Digitalisierung in der Steuerberaterausbildung

von Anne-Wiebke Bergmeister, M.A., seit 2016 in der Geschäftsführung der info-Steuerseminar GmbH, Düsseldorf, tätig

Die Digitalisierung gilt als eine der größten Chancen, aber auch Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Sie stellt viele Unternehmen und deren Geschäftsmodelle vor große Veränderungen.
Auch steuerberatende Berufe sind beispielsweise durch ELSTER, E-Bilanz & Co. vermehrt von Digitalisierungsprozessen betroffen und beinhalten immer häufiger die Möglichkeit einer elektronisch unterstützten Aus- und Fortbildung.

Schon lange gibt es Fernkurse zur Vorbereitung auf das Steuerberaterexamen in Form von Lehrbriefen. Vermehrt werden diese Vorbereitungsmöglichkeiten jetzt auch im Rahmen von Online-Seminaren angeboten. Was aber unterscheidet E-Learning von anderen Formen des Lernens? Welche Nutzungsmöglichkeiten gibt es im Rahmen der Steuerberaterausbildung, und wo gibt es Grenzen in der Verwendung dieses Lernformats?

Formen von E-Learning

E-Learning bezeichnet alle Formen des Lernens, bei denen digitale Medien genutzt werden. Über das Internet werden z. B. WBTs (Web Based Trainings) angeboten. Hierbei erarbeiten sich die Teilnehmer die Inhalte selbstgesteuert mithilfe von Lernvideos oder digitalen Skripten. Oftmals werden diese Inhalte auf einer Lernplattform zur Verfügung gestellt. Dabei kann das Lernen durch die Interaktion mit Dozenten und anderen Teilnehmern in Form von Chats oder Foren gefördert und die Lernfortschritte durch elektronische Tests kontrolliert werden. Die Nutzer können sich dabei flexibel entscheiden, wann und wo sie sich mit bestimmten Inhalten beschäftigen möchten.

Immer häufiger werden digitale Medien auch zu Tele Teaching- oder Tele Tutoring-Zwecken verwendet. Über Videokonferenzen werden Lehrende und Lernende, die sich an verschiedenen Orten befinden, zeitgleich zusammengebracht. Dies geschieht in Form virtueller Klassenräume, so dass sich die Teilnehmer gegenseitig sehen und hören können. Es findet ein Präsenzveranstaltungen ähnelndes Lernen statt, welches durch einen Moderator (Tutor) unterstützt werden kann.

Vermehrt werden auch Formate genutzt, die Online- und Präsenzelemente kombinieren und diese didaktisch sinnvoll aufeinander abstimmen und als Blended Learning beschrieben werden. Sie weisen eine deutlich geringere Abbrecherquote als z. B. reine Online-Veranstaltungen auf.

Vor- und Nachteile von E-Learning

E-Learning bietet eine größtmögliche Flexibilität. Es kann zeit- und ortsunabhängig gelernt werden. Das Lernen mithilfe digitaler Medien ist zudem kosten- und zeiteffizient, da keine Anreise zum Aus- oder Weiterbildungsanbieter erfolgt. Nutzer können außerdem ihrem Lerntempo entsprechend individuell lernen und Inhalte bei Bedarf einfach wiederholen.

Allerdings erfordert E-Learning häufig eine hohe Selbstdisziplin, was teilweise zu einer Überforderung der Teilnehmer führt. Nicht selten ist beim Lernen mittels digitaler Medien der Austausch zu Dozenten erschwert und Fragen können unbeantwortet bleiben. Auch die im Vergleich zu Präsenzveranstaltungen geringeren sozialen Kontakte erschweren häufig die Motivation, weshalb Moderatoren eingesetzt werden können, um diese zu steigern. Insbesondere bei Veranstaltungen mit einer längeren Dauer ist es allerdings oft nur eingeschränkt möglich, die Teilnehmer von Online-Veranstaltungen durchgehend zu motivieren und „mitzunehmen“.

E-Learning in der Steuerberaterausbildung

Im Bereich der Steuerberaterausbildung entstehen insbesondere für die Wochenend-Kurse, die z. B. am Freitagabend und samstags ganztägig stattfinden, durch E-Learning neue Möglichkeiten. Die Veranstaltungen können hierbei in Form von Videokonferenzen stattfinden.
Teilnehmer können sich vor Ort beim Veranstalter oder per Videokonferenz an der Veranstaltung beteiligen. Dies hat einerseits den Vorteil, dass die Teilnehmer von überall auf der Welt aktiv partizipieren und andererseits zeiteffizient lernen, da die Fahrtzeiten eingespart werden, andererseits ist es den Teilnehmern möglich, ähnlich wie in einem echten Klassenraum, miteinander zu kommunizieren. Somit kann die Grenze des erschwerten Austausches mit Dozenten und anderen Teilnehmern, die zum Beispiel bei reinen Fernlehrgängen besteht, überwunden und eine höhere Lernmotivation erreicht werden. Zudem können die Veranstaltungen aufgezeichnet und den Teilnehmern auf einer Lernplattform zur Verfügung gestellt werden. Vor allem bei Veranstaltungsversäumnissen kann diese Variante eine gute Möglichkeit zum Nachholen der verpassten Inhalte sein.

Zum Auffrischen oder Vertiefen von spezielleren Themen eignen sich WBTs, mithilfe derer bestimmte Fächer in überschaubaren Abschnitten, multimedial aufbereitet, trainiert werden können.

Auch im Bereich der Klausuren-Kurse zur Vorbereitung auf die Steuerberaterprüfung kann E-Learning eine sinnvolle Ergänzung sein. Gerade in der Phase kurz vor dem Examen ist es für Teilnehmer interessant, Fahrtzeiten zu sparen und die Zeit stattdessen für eine intensive Vorbereitung zu nutzen. Daher werden Übungsklausuren bspw. per E-Mail verschickt oder zum Download auf einer Lernplattform verfügbar gemacht und am Vormittag von den Teilnehmern gelöst. Nachmittags werden die Lösungen in Form eines Tele Teachings diskutiert, so dass Fragen der Teilnehmer zufriedenstellend beantwortet werden können. Es ist jedoch festzustellen, dass ein Teil der Steuerberateranwärter, die gerade kurz der Prüfung stehen, es bevorzugen, beim Ausbildungsanbieter vor Ort Klausuren zu schreiben. So kann die spätere Prüfungssituation besser simuliert und trainiert werden. Außerdem schätzt dieser Teilnehmerkreis den direkten persönlichen Austausch mit den Dozenten und anderen Teilnehmern.

Fazit

Gerade auch für Steuerberateranwärter, die heutzutage – mehr denn je – wechselnde Einsatzorte haben, bieten E-Learning-Angebote eine erhöhte Flexibilität, Zeitersparnis und vor allem geringere Kosten.

Auch wenn die Anzahl digitaler Ausbildungsangebote stetig zunimmt, werden klassische Ausbildungsformate nicht verdrängt. E-Learning ist häufig eine sinnvolle Ergänzung zu den klassischen Präsenzveranstaltungen, wie es insbesondere bei Blended Learning-Konzepten der Fall ist.

Der persönliche Austausch vor Ort mit den Dozenten und anderen Teilnehmern behält einen hohen Wert, der auch mithilfe von Chats oder Videokonferenzen nur schwer zu ersetzen sein wird.

Quelle DStR 3/2017