Geistiges Eigentum im Wandel – der „grüne Bereich“ bleibt spannend

von Stephan Freischem, Diplom-Ingenieur, Patentanwalt und zugelassener Vertreter vor dem Europäischen Patentamt sowie vor dem Amt der Europäischen Union für Geistiges Eigentum, seit 2015 ehrenamtlich als Generalsekretär der Deutschen Vereinigung für Gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht (GRUR) tätig

Bereits in den vergangenen Jahrzehnten haben sich die Rechte am geistigen Eigentum zu einem Kernbereich des nationalen und internationalen Wirtschaftsrechts entwickelt. Der Wandel von der Produktionsgesellschaft zur Dienstleistungsgesellschaft führt dazu, dass die wirtschaftlichen Werte von Unternehmen in wachsendem Maße aus immateriellen Gütern bestehen. Durch den Aufbau europäischer Schutzsysteme und durch Harmonisierungsrichtlinien wurden nationaler Markenschutz und Designschutz zunehmend von EU-Recht abgelöst. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs hat diese Rechtsgebiete in der jüngeren Vergangenheit entscheidend geprägt. Nach etwa 20 Jahren wurde das europäische Markenrecht einer grundlegenden Reform unterzogen. Eine entsprechende Reform des EU-Designrechts ist in Kürze zu erwarten.

Das Patentrecht steht vor der wesentlichsten europäischen Weiterentwicklungen seit Aufnahme der Tätigkeit des europäischen Patentamts vor 38 Jahren. Im Rahmen einer verstärkten Zusammenarbeit haben alle bis auf zwei EU-Mitgliedsstaaten einer Verordnung über die Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes und ein Übereinkommen über ein einheitliches Patentgericht verabschiedet. Durch die Brexit-Entscheidung im Juni 2016 wurde die zunächst für das Frühjahr 2017 erwartete Einführung des Einheitspatents sowie die Eröffnung des einheitlichen Patentgerichts infrage gestellt. Die britische Wirtschaft und die britischen Patentfachleute haben gegenüber der Regierung aber die herausragende Bedeutung eines europäischen Patentsystems hervorgehoben, so dass die Regierung jüngst angekündigt hat, das Einkommen über das einheitliche Patentgericht trotz der Brexit-Entscheidung zu ratifizieren. Durch diesen Schritt ist es möglich, dass mit kurzer Verzögerung noch im Jahr 2017 die ersten Patente mit einheitlicher Wirkung erteilt werden und das einheitliche Patentgericht seine Tätigkeit aufnimmt.

International lässt sich die zunehmende Bedeutung des Immaterialgüterrechts insbesondere an der rasanten Entwicklung in der Volksrepublik China ablesen. In einem Land, das vor 40 Jahren noch nicht einmal über ein Patentamt verfügte, werden heutzutage die meisten Patentanmeldungen weltweit eingereicht. Neben einer Vervielfachung der Zahl der chinesischen Patentanwälte innerhalb der vergangenen zehn Jahre wurden Spezialgerichte für die Durchsetzung von Patent- und Markenrechten aufgebaut. Immaterialgüterrechte lassen sich in der Volksrepublik China mittlerweile so einfach und zuverlässig durchsetzen wie in den meisten anderen Industrieländern.

Auf europäischer Ebene wurde in diesem Jahr ferner eine Richtlinie zum Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen verabschiedet. Auf der Grundlage dieser Richtlinie sind Geschäftsgeheimnisse nun EU-weit als schutzwürdig anerkannt. Die Schutzanforderungen sind klar definiert und unionsweit vereinheitlicht. Die Durchsetzung von Rechten an Know-how und Geschäftsgeheimnissen wird sich durch die Umsetzung der Richtlinie zweifellos verbessern.

Ein Vorschlag der EU-Kommission zur Reform des europäischen Urheberrechts wird aktuell diskutiert. Dieser betrifft Gebiete wie Online-Übertragungen von Sendungen und Weiterleitungen von Rundfunkprogrammen, sowie Leistungsschutzrechte für Presseverleger. Auf nationaler Ebene wurde auf der Grundlage der europäischen Richtlinie zur kollektiven Rechtewahrnehmung jüngst die Rechtsordnung für Verwertungsgesellschaften überarbeitet. Ferner wird aktuell der Entwurf einer Reform des Urhebervertragsrechts diskutiert.

Ein völlig neues Rechtsgebiet entwickelt sich durch die Digitalisierung der Gesellschaft. Was international unter der Bezeichnung „Internet of things“ diskutiert wird, ist Gegenstand der Arbeiten der gemeinsamen Initiative „Industrie 4.0“ von Wirtschaft, Politik und Wissenschaft.
Welche immaterialgüterrechtlichen Bestimmungen den Austausch und den Zugriff auf die durch die Verwendung digitaler Vorrichtungen erzeugten Datenmengen regeln, wird einen entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung dieses neuen Wirtschaftsfeldes haben.

Der rasanten Entwicklung und wachsenden Bedeutung des Immaterialgüterrechts trägt die deutsche Anwaltschaft durch die Einführung zweier Fachanwaltsqualifikationen Rechnung. Durch die Titel Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz sowie Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht können Anwälte besondere Kenntnisse und Erfahrungen in den entsprechenden Rechtsgebieten erwerben und nachweisen.

Der Verlag C.H.BECK hat aufgrund der zunehmenden Bedeutung des Immaterialgüterrechts für das Wirtschaftsrecht die Initiative ergriffen und den Stellenmarkt aus der Zeitschrift „GRUR - Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht“ in den BECK Stellenmarkt integriert. Mit dem GRUR-Stellenmarkt enthält Deutschlands große Jobbörse für Anwälte und Juristen nun auch Inserate für Experten des Immaterialgüterrechts.

Quelle BECK Stellenmarkt 4/2017