Weil ein gesunder Geist Ressourcen speist

von Susanne Kleiner, freie PR-Beraterin, Texterin, Journalistin und Mediatorin, München

Wer bewusst wahrnimmt und seine Gedanken meistert, lebt gesünder und selbstbestimmt. Denn mentale Souveränität reduziert Stress. Achtsame Menschen aktivieren ihre eigenen Kraftquellen. Und sie gehen gestärkt aus schwierigen Situationen hervor. Impulse für mehr Gelassenheit im turbulenten Kanzleialltag.

Beobachten statt Bewerten

Bewusste Menschen schauen distanziert auf das, was passiert. Sie erkennen, was geschieht. Und sie beobachten ihre Gefühle und Gedanken. Beides tun sie aus einer neutralen inneren Haltung heraus. Sie bewerten nicht. Sie interpretieren nicht. Sie nehmen wahr. Ganz einfach. Und sie atmen tief ein und aus. So hüten sich besonnene Gemüter davor, spontanen Impulsen übereilt nachzugeben und unkontrolliert zu agieren. Diese Personen ruhen in sich. Genau deshalb erfassen sie auch den passenden Moment, um in der Sache klar Position zu beziehen.

Starter-Tipp: Beobachten Sie zunächst Gespräche unter Kollegen. Das hat den Vorteil, dass Sie selbst nicht emotional involviert sind. Beschreiben Sie vor Ihrem inneren Auge wie ein Drehbuchautor, was Sie wahrnehmen. Welche Bewertungen wie „gut“ und „schlecht“, „richtig“ oder „falsch“ oder Ratschläge wie „besser wäre doch“ schießen Ihnen durch den Kopf? Schicken Sie diese Gedanken weiter und beobachten Sie wieder. Dann wenden Sie diesen Kamerablick in Situationen an, die Sie selbst betreffen.

Guten Beispielen folgen

Der Arbeitsalltag hat oft etwas mit Kräftemessen zu tun. Karrieristen lassen sich leicht herunterziehen, wenn andere brillant „performen“. Die Messlatte bewegt sich immer weiter nach oben und frustriert die vermeintlich Schwächeren. Kluge Köpfe erkennen in anderen ihr eigenes Potenzial. So nähren Erfolgsbeispiele deren Vorstellungskraft für die eigene Entfaltung. Visionäre folgen „Siegern“, entwickeln vor ihrem inneren Auge ein Bild ihres Gelingens und manifestieren den Glauben an sich. Sie richten ihre Energie auf ihr Ziel aus und gehen klar und entschieden vorwärts, ohne ihrem inneren Zweifler zu viel Raum zu geben.

Bemerkenswert: Roger Bannister wollte 1954 eine Meile in weniger als vier Minuten laufen. Das galt bis dato als unmöglich. Am 6. Mai 1954 überraschte der Brite mit einem neuen Weltrekord. Er schaffte 1.609 Kilometer in 3:59,4 Minuten. Ermutigend ist: Weiteren 37 Läufern gelang es noch in demselben Jahr, die Strecke in weniger als vier Minuten zu meistern.

Nehmen und Geben

Selbstbewusste Menschen bitten um Unterstützung. Sie stehen zu ihren Schwächen und sprechen aus, was sie brauchen. Sie aktivieren Ressourcen, indem sie sich mit Stärkeren zusammentun. Dabei würdigen sie sich selbst nicht herab. Und: Wohlwollende Kollegen helfen bereitwillig anderen dabei, Mankos auszugleichen. Weder bohren sie in Wunden, noch betonen sie ihren eigenen Vorsprung. Sie handeln einfach. Denn: Sie gewinnen, wenn sie nehmen. Und sie gewinnen, wenn sie geben: nämlich ein neues, wertschätzendes Miteinander, das Beziehungen tragfähig gestaltet und der gemeinsamen Sache gut tut. Wer sich respektvoll vernetzt, füllt tragende Werte mit Leben. So kann aus der Zusammenarbeit eine Verbundenheit resultieren, die Menschen berührt und Märkte bewegt.

Nachgedacht: Kanzleien kämpfen um Mandate und Nachwuchstalente. Werte wie Vertrauen, Wohlwollen und gute Beziehungen werten die Kanzleikultur auf – und können das Zünglein an der Waage sein. Wie wohlwollend begegnen Sie anderen oder sich selbst? Vertrauen Sie Ihren Kollegen und Mitarbeitern wirklich? Begegnen Sie sich und anderen vorurteilsfrei und unterstützend?

Loslassen und vertrauen

Angesehene Rechtsanwälte engagieren sich mit Herz und Verstand. Und sie glänzen in laufenden Geschäftsbeziehungen sowie in Pitches mit juristischer Kompetenz. Das ist gut so. Denn anspruchsvolle Geschäftspartner verdienen eine hochkarätige Präsenz. Doch: Erfahrene Berater lassen im richtigen Moment los; etwa wenn ein Mandant abwandert. Sie definieren das Kriterium für ihren Erfolg als Anspruch an sich selbst, alles getan zu haben, was in ihrer Macht steht. So begeben sie sich nicht in die Opferrolle. Achtung: Es geht nicht darum, Akquise geringzuschätzen oder zu vernachlässigen. Es geht viel mehr darum zu akzeptieren, was nicht zu ändern ist und die Kräfte sinnvoll in neue Perspektiven zu investieren. In Momenten des Strauchelns gilt: Kopf hoch, Aufrichten und tief Durchatmen. Die Pose verbessert die Gemütsverfassung und erleichtert einen kraftvollen Neustart.

Hand aufs Herz: Blicken Sie zurück auf Ihr Leben. Welche unbeeinflussbaren Veränderungen haben Sie beklagt? Und wie hat sich die Situation danach verändert? Würdigen Sie die spätere Entwicklung aus der heutigen Perspektive und notieren Sie, wofür Sie dankbar sind. Welche Hürden haben Sie genommen? Das stärkt Ihr Bewusstsein dafür, dass Sie nicht alles kontrollieren können und die Chancen trotzdem gut stehen, dass sich Türen öffnen.

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Quelle BECK Stellenmarkt 2/2016