Mut zum Gespräch in digitalen Zeiten

Dr. Heinz Kammers im Gespräch mit Susanne Kleiner

Effizienz wird in unserer dynamischen Arbeitswelt großgeschrieben. Automatisierte Prozesse sparen Zeit und sorgen für schnelle Ergebnisse. Dabei ist die Kraft persönlicher Gespräche richtungsweisend, meint Dr. Heinz Kammers von Kammers & Partner Kanzlei für Steuerberatung, Wirtschaftsprüfung und Rechtsberatung in Herbolzheim.

Im Interview mit Susanne Kleiner erklärt der Gründer und Personalverantwortliche, was gute Gespräche auszeichnet. Und er führt aus, warum die digitale Zukunft ohne persönliche Begegnungen nicht auskommt. Impulse aus der Praxis für die Praxis.

Die Digitalisierung dominiert die Agenda. Werden Gespräche mit Mandanten weniger oder weniger wichtig?

Je komplexer und schneller die Arbeitswelt ist, desto mehr sind wir Steuerberater gefragt, unserem Beruf seine ursprüngliche Bedeutung zurückzugeben. Jede Beratung beginnt nicht nur mit einem Gespräch, Beratung ist Gespräch. Und ohne Gespräch kein Vertrauen. Davon bin ich überzeugt.

Gleichzeitig erkenne ich, dass oft das Potenzial, sich persönlich oder menschlich zu begegnen, ungenutzt bleibt oder geringgeschätzt wird. Wer mutig genug ist, sich auf sich selbst und andere einzulassen, schafft Nähe. Ohne das Gespräch bleiben wir stehen. Gespräche sind wunderbare Begleiter in Veränderungsprozessen.

Was zeichnet ein gutes Gespräch im Kern aus?

Gute Zuhörer und Dialogpartner sind sich bewusst: Ich bin Mensch und mein Gegenüber ist Mensch. Er ist wie ich. Das ist im Kern alles. Präsenz und Bewusstheit für andere und für sich selbst sind unverzichtbar.

Es geht darum, in jedem Moment zugewandt zu sein und das aufrichtige Wort just im Augenblick entstehen zu lassen. Diese Bewusstheit ermöglicht ehrliche Verbundenheit. Es liegt in der Natur des Berufes, dass wir Steuerberater vorwiegend Zahlen und Gesetze im Kopf haben. Dabei riskieren wir, unseren Gesprächspartnern nicht unsere volle Aufmerksamkeit zu schenken.

Sich in die Perspektive des anderes hineinversetzen

Wie gelingt es, so zu kommunizieren, dass Vertrauen entsteht?

Wesentlich ist eine freundliche und aufrichtige Haltung. Mandanten freundlich zu begegnen, also wie guten Freunden, ist überaus kostbar für beide Seiten: Verbindlich und entgegenkommend handeln, sich in die Perspektive des anderen hineinversetzen und einander in die Augen schauen – das sind Beispiele dafür.

Aufrichtig handeln wir, wenn wir mandantenorientiert und professionell arbeiten und wenn wir vorleben, wie sehr uns unsere Aufgaben am Herzen liegen. Bereitwillig, engagiert, schnell und verständlich zu reagieren und zu kommunizieren, ist selbstverständlich.

Wenn Fehler passieren: die Situation sofort und ohne Umschweife ansprechen und Verantwortung übernehmen. Ein Muss für Vorgesetzte: In Meetings mit Mandanten und eigenen Kollegen gilt das Wort des zuständigen Kanzleimitarbeiters ohne Wenn und Aber. Wertschätzende Chefs leben Augenhöhe vor.

Wie haben sich die Bedürfnisse in puncto persönliche Kommunikation verändert?

In unserem Leben der potenzierten Geschwindigkeiten gehen uns Innehalten und Stillsein verloren. Die Kommunikation ist zu einem großen Teil zu einer emotionslosen Informiertheit verkümmert. ‚Funktionieren‘ ist das Schlagwort.

Und ein solcher Schlag führt geradewegs in die Einsamkeit. Menschenwürde meint etwas anderes, nämlich bereit zu sein, die Freiheit des Wortes zu schätzen und das Wagnis einzugehen, im Gespräch mit anderen im besten Sinne ausgeliefert zu sein; und das Gespräch als schöpferisches Ereignis zu begreifen, um unsere menschliche Vielschichtigkeit hörbar, sichtbar und begreifbar werden zu lassen. Dann wird die verpflichtende Kraft des Wortes wirksam. Und das brauchen wir alle heute dringender denn je.

Die Kunst des Zuhörens

Wie sensibilisieren Sie Ihre Mitarbeiter für die Kraft guter Gespräche?

Ich hatte das Glück, Marshall B. Rosenberg, den Begründer der Gewaltfreien Kommunikation, einmal persönlich zu erleben. Er erzählte: Nach über einer Stunde bedankte sich eine Frau bei ihm überschwänglich für das so gute  Gespräch. Das hätte sie noch nie erlebt. Bemerkenswert ist: Er hatte lediglich zugehört und kein einziges Wort gesprochen. In diesem Sinne ist das aktive Zuhören für mich eine herausfordernde und zugleich lohnende Praxis.

Und wir bieten Trainings an, um eine Bewusstheit für Sprache und Sprachwirkung zu entwickeln, etwa mit Formaten wie „Bewusstes Sprechen – Sprechwirkungen“ und „Die Kunst des Zuhörens“.

Was ist Ihre Kernerkenntnis aus der Praxis?

Wir brauchen einander. Wir können Hilfe für andere sein und wir dürfen Hilfe als Geschenk annehmen. Jeder, wirklich jeder, trägt Talente und Begabungen in sich. Es ist eine hohe Kunst, diese zu erkennen, sie zu fördern und zu fordern. Je offener wir füreinander sind, je mehr wir uns üben im vorurteils- und urteilsfreien Zuhören und Sprechen, desto mehr ‚verstehen‘ wir.

Und desto mehr sind wir ‚einverstanden‘ und entdecken, wie leicht, sinnstiftend und glückerfüllend Arbeit sein kann. Wir lernen, Mensch sein zu dürfen. Das ist ein wertvoller Anker, um gemeinsam selbstbewusst und selbstbestimmt die Zukunft zu gestalten.

 

Über die Interviewpartner:

Dr. Heinz Kammers,
Diplom-Kaufmann, 
selbstständiger Steuerberater;
Wirtschaftsprüfer

 

Susanne Kleiner
freie PR-Beraterin, Texterin, Journalistin
und Mediatorin, München

www.susanne-kleiner.de

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