Recht gut übersetzt? - Übersetzerzähmen leicht gemacht

von Richard Delaney

„To succeed in the profession of law, you must seek to cultivate command of language. Words are the lawyer’s tools of trade.“1 (Lord Denning, 1979)

Lord Denning, einer der wohl einflussreichsten englischen Richter des letzten Jahrhunderts, brachte in seinem Buch „The Discipline of Law“ auf den Punkt, dass Sprache für Juristen ein unverzichtbares Werkzeug ist. Der beste juristische Sachverstand nützt wenig, wenn dieser nicht in Worte gefasst werden kann, wenn Argumente nicht so vorgetragen werden können, dass (zumindest) der Richter versteht, was der Anwalt möchte.

Zwar haben Juristen den Ruf sich oft geradezu unverständlich auszudrücken, aber zumindest im Kreise der Juristenschaft wird die Fachsprache geschätzt, um bestimmte Sachverhalte zweifelsfrei mit den spezifisch dafür geschaffenen Fachbegriffen beschreiben zu können. Beabsichtigt mehrdeutige Formulierungen kommen zwar durchaus auch vor, allerdings liegt das dann nicht an der verwendeten Fachsprache.

Schwieriger wird es, wenn auf einmal verschiedene Sprachen und die damit einhergehenden Gepflogenheiten bzw. Fachterminologien ins Spiel kommen.

„Lasst uns … ihre Sprache verwirren, damit keiner mehr die Sprache des anderen versteht“2

Verschiedene Rechtssysteme haben jeweils ihre Eigenheiten, so dass man bereits innerhalb einer Sprache Sorgfalt walten lassen muss, was die Begrifflichkeiten angeht; so unterscheidet sich die österreichische Rechtssprache von der in Deutschland verwendeten, auch wenn es jeweils „Deutsch“ ist, in den Vereinigten Staaten werden andere Begriffe verwendet als in England, in England andere als in Schottland, von Irland, Indien, Australien und weiteren englischsprachigen Gerichtsbarkeiten ganz zu schweigen.

Eine schlechte Übersetzung kann die gesamte zuvor geleistete Arbeit zerstören. In England war das zu beobachten, als das Justizministerium die Dolmetschleistungen für Gerichte an einen einzigen Anbieter vergab. Viele kompetente Kollegen weigerten sich zu den immer schlechteren Bedingungen zu arbeiten. In den 5 Jahren ab Erteilung des Monopols waren mehr als 2600 Prozesse davon betroffen3. Einige Prozesse wurden vertagt, in anderen führten fehlerhafte Übersetzungen tatsächlich zu Justizirrtümern.

Ein extremes Beispiel ist der Fall der Iqbal Begum, die des Totschlags an ihrem Mann für schuldig befunden wurde, wobei sich im Nachhinein herausstellte, dass der Dolmetscher die Unterschiede zwischen Totschlag und fahrlässiger Tötung nicht verstanden und dementsprechend auch nicht richtig übersetzt hatte4. Die Auswirkungen waren verheerend.

Wie kann man also eine Zusammenarbeit mit Übersetzern und Dolmetschern so gestalten, dass dies möglichst produktiv ist und ein sorgsam erstellter Schriftsatz oder Vertrag auch tatsächlich das widergibt, was sich der Ersteller dabei gedacht hat?

Im Folgenden ist zur besseren Lesbarkeit lediglich von Übersetzern die Rede, die meisten Überlegungen treffen auf Dolmetscher jedoch genauso zu.

Kompetenz und Spezialisierung:

Nicht alle Übersetzer sind gleich. Genau wie Anwälte spezialisieren sich auch Übersetzer.

Wie findet man also einen guten Übersetzer? Wie bei so vielen Berufen gibt es keine einfache Antwort auf diese Frage. Im Gegensatz zum Anwalt ist Übersetzer keine geschützte Berufsbezeichnung. Ein erster Schritt wäre die Frage der Qualifikationen des Übersetzers. Gerade im juristischen Bereich gibt es viele Kollegen die als Quereinsteiger zum Übersetzen gekommen sind und auch juristische Qualifikationen vorweisen können.

Eine Mitgliedschaft in einem respektierten Berufsverband, wie dem Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer (BDÜ), belegt zumindest, dass die Anforderungen für eine Aufnahme erfüllt wurden5.

Empfehlungen von Kollegen oder anderen Übersetzern können ebenfalls hilfreich sein, wie auch der Preis. Zwar ist nicht alles was teuer ist auch gleich gut, aber wer zu Dumpingpreisen übersetzt kann es sich meistens nicht noch leisten vernünftig zu recherchieren, oder ausreichend Sorgfalt walten zu lassen.

Weitergabe von Informationen:

Es ist im Interesse des Auftraggebers, dem Übersetzer relevante Informationen zukommen zu lassen. Die Herangehensweise und die Terminologie unterscheiden sich je nach Auftrag deutlich. Für welchen Zweck wird die Übersetzung erstellt, wer ist der Empfänger, gibt es eine bestimmte Terminologie, die verwendet werden soll, usw. Weshalb ist das wichtig?

Übersetzungszweck:

Es gibt große Unterschiede in der Herangehensweise. Ist das Schriftstück in der Ausgangssprache das Original, das lediglich übersetzt werden muss, dann hat der Übersetzer wenig Spielraum; Fehler und Mehrdeutigkeiten im Ausgangstext werden beibehalten, inhaltliche Widersprüche finden sich in der Übersetzung wieder.

Soll ein Dokument jedoch in der anderen Sprache verwendet werden, wenn das Original also auf der Grundlage des Ausgangstextes erst erstellt werden soll, dann hat der Übersetzer eher die Möglichkeit, in Absprache mit dem Auftraggeber den Text an die Gepflogenheiten der Zielkultur anzupassen und den Auftraggeber auf eventuelle Fehler, Mehrdeutigkeiten oder Widersprüche hinzuweisen. Rückfragen sind meist kein Zeichen von mangelnder Kompetenz des Übersetzers, sondern eher ein Zeichen von Gründlichkeit.

Im Endeffekt bietet eine gute Übersetzung den zusätzlichen Bonus, dass der Ausgangstext auch noch einmal korrekturgelesen wird, denn fast niemand liest einen Text so genau wie ein Übersetzer, der jedes Wort übersetzen muss.

Eine weitere Option ist es, gemeinsam mit dem Auftraggeber umzuformulieren. Ein Beispiel aus meiner Praxis - ein Vertrag beinhaltete einige nur schwer übersetzbare Begriffe, die im Englischen nicht eindeutig belegt waren. In Absprache mit meinem Auftraggeber wurde dem Vertrag dann eine Liste von definierten Begriffen vorangestellt, was im Englischen üblich ist und wodurch die Begriffe zweifelsfrei bestimmt werden konnten.

Empfänger:

Es kann durchaus einen Unterschied machen für wen eine Übersetzung gedacht ist. Orientiert man sich z. B. für Englisch an EU Gesetzestexten, oder zieht man US Quellen heran? Verwendet man die britische Rechtschreibung, oder eher die US-amerikanische? Arbeitet man mit Erklärungen, die das System der Empfängerkultur als Beispiel heranziehen?

Im besten Fall klingt eine Übersetzung, die an den falschen Empfänger adressiert ist, nur etwas sonderbar. Wenn z. B. statt bundesdeutscher Terminologie die österreichischen Begriffe verwendet werden, mag das einem deutschen Juristen befremdlich vorkommen - ist dort die Rede von Exekution statt Zwangsvollstreckung, kann man das aber im Zweifel noch nachvollziehen und erkennt, dass § 17 der Exekutionsordnung (AT) in etwa § 764 der ZPO (DE) entspricht.

Schwieriger wird es in Fällen, wo die Verwendung des falschen Zielbegriffes für Missverständnisse sorgen kann. So setzt das österreichische StGB in Bezug auf Mord in § 75 z. B. keine besonderen Mordmerkmale voraus, sondern bestimmt lediglich: „Wer einen anderen tötet, ist mit Freiheitsstrafe von zehn bis zu zwanzig Jahren oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe zu bestrafen.“6 – nicht gleichzusetzen mit dem deutschen § 211 Abs. 2 StGB7.

Hier ist Potential für Missverständnisse klar erkennbar. Ein guter Übersetzer ist sich der Besonderheiten seiner Zielsprache bewusst, oder kann diese zumindest recherchieren, aber dazu muss klar sein für wen die Übersetzung gedacht ist.

Terminologie:

Teilweise gibt es bereits festgelegte Begriffe, die in einer Übersetzung verwendet werden sollen. Das ist nützlich, sorgt für bessere Konsistenz und kann dem Übersetzer im Zweifel seine Arbeit erleichtern. Allerdings funktioniert das nur, wenn dem Übersetzer diese Terminologie auch zur Verfügung gestellt wird.

… und was ist mit Vertraulichkeit?

Eine Zusammenarbeit basiert auf Vertrauen. Einige Kunden bestehen auf eine spezifische Geheimhaltungsvereinbarung bevor ein Auftrag erteilt wird, allerdings sind zumindest die Mitglieder von Berufsverbänden zur Geheimhaltung von Kundeninformationen verpflichtet.

So legt der BDÜ z. B. in § 2.6 seiner Berufs- und Ehrenordnung die vertrauliche Behandlung von Kundenunterlagen fest8. Auch andere Berufsverbände, wie z. B. das britische Chartered Institute of Linguists (CIOL) oder die American Translators Association (ATA) bestimmen ganz klar, dass die vertrauliche Behandlung von Kundendaten ein unumstößlicher Teil der Berufsethik ist.

Vertraut man einem Übersetzer nicht ausreichend, um diesem auch vertrauliche Unterlagen zukommen zu lassen, die für die Übersetzung hilfreich wären, sollte man vielleicht überlegen den Übersetzer zu wechseln.

In Zusammenhang mit Vertraulichkeit müssen Dolmetscher auch noch einmal separat Erwähnung finden - der Dolmetscher überträgt das gesprochene Wort, hat also nicht den Luxus, seine Übersetzung erst noch zu überarbeiten bevor er sie abgibt. Das bedeutet aber nicht, dass er sich nicht vorbereiten müsste.

Allzu häufig, jedoch, werden keine Unterlagen im Voraus geschickt, denn diese könnten vertraulich sein. Spätestens wenn der Dolmetscher dolmetschen soll, hört er diese ver traulichen Informationen. Allerdings ist auch ein Dolmetscher kein wandelndes Wörterbuch und Alleswisser, so dass, gerade bei komplexeren Sachverhalten, eine Vorbereitung für alle Beteiligten von Nutzen ist.

Zeit:

Der letzte Punkt, den man in Betracht ziehen sollte, ist die Zeit, die der Übersetzer benötigt, um eine Übersetzung sachgerecht bearbeiten zu können.

Sicherlich gibt es Ausnahmen, grundsätzlich sollte man jedoch genug Zeit einräumen, dass der Übersetzer nicht nur vernünftig recherchieren, sondern auch noch ein Lektorat durchführen kann. Wenn man z. B. an einem längeren Text arbeitet, könnten Teile bereits an den Übersetzer geschickt werden - es geht deutlich schneller eventuelle Änderungen in die sonst schon fertige Übersetzung einzubauen, als in kürzester Zeit einen kompletten, sehr umfangreichen Text übersetzen zu müssen.

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1 A. Denning (1979), The Discipline of Law, London: Buttwerworths
2 Die Bibel, Genesis 11:7, Schlachter 2000
3 Thousands of court cases adjourned due to failures in interpreting services https://www.theguardian.com/law/2016/may/04/thousands-of-court-cases-adjourned-due-to-failuresin-interpreting-services 
4 R.v. Iqbal. Begum; Court of Appeal: 22 April 1985 {199. 1} 93 Cr. App. R. 96.
5 Aufnahmeordnung BDÜ https://bdue.de/der-bdue/statuten/aufnahmeordnung/
6 StGB (Österreich) § 75
7 StGB (Deutschland) § 211 Abs. 2
8 BDÜ Berufs- und Ehrenordnung https://bdue.de/der-bdue/statuten/berufs-und-ehrenordnung/

Über den Autor:

Richard Delaney
DGuSV geprüfter Sachverständiger und Gutachter,
Fellow des Chartered Institute of Linguists und
Mitglied im Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer,
seit 2003 als juristischer Fachübersetzer
für Deutsch und Englisch tätig

Quelle NJW 17/2019