Unternehmensjurist – Bedenkenträger qua definitionem?

von Pia Löffler, Rechtsanwältin und Inhaberin von anwaltstexte.com, München

Jurastudenten werden mit dem Ziel „Staatsdienst“ ausgebildet. Dass die Möglichkeiten, dort unterzukommen, im Verhältnis zu den steigenden Absolventenzahlen naturgemäß recht beschränkt sind, ist aber auch Studenten durchaus bewusst. Anwalt zu werden ist dann die wohl häufigste Alternative, vor allem, wenn die Note im Staatsexamen einfach nicht reicht. Eine andere gute Alternative zum Staatsdienst oder Anwaltsberuf ist aber
auch die Tätigkeit als Unternehmensjurist.

Aber sollte man bestimmte Fähigkeiten mitbringen, wenn man Unternehmensjurist werden will?

Einsatzbereich: KMU bis Großkonzern

Unternehmensjurist ist nicht gleich Unternehmensjurist: Auch innerhalb des Berufsfeldes gibt es erhebliche Unterschiede.

Ist man in einem kleinen Unternehmen als einziger Jurist „Rechtsabteilung in einer Person“, sind die Einsatzbereiche oft sehr breit gefächert: In einer GmbH oder kleinen AG z. B. kann das dazu führen, dass man sich zum Experten im Vertragsrecht, Arbeitsrecht und Kapitalgesellschaftsrecht mausern muss. Je nach Tätigkeitsfeld des Arbeitgebers kommen dann oft sehr spezielle Rechtsgebiete dazu, wenn die AG z. B. im Bereich Biotech oder IT aktiv ist. Vorbereitet ist man auf diese Rechtsgebiete in Summe selten…

In der Rechtsabteilung eines Großkonzerns hingegen ist man hoch spezialisiert auf einen Bereich und wird tatsächlich meist nur in diesem Bereich eingesetzt. Auch diese hochgradige Spezialisierung ist dann eine echte Herausforderung – fachlich und persönlich. Denn eine Hochspezialisierung ist auf dem Arbeitsmarkt bei einem Jobwechsel oft nicht so häufig gefragt.

Flexibilität, Pragmatismus und Kreativität

DEN Unternehmensjuristen gibt es also nicht. Aber kann man trotzdem sagen, welche persönlichen Fähigkeiten man mitbringen sollte, wenn man Unternehmensjurist werden will? Ja, man kann.

Grundsätzlich sollte man in der Lage sein, pragmatische Lösungen zu finden und auszuarbeiten. Denn oft ist die Herausforderung, machbare Lösungen in den Grenzen des Rechts zu finden – nicht 1000%ige Musterlösungen, die maximal in der Theorie ihre Berechtigung haben. Wenn ein Geschäftsführer nicht so will, wie es die optimale Juristenlösung vorsieht, oder wenn ein wichtiger Vertragspartner „bockt“, sind Flexibilität und Kreativität gefragt.

Geistige Flexibilität, Pragmatismus und Kreativität muss damit jeder Unternehmensjurist mitbringen. Und auch die Fähigkeit, aus der Hüfte zu schießen, ist gerade in kleinen Unternehmen und Ein-Mann-Rechtsabteilungen oft sehr hilfreich. Sonst wird man schnell zum ungeliebten Bedenkenträger qua definitionem. Der Super-Gau dann: Weil man immer Bedenken hat, wird man im Entscheidungsprozess der Nichtjuristen im Unternehmen ausgeblendet und später lediglich als Putzkommando mit dem juristischen Scherbenhaufen konfrontiert. Das gilt es zu vermeiden.

Diplomatie, Taktik und Weitsicht

Als Unternehmensjurist muss man außerdem eines besonders gut können: Lösungen finden, gerade im Umgang mit Kunden und Partnern. Auf Konfrontation zu gehen, auf seinem Recht und seiner Machtposition zu beharren, bringt oft wenig. Denn verhandelt man als Unternehmensjurist, geht es fast immer darum, ein Projekt, ein Produkt, einen Vertrag mit Partnern auf den Weg zu bringen und Lösungen zu finden. Es geht nicht darum, als Anwalt für einen Mandanten immer Recht zu behalten und zu „gewinnen“.

Als Unternehmensjurist sollte man also auch Diplomat und Taktierer sein und dabei immer im Hinterkopf haben, welches Verhandlungsergebnis dem Unternehmen ökonomisch am meisten bringt – langfristig –, das ist meine Meinung.

Fazit

Der Job als Unternehmensjurist ist damit ein weites Betätigungsfeld und bietet viele spannende, ganz unterschiedliche Einsatzmöglichkeiten. Aber als Unternehmensjurist muss man auch ein wenig anders ticken, als Anwalt, Richter oder Staatsanwalt. Nicht, dass diese Berufsgruppen nicht über Kreativität und Weitsicht verfügen müssen. Unternehmensjuristen sollten aber in besonderem Maße diese Fähigkeiten besitzen, weil sie eben nicht nur im Sinne des Rechts und der Gerechtigkeit arbeiten, sondern auch ökonomisch sinnvolle Ergebnisse für Arbeitgeber und Geschäftspartner erzielen müssen.

Und die Tätigkeit als Unternehmensjurist prägt – das ist klar. Hat man in seinem bisherigen Juristenleben seinen Fokus immer auf die Tätigkeit als Unternehmensjurist gelegt, muss man sich einer Tatsache bewusst sein: Der Umstieg in den Anwaltsberuf fällt dann oft nicht leicht. Denn wo man zuvor diplomatisch Lösungen gesucht hat, ist nun Parteiergreifen gefragt – im besten Wortsinne. Hier umzudenken, fällt dann nicht jedem leicht, der charakterlich eher ein Diplomat ist. Dessen sollte man sich bewusst sein und eventuell „bei seinen Leisten“ – im Unternehmen – bleiben.

Foto oben: grafikplusfoto/stock.adobe.com

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Quelle BECK Stellenmarkt 5/2016