Die moderne Steuerkanzlei: Wie Steuerberater vom New-Work-Ansatz profitieren

von Patrick Nassall

„New Work ist die Arbeit, die ein Mensch wirklich, wirklich will“ – von dieser sehr allgemeinen Definition des Konzepts der Neuen Arbeit durch den Sozialphilosophen Frithjof Bergmann kann sich jeder angesprochen fühlen. Bereits in den 1980ern entwickelt, ist New Work in den letzten Jahren zum Buzzword geworden.

Warum? Weil New Work heute die Möglichkeit hat, Realität zu werden: Mit der digitalen Transformation vollzieht sich gesellschaftlich wie auch technologisch ein Wandel, der Bergmanns Ansatz neues Leben einhaucht. Nicht nur in den Diskussionspanels einer intellektuellen Avantgarde, sondern überall in deutschen Firmen – und somit auch in den Kanzleien etablierter Steuerberater.

Was verbirgt sich hinter dem New-Work-Ansatz?

Die fortschreitende Digitalisierung gibt Steuerkanzleien in puncto Effizienz heute eine hohe Schlagzahl vor: So fallen im Zuge der digitalen Transformation ehemalige Kernaufgaben des Steuerberaters in der Finanz- und Lohnbuchhaltung mehr und mehr weg.

Diese Entwicklung ist jedoch nicht negativ, denn sie schafft Raum für die Kernkompetenz der Steuerberater – die Beratung. Dienstleistungs- und Beratungsangebote geben der Kanzlei hier die Möglichkeit, neue Geschäftsfelder zu erschließen. Doch für deren Umsetzung sind kompetente Fachkräfte notwendig, die es zu gewinnen und binden gilt. Auf der Seite der Klienten wiederum stellen neue, digital arbeitende Mandantentypen neue Anforderungen an Erreichbarkeit und Mobilität des Steuerberaters.

Damit eine Kanzlei unter diesen Voraussetzungen von der digitalen Transformation profitieren kann, muss sie die Veränderungen rechtzeitig im eigenen Geschäftsmodell widerspiegeln. Wer dabei in den Begrifflichkeiten von New Work denkt, schafft sich eine Basis für echte Wettbewerbsvorteile. Die sehr allgemeine New-Work-Definition des Sozialphilosophen Frithjof Bergmann lautet folgerichtig: New Work ist die Arbeit, die ein Mensch wirklich, wirklich will.

Weniger Verwaltung, mehr Freiraum – Digitalisierung ermöglicht New Work

Die Digitalisierung verändert nicht nur die klassischen Arbeitsstrukturen, sondern sie ermöglicht genau damit auch die Umsetzung von New Work: In der Finanz- und Lohnbuchhaltung fallen dank zunehmend automatisierter Prozesse, also durch die Verwendung branchenspezifischer, digitaler Lösungen Routineaufgaben weg und schaffen Raum für hochwertige Service-Leistungen. Für die Steuerkanzlei bedeutet dies: weniger Verwaltung, dafür aber ein Mehr an Beratungsleistungen für die Mandanten. Wer es schafft, den Wandel vom Verwalter zum Berater zu vermitteln, ist auf einem guten Weg und kann obendrein seine Umsätze trotz des Wegfalls klassischer Verwaltungs-Aufgaben festigen oder sogar ausbauen. Denn Beratungsleistung lässt sich höher dotieren als Verwaltungsservice.

Moderne Lösungen schaffen Wettbewerbsvorteile im War for Talents

Eine gute Work-Life-Balance und New-Work-Werte wie Mitbestimmung, Selbstständigkeit und Freiräume für die Persönlichkeitsentwicklung sind heute den meisten Arbeitnehmern wichtig.

Die digitale Transformation schafft die Voraussetzung für eine Realisierung dieser Werte. So ist etwa die physische Anwesenheit von Mitarbeitern bei vielen Arbeiten nicht mehr notwendig.

Aufgrund dieser Entwicklungen müssen auch Steuerkanzleien in der Lage sein, den Forderungen nach Home Office oder flexiblen Arbeitszeiten zunehmend gerecht zu werden. Denn nur dann werden sie im „War for Talents“ bestehen und trotz Fachkräftemangels Top-Steuerberater für sich begeistern und an die Kanzlei binden können.

Mobile Lösungen unterstützen moderne Arbeitsformen wie Home Office oder Teilzeit. Und gerade in einem kleineren oder mittelgroßen Steuerbüro macht es durchaus Sinn, die Trumpfkarte als innovativer Arbeitgeber mit modernem Arbeitsumfeld und flexiblen Arbeitszeiten auszuspielen, um sich gegenüber größeren Kanzleien mit attraktiveren monetären Entlohnungssystemen positionieren zu können.

Flexibles Arbeiten bringt Beruf und Familie besser in Einklang

Die schlechte Vereinbarkeit von Familie und Beruf zwingt auch heute noch viele junge Familien und hauptsächlich viele Frauen nach der Familiengründung dazu, eine längere Pause vom Job zu nehmen als sie eigentlich wollen. Das ist auch in Steuerkanzleien nicht anders. Hat sich eine Beraterin über viele Jahre hinweg einen lukrativen Mandantenstamm aufgebaut oder ist sogar Partnerin in einer Kanzlei, wird sie kaum Interesse daran haben, diesen aufgrund von Eltern- oder Teilzeit vollständig abzugeben. Das war insbesondere für werdende Mütter bisher schwierig.

Mit Hilfe moderner Software-Lösungen können Mitarbeiter auch während ihrer Elternzeit die Entwicklung ihrer wichtigsten Mandanten in Echtzeit im Auge behalten. Sie ermöglichen den Zugriff auf tagesaktuelle Kennzahlen der Klienten. Die junge Mutter kann so ihre Mandanten fortlaufend beraten und ist weiterhin deren zentraler Ansprechpartner.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Steuerkanzleien, die Digitalisierungs- und New-Work-Ansätze konsequent umsetzen, viele Wettbewerbsvorteile haben. Zum einen profitieren sie dank automatisierter Prozesse von einer effizienteren, transparenteren Auftragsabwicklung mit deutlicher Kostensenkung. Zum anderen wünschen sich sowohl Mandanten als auch Mitarbeiter und Bewerber eine innovative Kanzlei, die eine moderne Zusammenarbeit ermöglicht. Wichtige Voraussetzung dafür ist eine cloudbasierte Unternehmenslösung, die zu jedem Zeitpunkt für alle Beteiligten und von jedem Ort aus den gleichen Informationsstatus bietet.

Über den Autor:

Patrick Nassall
seit 2013 für die Haufe-Gruppe tätig,
aktuell als Marketing Manager im lexoffice Team

Quelle DStR 20/2018