Job und Berufung: Was tun, wenn man den Draht zum eigenen Job verliert?

von Pia Löffler, Rechtsanwältin und Inhaberin von anwaltstexte.com, München

Die Frage, ob man den richtigen Beruf gelernt hat oder ob man gerade den richtigen Job macht – sie drängt sich jedem irgendwann einmal auf. Früher oder später verfliegen solche Zweifel meist, weil sie nicht hart genug am eigenen Gemüt nagen oder weil man sie aus Bequemlichkeit verdrängt. Was aber tun, wenn man nach einem langen Studium, Referendariat, vielleicht einer „Ehrenrunde“ und nach den ersten Berufsjahren die Zweifel nicht mehr los wird? Was tun, wenn man das Gefühl hat, dass der Beruf nicht Berufung ist, sondern Last?

Das Kreuz mit der Juristerei

Nicht wenige Jurastudenten verbindet eine Hass-Liebe mit ihrem Studium. Und die beginnt relativ schnell, wenn das erste Semester vorbei ist, man in den Semesterferien Hausarbeiten schreiben muss, sich nach Zwischenprüfungen die Reihen der Kommilitonen lichten, man selbst in Prüfungssituationen an mentale, intellektuelle oder auch körperliche Grenzen stößt. Aber wer durchhält bis nach dem zweiten Staatsexamen, tut das im Zweifel auch aus einem gewissen Idealismus heraus. Und der Augenblick, in dem man nach der Vereidigung als Rechtsanwalt, als Richter oder Staatsanwalt das erste Mal die Straße betritt, ist nach einer langen harten Ausbildung tatsächlich „erhebend“.

Harte Landung in der Realität

Wie geht es dann aber weiter? Da steht man nun und hat die Wahl – Unternehmensjurist werden, sich als Anwalt selbstständig machen, als angestellter Anwalt arbeiten oder mit entsprechenden Noten im Gepäck in den Staatsdienst gehen.
Als Rechtsanwalt sieht man sich schnell mit unglaublicher Konkurrenz auf dem freien Markt konfrontiert, was einem zuvor niemand so klar gesagt hat. Und Rechtsberatung läuft nicht, wie man es sich in einer „idealen Welt“ vorstellt: Die tatsächliche Machbarkeit übernimmt oft die Kontrolle, die Gerechtigkeit und das Recht leiden oft unter der Realität. Im Unternehmen ist man Bedenkenträger und Ideenbremse – so zumindest oft die Wahrnehmung anderer Abteilungen. Oder man ist Putzkolonne, um juristische Scherbenhaufen zu beseitigen, die andere hinterlassen haben. Und auch im Staatsdienst ist die Welt nicht rosarot – hier schlägt gerne das starre „System Staatsdienst“ zu und begräbt jeden Enthusiasmus unter sich.
Wenn man mit Idealismus ins Berufsleben gestartet ist, kann die Liebe zur Juristerei in solchen Situationen schnell verloren gehen, vor allem wenn das große Geld ausbleibt. Das kann zermürben und den Beruf von der Berufung zur Last werden lassen.

Wohin soll die Reise gehen? Coaching macht Sinn!

Was also tun, wenn sich die Idee breitmacht, den Job oder sogar den Beruf zu wechseln, und wie schafft man den Umstieg? Einen neuen Weg finden, lautet die etwas platte Antwort. Den richtigen neuen Weg zu finden, ist aber in der Tat die Königsdisziplin: Denn mit „irgendwas anderem“ verdient man kein Geld.
Der Blick von außen kann in dieser Situation den richtigen Impuls geben, der Blick einer neutralen Person. Denn Freunde, Bekannte und die eigene Familie beraten hier sicherlich nicht wirklich objektiv: Kein Vater, keine Mutter wünscht sich, dass das Kind mit Mitte dreißig oder später noch einmal alles hinwirft und neu anfängt.
Ein Coach kann so eine Person sein, auch wenn die Skepsis gegenüber dieser Berufsgruppe sicherlich in vielen Fällen berechtigt und unter Juristen weit verbreitet ist. Aber ein guter Coach hilft objektiv, persönliche Stärken und Schwächen zu ermitteln und vor allem Wünsche und Ziele vor sich selbst klar zu formulieren. Und was die Finanzen angeht: Oft wird ein Coaching bei Existenzgründern („Gründer-Coaching“) aus öffentlichen Mitteln gefördert.

Der richtige Coach für die eigene Berufung

Wenn man nicht wie ich das Glück hat, zufällig über den richtigen Coach zu stolpern, sollte man sich gezielt auf die Suche nach dem richtigen Coach machen und im Zweifel unterschiedliche Coaches „testen“, z. B. in Kennenlerngesprächen. Denn ohne das richtige Grundvertrauen kann ein Coaching nicht gelingen, dafür muss man zu oft ehrlich (zu sich selbst) sein, dies laut formulieren und Masken fallen lassen.
Im besten Fall fällt mit der Unterstützung des richtigen Coaches am Ende eines oft nicht ganz unemotionalen Prozesses die Idee für die eigene Berufung wie ein fertiges Produkt vor Ihre Füße. Dabei kann Erstaunliches herauskommen, z. B. die Idee, Texte für Rechtsanwälte zu schreiben und daraus ein Unternehmen zu machen. Dann braucht es Mut, die Idee Realität werden zu lassen. Aber was auch klar ist: Als Jurist hat man – von der vielbesungenen Methodenkompetenz einmal abgesehen – eine Menge „Werkzeug“ an die Hand bekommen, um auch in ganz anderen Bereichen erfolgreich werden zu können.

Ein ganz persönliches Fazit

Steve Jobs hat einmal sinngemäß gesagt: „Ihr Beruf füllt einen großen Teil Ihres Lebens aus und der einzige Weg, ein erfülltes Leben zu führen, ist deshalb, etwas zu arbeiten, von dem man wirklich überzeugt ist.“ Das würde ich genauso unterschreiben und genau deswegen sollte man auch nach einer langen, harten Ausbildung den Mut haben, sich beruflich (ganz) neu zu orientieren, wenn der Job zur Last wird. Denn immerhin muss man mit seinem Beruf etliche Jahre leben…
Und was das eigene Umfeld davon hält, darf dann ruhig in den Hintergrund treten. Muss man doch in erster Linie selbst mit seinem (Berufs-)Leben zurechtkommen. Im besten Fall merken alle Beteiligten nämlich schnell, dass man aufblüht, wenn man dann „das Richtige“ macht. Für alle ein gutes Gefühl.

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Quelle BECK Stellenmarkt 17/2015