Die Wahlstation in New York - American Dream oder schier unmöglich?

Wahlstation in New York
von Dr. Rudi Ruks

Von einem Aufenthalt über mehrere Monate in New York träumen sicherlich viele. Im Referendariat bietet die Wahlstation die Möglichkeit, sich diesen Wunsch zu erfüllen.

Finanzierungsplan und Lebenshaltungskosten

Es ist kein Geheimnis, dass es sich bei New York um eine der teuersten Städte der Welt handelt. Was das konkret bedeutet, soll nicht beschönigt werden. Wer in Manhattan für ein Zimmer von etwa 12 qm in einer Art Jugendherberge mit Gemeinschaftsbad (»Kolping House«) ca. 1.100 USD oder in einer WG ca. 1.600 USD monatlich zahlt, erhält von Einheimischen Gratulationen zu dem preiswerten Glücksgriff. Eine Reispfanne zum Mittag im Bryant Park kann gerne 30 USD kosten, ein Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt 19 USD. Selbst ein üppiges Monatsbudget bewahrt Sie also nicht vor einem Bankrott.

Natürlich lässt es sich auch bezahlbar(er) auskommen und von den mir bekannten Referendaren hat jedenfalls niemand Privatinsolvenz anmelden müssen. Trotzdem kommen Sie nicht umhin, sich im Vorfeld einen Finanzierungsplan zu überlegen. Sicherlich gibt es Personen, die etwa durch ihr Elternhaus vor dem wirtschaftlichen Kollaps geschützt werden. Sie seien beglückwünscht und können diesen Beitrag ab der nächsten Überschrift weiterlesen. Die anderen sollten alternative Finanzierungswege ausloten, z.B. eine Tätigkeit an einem Lehrstuhl, in einer Kanzlei vor oder neben dem Referendariat, eine Zusatzvergütung in einer Referendarstation oder eine Nebenbeschäftigung in der Justiz, wie sie in bestimmten Bundesländern möglich ist (z.B. Niedersachsen, NRW). Während der Station verschafft ebenso der in einigen Ländern gewährte Kaufkraftausgleich ein finanzielles Polster (in Zahlen: ca. 200 EUR/Monat). Verfallen Sie nicht dem Irrglauben, dass Sie mit dem »deutschen« monatlichen Referendargehalt in New York auskommen werden – das ist leider nahezu ausgeschlossen. Das soll Sie aber nicht abhalten! Mit etwas Planung und Vorlaufzeit ist der Aufenthalt auch »aus eigener Kraft« finanzierbar.

Stations- und Wohnungssuche

Kommt die Stage finanziell in Betracht, sollten Sie früh mit der Suche nach einer Ausbildungsstelle beginnen. Die ersten Bewerbungen habe ich ca. 12 Monate vor Stationsbeginn verschickt. Was geeignete Stellen angeht, gibt es viele Möglichkeiten: Auswärtiges Amt, Außenhandelskammer, Behörde, Gericht, Anwaltskanzlei, Unternehmen. Einzelheiten zum Auswärtigen Amt und zur Außenhandelskammer finden Sie auf deren Webseiten. Einige Referendare aus meinem Umkreis waren zudem mit einer Initiativbewerbung bei einer (Umwelt-)Behörde oder einem Gericht erfolgreich. Kanzleien können Sie auf der Internetseite des OLG Köln (»Stationsangebote«), durch das Mentorenprogramm der Deutsch-Amerikanischen Juristenvereinigung e.V. (Jahresmitgliedsbeitrag 40 EUR) oder durch eine freie Internetrecherche (z.B. nach Erfahrungsberichten) ausfindig machen. Durch Letzteres habe ich »meine« Kanzlei gefunden, die über eine deutsche Praxisgruppe mit einem deutschen Partner verfügt. Vielleicht hat eine Ihnen bekannte Sozietät sogar eine Dependance in New York oder kann Kontakte zu einer Partnerkanzlei vermitteln. Setzen Sie aber nicht alles »auf ein Pferd« und bewerben Sie sich möglichst in der Breite. Verzweifeln Sie auch nicht, wenn Sie keinerlei Rückmeldung zu Ihrer Bewerbung erhalten. Der Andrang von Interessenten ist groß, immerhin bewerben Sie sich ja auch in New York, nicht in Ottmarsbocholt.

Eine frühzeitige Planung verschafft Ihnen die Möglichkeit, Angebote miteinander zu vergleichen. Ein Gehalt zahlen rein amerikanische Kanzleien selten, aber auch das kommt vor (z.B. bei der Bewerbung als »Consultant«). Einige Sozietäten bieten eine Kostenerstattung an, etwa für Metro-/Flugtickets, Unterkunft und/oder Visum, andere unterstützen bei der Wohnungssuche. Ebenso relevante Parameter sind die konkreten Arbeitsaufträge, Anwesenheitstage, Einbindung in Mandate oder die mögliche Teilnahme an Netzwerkveranstaltungen (Tipp: Referendarfrühstück bei Alston & Bird LLP, 14-tgl., mittwochs).

Für die Wohnungssuche stehen zahlreiche Online-Plattformen zur Verfügung (»Airbnb«, »New York Habitat«), aber ebenso Social-Media-Kanäle, wo sich vereinzelt jedoch unseriöse Anbieter herumtreiben. Die Suche nach der Wohnung kostet einige Zeit, ich empfand sie – trotz der zeitlichen Nähe zu den Examensklausuren – aber als nicht so dramatisch. Etwa drei Monate vor Stationsbeginn habe ich ein WG-Zimmer gefunden. Mir ist im Übrigen niemand bekannt, dessen Stage in New York an der Wohnungssuche scheiterte.

Visum, Einreise, Leben

Um das (J1-)Visum zu erhalten, werden Sie mit einer Agentur (»Sponsor«) zusammenarbeiten müssen; die Ausbildungsstelle gibt Ihnen dazu regelmäßig nähere Auskünfte. Der Sponsor hilft bei dem bürokratischen Prozess und führt u.a. ein Vorab-Interview mit Ihnen. Ist das alles vollbracht, erfolgt ein Termin bei dem US-Konsulat bzw. der -Botschaft in Frankfurt, München oder Berlin. Wundern Sie sich nicht über die geforderten Angaben (Handynummern, E-Mail-Adressen, Social-Media-Profile) oder ungewöhnliche Fragen (»Waren Sie an einem illegalen Organhandel beteiligt?«). Insgesamt dauert der Visaprozess einige Monate und sollte unmittelbar nach einer Stationszusage initiiert werden. Für das Visum inkl. sämtlicher Gebühren können Sie ca. 1.000 EUR veranschlagen.

Wenn Sie eine Station in New York ergattert haben und dort angekommen sind, werden Sie (endlich) merken, dass sich der ganze Aufwand gelohnt hat. Es ist eine der beeindruckendsten Städte weltweit, mit einem unglaublichen Maß an Internationalität, Diversität und Offenheit sowie unendlichen Freizeitmöglichkeiten. Neben dem üblichen »Touri-Sightseeing« tun Sie sich bitte den Gefallen und gehen zu einem Basketballspiel der NY Knicks im Madison Square Garden (die Stimmung ist einzigartig und mit etwas Glück treffen Sie Stars wie Matt Damon unter den Zuschauern!), besuchen mindestens eine Broadway-Show (»TodayTix«) und gehen in den bundesweit bekannten »Comedy Cellar« in Greenwich Village.

Es erfordert ein wenig Engagement, Ausbildungsstelle und Wohnung in New York zu finden. Es ist aber kein Hexenwerk und in jedem Fall machbar. Ich hoffe, einige meiner Tipps nützen Ihnen bei der Ersteinschätzung und Vorbereitung. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei der Suche und eine atemberaubende Zeit in NYC!

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Über den Autor:

Dr. Rudi Ruks
studierte und promovierte an der Universität Bielefeld. Neben dem Referendariat am LG Duisburg mit Stationen in Düsseldorf, Berlin und New York war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am OLG Düsseldorf tätig. Die Wahlstation absolvierte er in der von Jürgen R. Ostertag geleiteten Deutschen Praxisgruppe bei Tarter Krinsky & Drogin LLP in New York.

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