Belastbarkeitsgrenzen im Anwaltsberuf erkennen und effektiv kommunizieren lernen

Stress und Erschöpfung am Arbeitsplatz Büro
von Carmen Schön

In der juristischen Arbeitswelt ist ein gewisser Stresspegel „mitgebucht“ und Bestandteil des Berufsrisikos. Und so kann es sein, dass Sie sich als Juristinnen und Juristen durch tägliche Arbeitsüberforderung an Belastungen gewöhnen und gar nicht mehr bemerken, wann Sie bereits an Ihre persönlichen Grenzen gestoßen sind. Wie genau können Sie erkennen, dass Sie Ihre Belastungsgrenze erreichen, und wie gelingt es Ihnen, diese am Arbeitsplatz effektiv zu kommunizieren?

1. Jeder Mensch hat Belastungsgrenzen – auch Juristinnen und Juristen

Die erste wichtige Erkenntnis ist, sich einzugestehen, dass jeder Mensch – auch Sie – nicht unendlich belastbar ist. Oft begleiten uns (vor allem auf Dauer) ungesunde Leitsätze wie „Stell Dich nicht so an“ oder „Das schaffe ich auch noch“, nach dem Motto „Ich bin doch kein Weichei“.

2. Die eigenen Grenzen der Belastbarkeit erkennen und spüren

Es gibt verschiedene Belastbarkeitsstufen – von leicht, mittel bis stark. Jede davon ist sehr individuell und hängt davon ab, wie sehr wir „trainiert“ sind, und was genau der bzw. die Einzelne als Belastung empfindet. Daher kommen wir nicht drum herum, uns selbst besser kennenzulernen und Signale unseres Körpers wahrzunehmen und richtig zu deuten.

Wie genau verändert sich Ihr Körper bei Belastungen?

  • Wie atmen Sie in diesem Moment?
  • Welche Muskeln spannen Sie dann extrem an?
  • Bekommen Sie Kopfschmerzen oder verspüren Schwindel?
  • Fängt Ihr Herz an zu rasen oder lauter zu klopfen?
  • Werden Sie fahrig und können sich schlechter konzentrieren?
  • Leiden Sie unter Schlafstörungen?
  • Essen Sie deutlich mehr oder weniger?
  • Konsumieren Sie mehr Alkohol oder rauchen mehr?

All diese Anzeichen können Warnsignale dafür sein, dass Sie im Berufsalltag einer größeren Belastung ausgesetzt sind, häufiger als Ihnen guttut. Je nachdem, wie massiv Sie diese Symptome wahrnehmen, besteht mehr oder weniger großer Handlungsbedarf. Keiner von uns macht sich große Sorgen, wenn man mal ein bis zwei Nächte schlecht schläft. Hält dieser Zustand aber über Wochen an, ist er Besorgnis erregend und es gilt, die eigenen Körpersignale ernst zu nehmen.

Wichtig ist, dass Sie Ihre persönliche Leistungsgrenze erkennen und die ersten ernsthaften Anzeichen einer Überlastung an sich wahrnehmen. Meistens gelingt es in diesen Fällen gut, durch Entspannungsübungen, ein ruhiges Wochenende oder Kurzurlaub wieder in die richtige Balance zu kommen.

3. Ihre Belastungen im Berufsalltag nach außen kommunizieren?

Stellen Sie sich immer wieder die Frage, ob Sie persönliche Themen und starke Belastungen im Job besser kommunizieren oder lieber mit sich selbst ausmachen wollen.

Sollten Sie durch eine Umstellung in Ihrem Arbeitsmodus bereits eine Erleichterung erfahren, dann haben Sie Ihre Situation schon gut eingeschätzt. Vielleicht haben Sie für sich bereits selbst festgestellt, dass Sie sich pro Tag einfach weniger große Aufgaben vornehmen sollten, wenn diese Sie zu sehr „drücken“, um Ihre persönlichen Ressourcen zu schonen und nicht überzustrapazieren. Wenn Sie durch eine bessere Verteilung Ihrer Aufgaben alles fristgerecht abarbeiten können, haben Sie eine adäquate und sinnvolle Lösung gefunden.

Nun gibt es aber auch Themen oder möglicherweise eine neue Arbeitssituation, die Sie belasten und die Sie nicht allein auflösen können. Vielleicht ist das Arbeitspensum einfach zu hoch, Sie müssen eine kranke Person auf Dauer ersetzen oder mit Vorgesetzen oder Kolleginnen und Kollegen zusammenarbeiten, die Ihnen nicht guttun. Abgabetermine werden beispielsweise zu „sportlich“ und knapp angesetzt, Ihre Reisetätigkeit hat stark zugenommen etc.

Auch hier gilt zunächst zu erkennen, welche Aufgaben und To-Dos Sie besonders belasten – und was sich konkret verändert hat. Warum haben Sie in der Vergangenheit alles gut bewältigen können und warum gelingt es Ihnen nun nicht mehr?

4. „Der Ton macht die Musik“ und Lösungen im Gepäck mitbringen

Zunächst ist zu überlegen, wem gegenüber Sie Ihre Belastung kommunizieren. Wer genau kann etwas daran ändern? Wer kann Sie entlasten – Ihr Chef, Ihre Chefin oder Ihre Kolleginnen und Kollegen? Bevor Sie in ein Gespräch gehen, überlegen Sie gut, was sich genau für Sie verändern müsste, um weniger Belastung und Druck zu spüren. Es ist erfolgsversprechender, schon eine erste Vorstellung davon zu haben. Ihre Vorgesetzten stecken nicht in Ihrer Situation, haben daher für Ihre Arbeitslast ein anderes Empfinden und sind nicht immer gleich bereit, mit Ihnen darüber zu reflektieren, wie eine Lösung aussehen kann.

5. Auf den Gesprächsaufbau Einfluss nehmen

Beginnen Sie deshalb das Gespräch mit einer kurzen Schilderung der Situation und Analyse, womit es Ihnen nicht gut geht. Sollten Sie schon eine Lösung in petto haben, skizzieren Sie diese danach – ansonsten bitten Sie um einen gemeinsamen Austausch, wie sich eine Änderung herbeiführen lässt.

Vereinbaren Sie die nächsten umzusetzenden Schritte und halten Sie sich konsequent an das Ergebnis. Denken Sie immer daran, dauerhafte Belastungen machen uns krank und Ihre Gesundheit ist Ihr höchstes Gut.

 

 

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Über die Autorin:

Carmen Schön
ist Managementberaterin, Juristencoach und Bestsellerautorin und berät, trainiert und coacht seit über 12 Jahren Anwaltskanzleien, Juristen, Führungskräfte und TOP Manager in Unternehmen zu den Themen Geschäftsaufbau, Führung, Auftritt und Wirkung sowie Verhandlungsmanagement. Kontakt: kontakt@carmenschoen.de

Dieser Beitrag ist erstmals erschienen in der BSM 16/23.

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