Medienarbeit der Justiz: Viel Luft nach oben

Antonia Pitsch, die den Masterstudiengang „PR und Integrierte Kommunikation“ an der Donau-Universität Krems absolviert im Gespräch mit Susanne Kleiner, freie PR-Beraterin, Texterin, Journalistin und Mediatorin, München

Antonia Pitsch hat in ihrer Bachelorarbeit die Medienarbeit der Justiz unter die Lupe genommen. Im Gespräch mit Susanne Kleiner geht die Kommunikationsexpertin auf den Handlungsbedarf in Sachen Medienkompetenz für Staatsanwaltschaften und Kanzleien ein. Und sie legt dar, welche Chancen eine professionelle PR-Arbeit offenbart.

Welche Kernerkenntnisse haben Sie aus Ihrer Bachelorarbeit gewonnen?

In der Medienarbeit der Justiz ist viel Luft nach oben. Oder anders ausgedrückt: Der Optimierungsbedarf ist groß.

Es beginnt schon damit, dass sich die Vorgaben und Richtlinien der Bundesländer dazu stark voneinander unterscheiden. Ein anderer Punkt ist: Behörden geben keine klaren Linien vor.

Die Kommunikationsqualität leidet auch darunter, dass sich Presseverantwortliche und Juristen gegenseitig fachlich nicht verstehen. In den meisten Fällen ist es so, dass Pressedezernenten nicht ausreichend qualifiziert sind. Auch den Medienvertretern fehlt das Verständnis für die Arbeit der Justiz, was immer wieder zu Missverständnissen führt.

Dazu kommt, dass Netzwerke, die Beziehungen zwischen Repräsentanten der Justiz und Journalisten stärken, nicht existieren oder zu schwach sind.

Wie hat sich die Bedeutung der Pressearbeit für die Staatsanwaltschaften in den letzten Jahren verändert und warum?

Wir leben in einer Mediengesellschaft, das heißt: Die Medienberichterstattung prägt das Bild der Justiz in der Öffentlichkeit immer mehr. Und die Öffentlichkeit hat ein reges Interesse an allen Themen rund um Recht und Gerechtigkeit. Einzelschicksale oder gravierende Wirtschaftsverfahren stehen besonders hoch im Kurs. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass die Justizbehörden nicht umhin kommen, professionell mit den Medien zu kommunizieren.

Gleichzeitig sind die wenigsten Mitarbeiter in Staatsanwaltschaften für PR- und Öffentlichkeitsarbeit ausreichend auf ihre Posten vorbereitet. Gute Pressearbeit folgt klaren Regeln.

Professionelle Kommunikation fällt nicht vom Himmel. Dies erkennen einige Justizbehörden und bieten Seminare an, um die Kommunikation zu professionalisieren. Das ist ein Anfang. Der Optimierungsbedarf ist riesig und schließlich sollte der Anspruch an die Qualität der Medienkommunikation überall und ohne Ausnahmen hoch sein und auch so erlebt werden.

Was bedeutet die mediale Aufmerksamkeit für Anwälte und deren Mandanten?

Die Konsequenzen liegen auf der Hand. Medienaffine Anwälte wissen darüber Bescheid, wie es um die Auskunftspflicht der Justiz gegenüber den Medien bestellt ist. So sind sie in der Lage, frühzeitig einzuschätzen, welche Informationen fließen. In jedem Fall sickern Informationen durch, auch wenn die Behörden keine aktive Medienarbeit betreiben.

Das gilt besonders, wenn Dramatik, Gewalt, Sex oder Prominenz – also Nachrichtenfaktoren mit Sprengkraft – die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Ich halte es außerdem für ein großes Plus in der Beratung, wenn Anwälte ihre Mandanten auf absehbare Berichterstattungen vorbereiten und das Worst-Case-Szenario vorwegnehmen. Wer weiß, dass die Presse bei der Verhandlung anwesend ist, bereitet sich kommunikativ und auch mental darauf vor.

Wer brisante Fälle betreut, erarbeitet bestenfalls vorab ein medientaugliches Statement und eine Strategie samt Presseunterlagen im Bedarfsfall, um die Reputation des Mandanten zu schützen.

Wie entwickeln Kanzleien ihre Rolle als gute Kommunikatoren?

Kommunikationsstarke Kanzleien bauen starke Netzwerke auf oder sie verbessern ihre bestehenden Verbindungen in Wirtschaft, Politik und zu Verbänden. Und selbstverständlich sind Kontakte zu Medienvertretern zentral.

Wer bei Redakteuren präsent ist, baut Vertrauen auf und fördert das Verständnis für die juristische Sicht der Dinge. Medienaffine Anwälte verleihen der professionellen PR-Arbeit Gewicht. Viele größere Kanzleien haben eigene Stellen für Pressereferenten besetzt.

Nicht nur in kleineren Büros, ganz generell gilt: Es ist von Vorteil, wenn sich Anwälte in puncto Presse- und Medienarbeit fit machen und wenn sie als Ansprechpartner für Presseanfragen erkennbar sind. Das betrifft die Kanzlei-PR, um die anwaltliche Kompetenz und die Rechtsexperten selbst in den Fokus zu rücken.

Andererseits stehen hier medienrelevante Mandate im Mittelpunkt. Damit steigt auch die Verantwortung, das öffentliche Ansehen des Mandanten nicht oder nicht noch mehr zu gefährden.

Welche Erfolgsfaktoren benennen Sie für die Pressearbeit von Kanzleien generell?

Die Presse bestimmt das öffentliche Meinungsbild. Gut genutzt, unterstützt Medienarbeit Kanzleien dabei, sich selbst medial in das richtige Licht zu rücken.

Konkret heißt das: PR-starke Kanzleien bauen gezielt Kontakte in Redaktionen auf und pflegen sie. Sie nehmen proaktiv Themen mit Nachrichten- und Mehrwert für Mediennutzer vorweg und kommunizieren aktiv – und zwar regelmäßig. Sie bereiten Pressetexte redaktionell auf und bringen die Juristensprache in eine medientaugliche, verständliche Form. Versierte Kommunikatoren formulieren Statements gehaltvoll und auf den Punkt.

Es liegt in der Natur der Sache, dass Journalisten auf der Jagd nach guten Storys sind. Wer partnerschaftlich und professionell mit den Medien zusammenarbeitet, hat gute Chancen, die Berichterstattung in wesentlichen Teilen mitzusteuern und sich selbst als verantwortungsvollen Partner zu positionieren.

www.susanne-kleiner.de/

www.trainings-workshops-seminare.de/

Foto oben: Pixabay/Morgan4uall

Quelle BECK Stellenmarkt 9/2018