Meine Tätigkeit als Richter im Bereich Verkehrsrecht

Richter am Landgericht
von Dr. Jens Rogler

»Wer auffährt, hat Schuld!« Eine Aussage, die den meisten Teilnehmern am Straßenverkehr geläufig ist. Natürlich ist sie in dieser Absolutheit nicht richtig, trotzdem enthält sie einen wahren – rechtlichen – Kern. Damit wäre man beim Stichwort »Anscheinsbeweis« und bereits mittendrin im Straßenverkehrsrecht…

Verkehrsunfallrecht? Sicher nicht langweilig!

Seit meinem Einstieg in der bayerischen Justiz 1998 habe ich nun die letzten 16 Jahre im Schwerpunkt mit dem Straßenverkehrs- und Schadensersatzrecht sowie dem Versicherungsrecht zu tun, seit 2016 als Vorsitzender Richter einer Zivilkammer am Landgericht. Damit würde – und müsste – man sich nicht so lange beschäftigen, wenn man diese Rechtsgebiete nicht immer noch interessant fände.

Dafür gibt es für mich jede Menge Gründe: In tatsächlicher Hinsicht sind die Sachverhalte meistens buchstäblich »aus dem Leben« gegriffen und der Umgang mit den Beteiligten bzw. Betroffenen in der mündlichen Verhandlung ist abwechslungsreich. Beweisaufnahmen bergen mitunter immer noch Überraschungen. Man hat gelernt: Es gibt nichts, das es nicht gibt!

Hinzu kommt die technische Seite: Regelmäßig sind Sachverständige mit der Unfallanalyse oder Schadensermittlung zu beauftragen. Und die Aufklärungsmöglichkeiten von Verkehrsunfällen entwickeln sich stets fort: »Dashcams« oder das Auslesen von Airbag-Steuergeräten ermöglichen interessante Einblicke. Nicht zu vergessen natürlich der Übergang zum »autonomen Fahren«, der verspricht, in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht interessant zu werden. Häufig ist man auch mit medizinischen Problemen befasst, wenn Sachverständige physische oder psychische Zustände, Unfallfolgen oder deren Ursachen begutachten.

Dass mancher Jurist hinter vorgehaltener Hand flüstert: »Verkehrsrecht kann doch jeder!«, nehme ich gelassen zur Kenntnis, sehe ich doch regelmäßig beim Blick in meine Akten, dass dies offensichtlich gerade nicht der Fall ist! Die Schlagworte »Betriebsgefahr und Auseinanderfallen von Eigentum und Haltereigenschaft« oder »gestörte Gesamtschuld« deuten auf komplexe Rechtsfragen hin, die zwar nicht regelmäßig, aber immer wieder einmal gelöst werden müssen. Dazu passt die Einleitung eines Fachaufsatzes, der mir unlängst in die Hände fiel: »Erstaunte Augen angesichts dessen, was alles ein Arbeitsunfall sein kann, finden sich nicht nur in Laienkreisen.« Die Arbeit als Richter im Zivilrecht – gerade auch im Prozessrecht  – bietet bzw. verlangt gar täglich »echtes« juristisches Arbeiten.

Raum für persönliche und fachliche Entwicklung

Dass ich nun bereits so viele Jahre in denselben Rechtsgebieten tätig bin, ist für die (bayerische) Justiz eher ungewöhnlich. Nachdem ich zunächst das Strafrecht als Staatsanwalt kennengelernt hatte, bei Abordnungen dann auch das Baurecht am Oberlandesgericht, das allgemeine Zivilrecht (»Gemischtwarenladen«) an einem Amtsgericht und für drei Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Bundesgerichtshof das Versicherungsrecht, weiß ich, wo ich »zuhause« bin. Meine mittlerweile langjährige Erfahrung und Spezialisierung erleichtert nicht nur mir selbst die tägliche Arbeit, sondern ermöglicht die fachliche Kommunikation mit spezialisierten Fachanwälten auf Augenhöhe; und nicht zuletzt bietet es der rechtssuchenden Bevölkerung zumindest eine gewisse Gewähr für ein – hoffentlich – »richtiges« Urteil.

Als Richter muss man tagtäglich Freude am Entscheiden haben. Denn nicht nur ein Urteil als Abschluss eines Verfahrens erfordert eine Entscheidung, sondern jeder kleine Schritt in der Bearbeitung einer Akte ist eine Weichenstellung. Was so banal klingt, stellt sich im Alltag immer wieder als Herausforderung dar.

Dabei mache ich mir klar, dass meine Urteile für die Betroffenen in jedem Einzelfall ein einschneidendes Ereignis sind, teilweise sogar ihre (finanzielle) Existenz berühren. Aber gerade die damit verbundene Verantwortung macht den Richterberuf für mich aus.

Arbeitsumfeld im Umbruch

Hinzu kommt schließlich die herausfordernde, aber in meinem Fall glücklicherweise reibungslose Zusammenarbeit in der Kammer mit den Kolleginnen und Kollegen des Servicebereichs und meinen Richterkolleginnen und -kollegen. Dabei sind auch immer wieder Dienstanfängerinnen und Dienstanfänger einzuarbeiten, was ich im Hinblick auf den damit verbundenen ersten Eindruck für die jungen Kollegen ebenfalls als spannende und verantwortungsvolle Aufgabe ansehe.

Schließlich wird das unmittelbare Arbeitsumfeld inzwischen ganz maßgeblich durch die Digitalisierung geprägt: Elektronische Akte und elektronischer Rechtsverkehr sowie »Video-Verhandlungen« gehören inzwischen zum Alltag. Wann dieser spürbar durch sogenannte Künstliche Intelligenz beeinflusst werden wird, kann niemand sicher sagen – aber wahrscheinlich schneller, als wir es erwarten. Die Entwicklung bleibt spannend!

In weiteren Beiträgen auf beck-stellenmarkt.de erhalten Sie einen Einblick in die verschiedenen Arbeitsbereiche von Richterinnen und Richtern:

 

Entdecken Sie attraktive Stellenausschreibungen für Juristinnen und Juristen auf beck-stellenmarkt.de. Jetzt schnell und einfach für Ihren Traum-Job bewerben!

Zu den Jobs für Juristinnen und Juristen

Die juristischen Positionen im BECK Stellenmarkt werden von renommierten Arbeitgebern aus der Rechtsbranche inseriert. Informieren Sie sich in unseren ausführlichen Online-Profilen über die juristischen Top-Arbeitgeber.

Zu den Arbeitgeberprofilen

Über den Autor:

Dr. Jens Rogler
ist seit 2016 Vorsitzender Richter einer Zivilkammer am LG Nürnberg-Fürth. Dem gingen Tätigkeiten am Amtsgericht, Oberlandesgericht und als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Bundesgerichtshof voraus. Seine Tätigkeitsschwerpunkte Verkehrs- und Versicherungsrecht bringt er auch als Dozent in der Fachanwaltsausbildung und diversen Publikationen ein.

Besuchen Sie auch die Social-Media-Kanäle von C.H.BECK. Sie finden uns auf: