Kanzleiorganisation als essenzieller Bereich der Digitalisierung

von Andreas Hermanutz

Kollaboration ist für Steuerkanzleien ein Stichwort der Stunde. Sowohl die interne als auch externe Kollaboration verändern sich und machen aufgrund geänderter Prozessabläufe ein Umdenken bei der Kanzleiorganisation notwendig. Die daraus resultierenden Anliegen sind vielschichtig und reichen von der Arbeitszeiterfassung bis zur reibungslosen Einbindung von Drittanbieter-Apps.

Bei den Themen Kollaboration und Kanzleiorganisation gibt es zwei Blickwinkel: Einen internen und einen externen. Beide halten neue Aufgaben für Steuerkanzleien bereit und bieten zugleich Anreize, entsprechende Module für die Kanzleiorganisation einzusetzen, Prozesse neu zu denken und zu digitalisieren.

Die internen Prozesse: unternehmerisches Handeln und betriebliche Effizienz

Die interne Organisation ist ein Thema, das Kanzleien seit ihrem Bestehen betrifft. Denn am Ende sind auch sie Wirtschaftsunternehmen und jeder Kanzleiinhaber weiß, wie wichtig die Kanzleiorganisation ist, um unternehmerisch zu arbeiten. Von einem Steuerberater stammt der Spruch, er arbeitete an der Kanzlei, nicht in der Kanzlei.

Grundlage für die Arbeit an der Kanzlei sind ausreichende Einblicke in das Unternehmen und die liefert nur eine leistungsfähige, digitale Kanzleiorganisation. Ein zentrales Beispiel ist die vernünftige Zeiterfassung auf Mandanten- und Tätigkeitsebene. Denn im Detail wissen viele Kanzleiinhaber nicht, welches Gewerk wirtschaftlich ist und welches nicht. „In der Regel passt es unter dem Strich ja“, mag sich der eine oder andere denken. In der Tat ist das oft der Fall – Verluste bei der Erstellung der laufenden Finanzbuchhaltung werden etwa mit den Gebühren für den Jahresabschluss ausreichend kompensiert.

Diese Haltung wird spätestens dann kritisch, wenn sich Wettbewerbsbedingungen verändern. Oft gibt es Optimierungsmöglichkeiten und -bedarf, sowohl bei Belegschaft als auch bei Mandanten. Die Kanzleiorganisation ist dafür da, Tätigkeiten und
Kapazitäten der Mitarbeiter zu planen und zu verwalten sowie die Rentabilität der einzelnen Mandanten und Tätigkeiten zu untersuchen und zu verbessern. Nur mit den richtigen Zahlen lässt sich die eigene Arbeit optimieren – eine Kanzlei ohne Kanzleiorganisation ist zu vergleichen mit einem Mittelständler ohne Kostenrechnung oder Preiskalkulationen.

Um bei der Zeiterfassung zu bleiben: Ein Beispiel für ihre Vorteile ergibt sich aus den Abrechnungen. Wenn der Steuerberater weiß, welcher Kunde wegen schlecht sortierter Unterlagen und oft fehlender Unterlagen mehr Zeit kostet, kann er preisliche Anpassungen nach oben vornehmen. Kunden, die wenig Aufwand verursachen, könnten wiederum mit niedrigeren Abrechnungen „belohnt werden“.

Unabhängig von mehr Rentabilität und Transparenz bei den Kunden profitiert die interne Organisation von digitalen Lösungen. Das gilt für die Zeiterfassung, CRM-Systeme für die Kundenbeziehung statt Excel-Tabellen, digitale Personalakten und Employee Self Services statt eines analogen Urlaubsantrags.

Eine digitale Kanzleiorganisation stärkt am Ende die Kanzlei, optimiert und entlastet beim Verwaltungsaufwand – gerade kleinere Kanzleien profitieren dabei deutlich.

Die externen Prozesse: Kollaboration und Arbeitsteilung

In Bewegung geraten ist insbesondere die Kollaboration mit Kunden. Diese läuft auf eine neue Arbeitsteilung hinaus, die im Grunde im Interesse der Kanzlei ist. Bei dieser Arbeitsteilung bleiben Vorbehaltsaufgaben erhalten, während sich für Unternehmer Möglichkeiten ergeben, Ihre administrativen Aufgaben zu vereinfachen und zu professionalisieren.

Auffälligstes Beispiel: In der Vergangenheit kamen kostspielige ERP- Lösungen nur ab einer gewissen Unternehmensgröße zum Tragen, bei der entsprechend ausgebildetes Fachpersonal für Finanz- und Lohnbuchhaltungsleistungen vorhanden ist. Inzwischen hingegen ermöglichen günstige Online-Applikationen Hilfestellungen insbesondere für kleinere Betriebe. Sei es zur Rechnungserstellung, zur Erfassung der Eingangsrechnungen, zur Zeiterfassung der Mitarbeiter u.v.m. Der Einsatz dieser Applikationen macht den traditionellen „Belegtourismus“ hinfällig. Es gibt keinen klaren Schnitt mehr, an dem der Mandant einen Pendelordner
abgibt und die Kanzlei mit der Leistungserbringung beginnt. Der Mandant wird durch die Nutzung dieser Applikationen plötzlich in die Abläufe integriert. Moderne Lösungen für die Kanzleiorganisation müssen diese Arbeitsteilung und die Einbindung des Mandanten in die Prozessabläufe der Kanzlei leisten.

Grundsätzlich sollten Steuerberater solchen Apps positiv gegenüberstehen.
Viele tun dies und empfehlen ihren Mandanten aktiv, diese zu nutzen – weil die Vorteile überwiegen. Wenn vorbereitende Tätigkeiten vom Mandanten in bereits digitaler Form erstellt werden, kann die Kanzlei diese Daten einspielen und veredeln. Der Prozess ist damit standardisiert, durch ausbleibende manuelle Mehrfacherfassung fehlerreduziert und konsequenterweise wesentlich effizienter. Es macht in der Tat keinen Sinn,
einen bereits digital eingegangenen Beleg auszudrucken, vielleicht
erneut einzuscannen und zu verbuchen.

Wer als Steuerberater das Risiko sieht, dass beispielsweise mandantengenutzte Online-Applikationen zur Fibu-Erfassung mehr und mehr seine Tätigkeit in diesem Bereich ersetzen, sollte sich folgende Fragen stellen: 1. Kann die Entwicklung überhaupt verhindert werden? 2. Ist es aufgrund des Fachkräftemangels nicht sogar positiv, wenn der Mandant Tätigkeiten übernimmt, die nicht zu den Vorbehaltsaufgaben gehören, deshalb einem hohen Preisdruck unterliegen und seine Fachleute stattdessen für wesentlich rentablere Tätigkeiten verfügbar sind? 3. Braucht es nicht vielmehr neue Geschäftsmodelle in der Steuerberatung, um dieser
Entwicklung gerecht zu werden (Stichwort: Compliance-Prüfungen)?

Digitale Kollaboration, digitale Lösungen und neue
Prozessabläufe gehen Hand-in-Hand

Durch die digitale Kollaboration wird in der Regel die Mandantenbeziehung enger. Belege stehen digital zur Verfügung und werden kontinuierlich verarbeitet. Das wiederum erlaubt zum einen eine bessere Abstimmung und bedeutet in der Kanzlei eine besser verteilte Arbeitslast als der Ordner, der einmal im Monat aufläuft. Zum anderen kann der Mandant jederzeit aktuelle Auswertungen einsehen und weiß, wie es um seine Finanzen steht.

All dies erfordert eine Neuausrichtung der Prozessabläufe. Im Mandantengespräch oder zu Beginn einer neuen Mandantenbeziehung werden die Aufgaben und damit die Verantwortlichkeiten verteilt. Möchte ein Mandat möglichst geringe Gebühren, übernimmt er mehr Aufgaben, trägt damit die Verantwortung und der Steuerberater kann aktiv seine Haftung beschränken. Anhand eines Tätigkeitskataloges kann so mit dem Mandanten die Leistung und damit letztlich der Preis festgehalten werden. Um diese verteilten Aufgaben zu managen, erfordert es neue Werkzeuge
im Rahmen der Kanzleiorganisation.

Fazit

Die Digitalisierung bietet Kanzleien allgemein mehr Vor- als Nachteile. Ein wichtiger Teil dieser Digitalisierung ist die Kanzleiorganisation. Wem verbesserte kanzleiinterne Prozesse als Anreiz für einen Umstieg auf digitale Module nicht genügen, der sollte die zunehmende Arbeitsteilung nicht aus dem Blick verlieren. Diese ist gekommen, um zu bleiben. Steuerberater tun deshalb gut daran, sie anzunehmen und nicht abzuwehren. Gerade jüngere
Mandanten und Unternehmer werden von Apps und Tools Gebrauch machen. Für die Steuerberater ein Aufruf, sich diesem Thema zu stellen. Im Interesse von Kanzlei, Mandanten und Wettbewerbsfähigkeit.

Über den Autor:

Andreas Hermanutz
Geschäftsführer
bei Wolters Kluwer Software und Service GmbH

Quelle DStR 40/2020