Multidisziplinäre Kanzleien – Ein Geheimtipp für die Karriere?

von Alexander Sieben

Warum sollten sich Juristen*, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer, bzw. solche, die es werden wollen, für eine multidisziplinäre Kanzlei entscheiden? Absolventen orientieren sich häufig an den bekannten Namen in ihrer jeweiligen Disziplin. Dabei kann Breite statt Tiefe gerade in den ersten Berufsjahren Chancen bieten. Doch dazu muss man verstehen, was multidisziplinäre Einheiten ausmacht, welche Möglichkeiten sie bieten, aber auch welche Limitierungen sie mit sich bringen.

MDP? – Eine Begriffsklärung vorneweg

Wem die drei Buchstaben MDP das erste Mal im Kontext von Kanzleien begegnen, stellt sich automatisch die Frage, wofür diese Abkürzung steht. Selbst gestandene Berufsträger, die als Anwalt oder Steuerberater außerhalb von MDP-Kanzleien arbeiten, haben uns schon gefragt, was wir meinen, wenn wir leichtfertig diese Abkürzung verwenden. Aufklärung tut also Not. Im englischen Sprachgebrauch steht MDP für Multi-Disciplinary Practices. Im Deutschen spricht man von Multidisziplinären Partnerschaften, also Gesellschaften, die mindestens die Rechts- und Steuerberatung unter einem Dach anbieten, in der Regel dann mit der Wirtschaftsprüfung, immer häufiger auch zusammen mit der Unternehmensberatung.

Einordnung des Marktes

Der MDP-Ansatz wird häufig mit mittelständischen Beratungseinheiten in Verbindung gebracht. Doch im Prinzip sind alle Big-Four-Gesellschaften multidisziplinäre Beratungshäuser und auch die Next Six sind breit aufgestellt in ihrem Leistungsportfolio. Jedoch sind die einzelnen Disziplinen in den großen Professional Service Firms doch eher „siloartig“ in ihren jeweiligen Bereichen unterwegs, wohingegen in mittelständischen Einheiten die Grenzen zwischen den Disziplinen meist fließend sind. Häufig sind Partner in mittelständischen Einheiten auch doppelt bis dreifach qualifiziert, also sowohl Anwalt als auch Steuerberater und Wirtschaftsprüfer. Je kleiner die Einheit wiederum, umso weniger ausgeprägt ist der multidisziplinäre Ansatz. Mittelständische MDP-Einheiten sind häufig nur in einer Region präsent und hier dann oftmals der Platzhirsch in der Beratung des Mittelstands. Selten sind die Disziplinen gleich verteilt, meist überwiegt ein Teil, je nach Ursprung und Historie. Oft ist der Steuerbereich nach Köpfen in der Überzahl, weil das Geschäftsmodell dies mit sich bringt.

Hat der MDP-Ansatz Zukunft?

Mittelständische Mandanten schätzen am MDP-Ansatz, dass sie alles aus einer Hand bekommen. Und je enger die Berufsträger verzahnt und abgestimmt sind, umso schlagkräftiger ist dieses Modell. Denn der Mandant merkt schnell, wenn zwar mehrere Disziplinen unter einem Dach vereint, aber nicht gut eingespielt in der Zusammenarbeit sind. Es ist aber auch eine gegenläufige Tendenz hin zum Spezialisten zu beobachten, was es klassischen MDPs schwerer macht, denn diese sind eher in reinen Anwalts- oder Steuerberatungsgesellschaften anzutreffen. Sicher ist aber: Einen Markt für MDP-Kanzleien wird es immer geben und dieser Ansatz hat weiter viel Potenzial. Voraussetzung für den Erfolg ist, dass die Disziplinen gut im Mandat zusammenwirken. Und es kommt darauf an, die Vorteile der multidisziplinären Aufstellung für den Mandanten klar herauszustellen und am Markt entsprechend zu positionieren.

Vielfalt ohne Einheit? – Das Miteinander ist entscheidend

Der Erfolg von MDP-Kanzleien steht und fällt damit, wie gut Menschen über die Disziplinen hinweg zusammenarbeiten – und dies nicht nur fachlich, sondern auch auf der Beziehungsebene. Hierin besteht nach unserer Beobachtung die größte Herausforderung. In unserer Beratungspraxis stellen wir immer wieder fest, dass sich Anwälte und Steuerberater bzw. WPs in ihrer Art, ihrer Denke und häufig auch in ihrem Wesen unterscheiden. Man kann dies natürlich nicht verallgemeinern, aber wir wissen um das Konfliktpotenzial, das entsteht, wenn diese Unterschiedlichkeit in einer Partnerschaft aufeinandertrifft. Hinzukommt, dass die Geschäftsmodelle unterschiedlich sind, was ein Miteinander und gegenseitiges Verständnis, zumindest auf Partnerebene, auch nicht immer einfach macht. Wie in jedem Unternehmen gilt: Je besser es auf der menschlichen Ebene passt und je eher man die Unterschiedlichkeit auch als Chance erkennt, umso besser funktioniert es in der Zusammenarbeit. Und davon profitieren dann so-wohl Mitarbeitende als auch Mandanten.

MDP für Berufseinsteiger – Vorteile für die persönliche und fachliche Entwicklung

Gerade für Berufseinsteiger kann die Breite des Beratungsspektrums in mittelständischen Kanzleien Vorteile bieten. Anders als in den großen Einheiten, wo der Blick über den Tellerrand des eigenen Bereichs doch eher eingeschränkt ist, bieten sich in den Mandaten, in denen mehrere Bereiche involviert sind, interessante Einblicke und Lernerfahrungen. Wir beobachten auch, dass MDPs für Berufsträger, die ihr Handwerkswerkzeug in großen Einheiten gelernt haben, und nach einigen Jahren über einen Wechsel nachdenken, sehr attraktiv sind. Sie finden hier eine gute Mischung aus Tiefe und Breite vor. Man muss dafür aber auch offen sein und die Vernetzung über den eigenen Bereich hinaus aktiv suchen.

Fazit

Es lohnt sich, mittelständische MDP-Kanzleien als Option für die eigene Karriere genauer anzuschauen. Wir bekommen dort von den jungen Berufsträgern häufig gespiegelt, dass der Reiz in der Vielfältigkeit der Themen und Erfahrungen, in der Nähe zum Mandanten und nicht zuletzt auch in den Karriereperspektiven liegt. Viele MDPs sind inzwischen auch innovativ und beweglich, wenn es darum geht, Talente für sich zu gewinnen und dauerhaft an sich zu binden. Klar ist aber auch, dass jemand, der eine klassische Anwaltskarriere anstrebt, besser beraten ist, zu einer reinen Anwaltskanzlei zu gehen, weil er sich hier seiner Fokussierung entsprechend aus-richten und entwickeln kann. Wie würde der Jurist sagen: Es kommt eben darauf an.

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*Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter (m/w/d).

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Über den Autor:

Alexander Sieben
ist Managing Partner der auf Kanzleien spezialisierten Unternehmensberatung SIEBEN&PARTNER in Bonn. Seit mehr als zehn Jahren berät er Rechtsanwalts-, Steuerberatungs- und WP-Gesellschaften, somit häufig auch multidisziplinär aufgestellte Kanzleien, in strategischen Fragen.

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