Thema, das Steuerberater als Aufhänger für ein Beratungsangebot an ihre gewerblichen Mandanten nutzen können. Denn offensichtlich drucken viele ihre E-Mail-Rechnungen aus und archivieren sie auf diesem Wege. Das ist aber häufig nicht GoBD-konform. „Hier besteht dringender Beratungsbedarf durch den Steuerberater“, warnt auch Stefan Wunram.

Zudem profitieren Steuerberater in der Vorbereitung auf ein solches Gespräch von dem Know-how, das sie ganz offensichtlich beim Thema Digitalisierung haben - selbst wenn sich in ihrer Kanzlei noch keiner auf das Thema spezialisiert hat. Denn meistens arbeiten sie seit Jahrzehnten mit digitalen Lösungen und haben schon einige technologische Transformationen, wie sie heute genannt werden, durchlebt. So sind Kanzleien in ihren internen Prozessen meist auch schon durchgängiger digital aufgestellt als im Datenaustausch mit den Mandanten. Beispielsweise arbeiten 59 Prozent bereits mit einem Dokumenten-Management-System. Bei den großen Steuerberatungskanzleien nutzen sogar fast drei Viertel ein solches System. Selbst bei kleinen Kanzleien sind es mit etwa der Hälfte noch mehr als bei den Mandanten, die hier nur auf knapp 45 Prozent kommen.

Zeit für ein Gespräch

Auch mit Blick auf zukünftige Geschäftsmodelle ist es für Steuerberater sinnvoll, wenn sie schon heute ihren Mandanten anbieten, sie zum Beispiel als Prozessberater hinsichtlich der Optimierung und Rechtskonformität der kaufmännischen Prozesse zu unterstützen. Denn das hilft nicht nur, Zuschätzungen nach Betriebsprüfungen zu vermeiden. Betriebsprüfer machen sich schließlich längst die Möglichkeiten der modernen Technik zunutze. Es trägt außerdem zur Mandantenbindung bei, wenn die Kanzlei sie dahingehend berät, damit sie auch über die Zeiten der guten Konjunktur hinaus wettbewerbsfähig bleiben.

Denn die Digitalisierung setzt ja vor allem bei Prozessen an, die nicht zum Kerngeschäft der Mandanten gehören und dennoch oft viel Zeit in Anspruch nehmen. Wenn die Prozesse von der erstmaligen Erfassung eines Geschäftsvorfalles bis zur Steuerdeklaration durchgängig digital gestaltet sind, schafft das im Unternehmen wie in der Kanzlei Freiraum für sinnvollere Tätigkeiten, wie etwa die individuelle Kundenberatung oder die Auseinandersetzung mit strategischen Themen. Zudem verbessert ein dank automatisierter Verfahren mögliches, tagesaktuelles Zahlungs- und Mahnwesen die Liquidität.

Es gibt viele weitere Gründe, nicht nur über die Digitalisierung der eigenen Prozesse nachzudenken, sondern endlich miteinander ins Gespräch zu kommen. Steuerberater sollten ihre Mandanten aktiv darauf ansprechen oder einige ihrer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen dazu befähigen, dies für sie zu übernehmen. Die Genossenschaft der Steuerberater unterstützt sie dabei – sowohl mit ihren IT-Lösungen für Kanzleien und Unternehmen wie auch mit ihrem Consulting.

Über die Autorin:

Claudia Specht
Pressesprecherin bei der DATEV eG

Quelle DStR 20/2018