Hilfe, ich will keine Anwältin werden!

von Veronika Gebertshammer

Es gibt Menschen, die als Kind bereits ganz genau wissen, welchen Beruf sie später mal ergreifen möchten. So ein Mensch ist meine Schwester, die mit Leichtigkeit und Anmut mit doppeltem Prädikat im Gepäck durch Jurastudium und Referendariat segelte. Und dann gibt es Menschen wie mich und vielleicht auch dich, die auch mit 18 Jahren noch nicht wissen, was sie studieren bzw. welchen Beruf sie später mal ergreifen möchten.

Eigentlich hätte ich nach meinem Abitur gerne so etwas Exotisches und auf dem Arbeitsmarkt angeblich »Unbrauchbares« wie Nordamerikastudien oder Politikwissenschaften studiert. »Studiere lieber Jura, damit hast du viel mehr Möglichkeiten«, ließ ich mir von meiner großen Schwester sagen. »Die große Schwester wird’s wissen«, habe ich mir gedacht und startete in das Jurastudium, ohne zu ahnen, auf welche Achterbahnfahrt ich mich da einließ.

Im Studium lernte ich fast ausschließlich Menschen kennen, die schon genau wussten, was sie vom Leben wollten und welchen Beruf sie später mal ergreifen wollten. (Natürlich einen juristischen Beruf, versteht sich von selbst.) Also passte ich mich an und träumte ebenfalls vom Anwaltsdasein in einer Großkanzlei à la »Suits«.

Bis zur Examensvorbereitung machte mir das Jurastudium ziemlich viel Spaß. Einen Sachverhalt zu analysieren und in die Einzelteile zu zerlegen, gefiel mir. Im vierten Semester brachte mich das Jurastudium sogar für ein Auslandssemester nach Barcelona. Diese Zeit zählt mit zu den schönsten Erinnerungen in meinem bisherigen Leben. Schon allein aufgrund dieser Erfahrung bin ich überaus dankbar, mit 18 Jahren nicht Politikwissenschaften, sondern Rechtswissenschaften studiert zu haben.

Was will ich eigentlich vom Leben?

Aber mehr und mehr keimte in mir langsam der Gedanke, dass irgendetwas nicht stimmte. Spätestens in der Examensvorbereitung dämmerte es mir dann: Ich will keinen klassischen Juristenberuf ergreifen. Und dann stand ich plötzlich da, mit dem Ersten Examen in der Hand, ohne zu wissen, was ich damit nun anfangen sollte. Während andere um mich herum ausgelassen feierten, fühlte ich mich seltsam leer. Ich hatte ein so großes Ziel in meinem Leben erreicht und ich fühlte einfach nichts!

Die Zeit nach dem Examen war schwer, in einer gewissen Weise sogar schwerer als die gesamte Examensphase. Rückblickend bin ich dieser schwierigen Zeit in meinem Leben aber sehr dankbar, denn  – Achtung, Klischee!  – ohne diese Phase wäre ich nicht da, wo ich heute bin. Damals hatte ich das Gefühl, das komplett Falsche studiert und fünf Jahre meines Lebens vergeudet zu haben.

Ich begann, mich für das große Thema der Persönlichkeitsentwicklung zu interessieren. Was will ich mit meinem Leben anfangen? Was macht mich glücklich? Was wäre ein Ziel, worüber ich mich richtig freuen würde, wenn ich es erreiche? Es erschreckte mich sehr, dass ich keine Antworten auf diese so wichtigen und grundlegenden Fragen hatte.

Auf der Suche nach Antworten

Also machte ich mich auf die Suche nach Antworten. Ich machte ein Praktikum bei einer Stiftung in Budapest, begann aus Prinzip nochmal zu studieren – diesmal endlich Politikwissenschaften  – und arbeitete nebenher als Werkstudentin in der Online-Redaktion des BECK Stellenmarkts des C.H.Beck Verlags. Dabei durfte ich selbst Artikel verfassen  – eine Aufgabe, die mir große Freude bereitete. Ich begann darüber hinaus, Kurse im Kreativen Schreiben zu belegen, setzte mich weiter mit mir selbst auseinander und langsam, langsam fand ich Antworten auf meine Fragen. Worte zu finden, die andere suchten, und Worte an den richtigen Platz zu rücken: Das ist meine große Leidenschaft.

Wie ich Frieden mit dem Jurastudium geschlossen habe

Lange Zeit war ich wütend auf mich, auf das Leben und dass ich mich mit 18 Jahren für das Jurastudium entschieden hatte. »Hätte ich doch nur was anderes studiert«, habe ich mir mehr als nur einmal gedacht. Heute habe ich Frieden mit dem Jurastudium geschlossen. Ich habe erkannt, welche einzigartigen Fähigkeiten und Eigenschaften ich dadurch erworben habe. Mein analytisches Denkvermögen, das während des Jurastudiums geschult und trainiert wurde, ist mir heute bei meiner Tätigkeit als Texterin und Lektorin eine große Hilfe.

Die Eigenschaften Resilienz, Disziplin und Durchhaltevermögen muss man sich im Jurastudium spätestens in der Examensvorbereitung aneignen und sind meiner Meinung nach in der heutigen Welt von entscheidender Bedeutung. Ohne das Jurastudium hätte ich mich auch niemals so tiefgehend mit mir selbst und mit der Frage auseinandergesetzt, was ich eigentlich will.

An alle Jurastudierenden, die sich ebenfalls nicht in den klassischen juristischen Berufen sehen: Geht euren Weg und lasst euch nicht einreden, dass ihr das »Falsche« studiert (habt). Meine Erfahrung ist, dass das Leben es sehr gut mit einem meint. Manchmal muss man aber Umwege gehen, um ans Ziel zu kommen.

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Über die Autorin:

Veronika Gebertshammer
hat an der FU Berlin Jura studiert und dort ihr Erstes Staatsexamen absolviert. Seit 2022 ist sie freiberufliche Texterin & Lektorin. Mehr unter: www.veronika-gebertshammer.de

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