Hohe Immobilienwerte gleich hohe Erbschaftssteuer? Ein Gegenmodell – Nießbrauch und Wohnungsrecht bei Schenkung unter Lebenden

Schenkung zu Lebzeiten bzgl. Immobilienwerten
von Jörn Busche

Im Zuge der juristischen Beratung sieht man sich insbesondere bei der Regelung von Erbangelegenheiten häufig mit der Frage konfrontiert, wie man diese im Sinne der Mandanten gestalten kann. Dabei kann eine vorzeitige Übertragung/Schenkung zu Lebzeiten (§ 7 ErbStG) enorme Vorteile für potenzielle Erben bieten.

Problemstellung

Die vorhandene Erbmasse ist im Erbfall unter Berücksichtigung der Freibeträge im Sinne des § 16 ErbStG zu versteuern. Dabei übersteigen die Immobilienwerte regelmäßig die vorhandenen Freibeträge und lösen eine entsprechende Erbschaftssteuer unter Berücksichtigung der Steuersätze nach § 19 ErbStG aus.

Lösungsansatz –  Wertminderung durch Nutzungsrecht

Die Übertragung von Immobilienvermögen erfolgt unter Einbe­ziehung eines Nutzungsrechtes wie dem Nießbrauch oder einem ohnrecht zu Gunsten des Schenkers. Dabei ist es ratsam, dieses Nutzungsrecht im Vorfeld auf den/die Eigentümer selbst zu be­stellen. Damit ist sichergestellt, dass dieses Recht schenkungssteuer­lich bereits wirksam vereinbart und dinglich gesichert ist (Stich­tagsprinzip). Durch dieses Nutzungsrecht wird der steuerpflichtige Wert der Immobilie(n) gem. § 10 Abs.1 ErbStG in der Regel deutlich gemindert.

Unterschiedliche Berechnungsmethoden

Die Höhe dieser Wertminderung kann nun auf zweierlei Weisen ermittelt werden. Zum einen erfolgt eine Bewertung nach dem Bewertungsgesetz, wobei der Wert des übertragenen Grundbe­sitzes und der Wert des Nutzungsrechtes im Rahmen der starren Vorgaben des Bewertungsgesetztes jeweils ermittelt und gegenein­ander, quasi als Gegenleistung, aufgerechnet werden. Zum anderen kann der steuerpflichtige Übernehmer die Öffnungsklausel nutzen und gem. § 198 BewG ein niedrigerer gemeiner Wert mittels eines Gutachtens durch einen entsprechend qualifizierten Sachverständigen für Immobilienbewertungen nachgewiesen wer­ den. Bei der Erstellung eines Verkehrswertgutachtens nach § 194 BauGB in Verbindung mit der ImmoWertV kann der Wert des Nutzungsrechtes unmittelbar im Rahmen der Grundstücksbewer­tung (Wirtschaftliche Einheit) in Abzug gebracht werden. Der Verkehrswert wird u.a. durch den Preis bestimmt, wie er im „ge­wöhnlichen Geschäftsverkehr“ zu erzielen wäre, d.h. unter frei agierenden Marktteilnehmern.

Wertermittlungsfaktoren – Barwert, Marktanpassung, Verkehrswert

Dabei kann der Barwert entgangener Mieten unter Berücksich­tigung statistischer Lebenserwartungen nach Ertragsüberlegungen ohne Probleme ermittelt werden und ähnelt der Berechnungs­methodik des Bewertungsgesetzes. Die Berücksichtigung dieses Barwertes führt jedoch regelmäßig nicht zu dem Verkehrswert des belasteten Grundstücks. Die Marktteilnehmer sehen in dem an das Leben des Nutzungsberechtigten gebundenen Rechtes einen größeren Nachteil, als dieses durch den Barwert zum Ausdruck gebracht werden kann. Völlig unberücksichtigt bleibt dabei das Risiko, dass der Berechtigte unter Umständen deutlich länger lebt, als es ihm die Statistik im berechneten Barwert zugesteht. Zudem hat ein Nutzungsberechtigter eine bessere Verhandlungsposition, wenn es um Sanierungen oder Modernisierungen geht, die in
der Regel vom Eigentümer zu tragen sind. Aus dieser Überlegung heraus müssen zu den wirtschaftlichen Vor-­ und Nachteilen immer auch das Verhalten der Marktteilnehmer und die Lage auf dem Grundstücksmarkt berücksichtigt werden. Erst durch eine geeig­nete Marktanpassung kann dann der Verkehrswert des mit einem Nutzungsrecht belasteten Grundstücks ermittelt werden.

Maßstäbe zur Ermittlung der Marktanpassung

Die Höhe der Marktanpassung wird in der Wertermittlungslite­ratur1 mit einem Abschlag von bis zu 30 % als Obergrenze auf den unbelasteten Verkehrswert angegeben. Diese Marktanpassung kann jedoch niemals genau berechnet werden, da keine validen Auswertungen zu solchen Marktanpassungen vorliegen. Es ist ledig­lich möglich, anhand der wertrelevanten Faktoren sachverständig abzuschätzen, ob ein Marktanpassungsabschlag besonders hoch, oder besonders niedrig ist.

Grundsätzlich lassen sich aber folgende Tendenzen2 erkennen:

  • Je höher die Restlaufzeit, d.h. je länger die Lebenserwartung des Nutzungsberechtigten, desto größer ist die Marktanpas­sung, da das Risiko über einen längeren Zeitraum besteht.
  • Je höher die wirtschaftliche Wertminderung im Verhältnis zum unbelasteten Verkehrswert ist, desto größer ist die Markt­anpassung (z.B. Nießbrauch im 10­-Familienhaus an einer Wohnung oder an allen Wohnungen).
  •  Je höher das Angebot ist, desto höher die Marktanpassung, da sich potenzielle Kaufinteressenten eher für ein nicht belastetes Objekt entscheiden.

Daneben wird mit einem Sachverständigengutachten im Rahmen des § 198 BewG das Risiko einer Nachsteuer nach § 14 Abs. 2 BewG vermieden.

Fazit

Die lebzeitige Übertragung von Grundbesitz unter Vorbehalt eines Nutzungsrechtes kann angezeigt sein, wenn die Immobilien­ werte den Freibetrag nach § 16 ErbStG übersteigen. Durch den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Wertes im Zuge eines Sach­verständigengutachtens können Steuerlasten und Risiken gemin­ dert werden.

Kröll, R., Hausmann, A., Rolf, A.: Rechte und Belastungen in der Immobilienbewertung, 5. Auflage, Köln 2015, S. 178f.
Kröll, R., Hausmann, A., Rolf, A.: Rechte und Belastungen in der Immobilienbewertung, 5. Auflage, Köln 2015, S. 177f.

Über den Autor:

Jörn Busche,
Vorstand ImmoWert Bewertungsgesellschaft AG, ist öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für die Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken.

Der Beitrag ist erstmals in der NJW 14/23 erschienen.

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