Automatisierung: Potenziale in Anwaltskanzleien - Ein Best Practice-Ansatz

von Susann Seyfried

Seit dem Beginn des Legal-Tech Hypes träumt so manche Kanzlei von der Automatisierung. Anderen wiederum macht es Angst. Gerade kleineren und mittelständischen Kanzleien treibt das Thema die Schweißperlen auf die Stirn.

Grund dafür ist nicht nur die Vorstellung irgendwann seine Daseinsberechtigung als Anwalt zu verlieren, sondern das Wissen darum, wie mühsam Veränderungsprozesse in Kanzleien anzustoßen sind.

Automatisierung eines Peoples-Business

Mit der Automatisierung in Deutschlands Anwaltskanzleien ist es nicht anders als mit der Automatisierung in Arzt-Praxen. Es gibt solche und solche.

Viele, die noch Aktenberge durch die Kanzleien bewegen und einige, die bereits via Terminal-Lösungen arbeiten, hippe Hackathons veranstalten und ein Maximum an Automatisierung anstreben.

Zwischen diesen beiden Extremen gibt es die große Zahl derer, die einfach unsicher sind. Sie sind überfordert mit Legal-Tech-Angeboten und Software-Produkten, die ihnen Vereinfachung versprechen oder mit dem Versprechen neuer Mandate locken.

Sie oder die Seniorpartner in der Kanzlei, sind vielleicht sogar zutiefst überzeugt davon, dass Digitalisierung überhaupt nicht möglich sei, weil gerade die eigene Beratung besonders und einzigartig ist. Zukunftsgerichteten Kanzleien allerdings ist zu empfehlen, sich gedanklich vorzuwagen und Prozesse zu identifizieren, die – vielleicht auch durch Automatisierung – optimiert werden können.

Quelle für Potenziale: Kanzleiorganisation

In den meisten Kanzleien ist der Grad der Kanzleiorganisation noch gering.

Es werden Prozesse unreflektiert gelebt und vielleicht fühlt sich auch keiner zuständig. Die Kanzleiorganisation allerdings ist genau die Quelle zur Identifikation von Automatisierungs-Potenzialen. Wer beispielsweise ein gutes, jederzeit aktuelles, Prozess-Handbuch hat und über dieses Handbuch auch mit den Mitarbeitern im Dialog steht, erkennt Schwächen schneller und kann auch schneller neue Möglichkeiten erkennen. Es muss ja nicht gleich eine Zertifizierung sein (hat sich ohnehin nicht durchgesetzt), aber Automatisierungspotential besteht dort, wo sich Prozesse wiederholen und diese erkennt man im Rahmen der Erstellung eines Kanzleihandbuches recht schnell.

Möglichkeiten für Automatisierung in Anwaltskanzleien

Automatisierung kann in grundlegend drei groben Richtungen erfolgen:

1. Die Automatisierung der eigenen Kanzlei, der inneren Abläufe und Prozesse.

Hierunter fallen alle qualitätssichernden und effizienzsteigernden Bereiche wie die automatische Zeiterfassung, das ebilling oder auch die Nutzung von elektronischen Rechtssprechungs-Datenbanken.

2. Die Automatisierung der anwaltlichen Leistungserbringung oder Teilen davon.

Gemeint sind hier zum Beispiel die automatisierte Vertragserstellung, die Möglichkeiten zur Kollaboration (zum Beispiel auch mit Unternehmens-Mandanten) oder automatisierte Zugriffe auf Wissensdatenbanken.

3. Der Automatisierungs-Gedanke als Grundlage neuer, digitaler Geschäftsmodelle.

Die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle ist das Hauptmotiv vieler Legal-Tech-Angebote. Im Zentrum steht der Gedanke, über zum Beispiel neue Services auch neue Mandate zu akquirieren. Das kann eine automatisierte Risiko-Analyse sein oder auch die automatisierte Frage nach Schadensersatzansprüchen oder der Compliance-Prävention. Hier gibt es sehr viele Angebote, die allerdings in die bestehenden Kanzlei-Anwendungen eingebunden werden müssen.

Für den ersten Schritt ist es empfehlenswert, mit der Automatisierung der eigenen Kanzlei und der inneren Abläufe zu beginnen. Nur wer seine eigenen Prozesse zur Leistungserbringung ohne Medienbrüche, effizient und schnell hält, kann an weitere Schritte denken. Rückgrat der internen Automatisierung ist eine – bei mehreren Standorten einer Kanzlei – an allen Standorten gleiche Kanzleimanagement-Software.

Bereits die Implementation einer solchen zwingt zu prozessualem Denken und neuer Perspektive und wirft Fragen, aber auch viele ausbaufähige Ideen der Automatisierung auf.

Hemmnisse der Automatisierung

Die Hemmnisse der Automatisierung liegen nicht selten im Kanzleiinneren. Häufig ist ein Mangel an Kommunikation und Kompetenzübertragung ein Hemmnis, aber auch ein schlechtes Projektmanagement. Nicht selten steht ein antiquiertes und stark analoges Denken fruchtbaren Projekten im Wege.

Gerade auch mittelständische und kleinere Kanzleien sehen sich eher als „follower“ denn als „first mover“. Allerdings hätten die kleineren Einheiten in der aktuellen Phase sehr gute Innovations-Chancen, denn die Entscheidungsstrukturen innerhalb der Kanzlei sind meist nicht komplex. Sie könnten, ein ehrliches Innovations- und Investitions-Vorhaben vorausgesetzt, echte Vorsprünge realisieren.

Über die Autorin:

Susann Seyfried
ist Director Marketing der
STP Informationstechnologie AG
in Karlsruhe