Syndikus bei regionalen Arbeitgeberverbänden

von Dirk Widuch

Die Geschichte von Arbeitgeberverbänden reicht bis in das 19. Jahrhundert zurück. Sie waren mit den Gewerkschaften zusammen die Ersten, die sich mit dem kodifizierten Arbeitsrecht ausschließlich befasst und durch das Aushandeln von Tarifverträgen rechtsgestaltend gewirkt haben. Heute sind Arbeitgeberverbände moderne Dienstleistungsorganisationen, die Juristinnen und Juristen ein enorm abwechslungsreiches und breites Arbeitsfeld bieten. Dieser Beitrag befasst sich mit dem forensisch arbeitenden Syndikusrechtsanwalt1 in einem regionalen Arbeitgeberverband.

Breites und abwechslungsreiches juristisches Arbeitsfeld

Das Berufsbild des Syndikus bei regionalen Arbeitgeberverbänden ist vielen Studierenden, Referendarinnen und Referendaren nicht (mehr) bekannt. Zumindest wird unterschätzt, wie breit angelegt und abwechslungsreich diese Tätigkeit ist. Hier steht die direkte Firmenberatung vor Ort im Fokus. Wer klassische anwaltliche Tätigkeit mag, sowohl für weltweit agierende Konzernunternehmen, den Mittelstand und auch in Startups tätig sein will, eigenverantwortlich und direkt mit den Unternehmen arbeiten möchte und auch Spaß an der Wissensvermittlung als Referentin oder Referent hat, der ist hier richtig.

Spezialkompetenz im Tarifvertragsrecht

Die Verhandlung, Gestaltung und Anwendung von Tarifverträgen in unterschiedlichsten Branchen ist Kernaufgabe von Arbeitgeberverbänden, sowohl bei Flächentarifverträgen als auch bei Haustarifverträgen. Hier sind die Verbandsanwälte als Verhandler oder als Berater der Verhandler gefragt. Verhandlungsgeschick, Menschenkenntnis, taktisches Gespür und natürlich auch vertieftes arbeitsrechtliches Wissen ist bei der Ausgestaltung dieser Kollektivverträge erforderlich. Auch die Anwendung der Tarifverträge, die mittlerweile teilweise sehr komplex sind, erfordert spezialisiertes Wissen der Verbandsanwälte.

Typischer Arbeitstag eines Verbandsanwalts

Ein Arbeitstag kann zum Beispiel mit einer grundlegenden Beratung in einem kleinen Unternehmen über einfache individualrechtliche Themen wie z.B. Fragen der Arbeitsvertragsgestaltung, Zeugnisfragen oder Fragen der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses beginnen, sich über einen Gerichtstermin für ein Mitgliedsunternehmen bei einem Arbeitsgericht oder Landesarbeitsgericht fortsetzen und nach der Bearbeitung alltäglicher Anfragen aus der Mitgliedschaft mit einer Besprechung mit anderen Juristen aus der Rechtsabteilung eines Großunternehmens über ein komplexes arbeitsrechtliches Thema enden.

Andere Tage sind geprägt von der Begleitung und/oder Führung von Verhandlungen mit Betriebsräten in Unternehmen oder mit der Gewerkschaft oder von der Durchführung arbeitsrechtlicher Seminare und Workshops.

In den Unternehmen hat man je nach Unternehmensgröße, mit unterschiedlichsten Ansprechpartnern zu tun. Das können in großen Unternehmen ebenfalls Juristinnen, Juristen oder HR- Profis sein, aber in kleineren Unternehmen auch Personen, die die Personalarbeit neben vielen anderen Aufgaben noch miterledigen. Sie müssen in der Lage sein, jede Art betrieblicher Sachverhalte zu erfassen, arbeitsrechtlich zu beurteilen und Recht in die Praxis zu übersetzen. Das arbeitsrechtliche Niveau, das dabei abgefordert wird, reicht von „Einfach“ bis zum juristischen „Hochreck“.

Direkter Firmenkontakt – eigenverantwortliches Arbeiten - Teamwork

Eine Verbandsanwältin z.B. arbeitet direkt mit den Ansprechpersonen der Mitgliedsunternehmen, hat also direkten Firmenkontakt. Dadurch kann sie mit den Ansprechpartnern gemeinsam Lösungen arbeitsrechtlicher Probleme entwickeln und ist auch an der Umsetzung direkt beteiligt. Das eigenverantwortliche Arbeiten wird also ganz großgeschrieben. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Arbeitsalltag allein bewältigt werden muss. Arbeitgeberverbände beschäftigen in ihren Rechtsabteilungen meist mehrere Syndikusrechtsanwälte. Teamarbeit und der Austausch über die jeweiligen zu bewältigenden Aufgaben sind immer möglich.

Den Fachanwalt für Arbeitsrecht nebenbei?

Die sehr stark forensisch ausgerichtete Tätigkeit ermöglicht den Erwerb eines breiten Erfahrungsschatzes innerhalb kurzer Zeit. Neben dem klassischen Individualarbeitsrecht sind auch zahlreiche kollektivrechtliche Fragestellungen regelmäßig zu beraten oder vor Gericht zu vertreten. Deshalb können auch Berufseinsteiger die für den Erwerb des Titels „Fachanwalt für Arbeitsrecht“ notwendigen Fallzahlen innerhalb kurzer Zeit erreichen. Der Erwerb dieser zusätzlichen Berufsbezeichnung wird von vielen Arbeitgeberverbänden finanziell und/oder durch Freistellungen unterstützt.

Die Beratung ist von Pragmatismus und Lösungsorientierung geprägt. Die Mitgliedsunternehmen erwarten Vorschläge, wie bestimmte Aufgaben und Probleme zu lösen sind. Seitenlange Gutachten sind nur ausnahmsweise gefragt.

Familienfreundlichkeit und Worklife-Balance

Arbeitszeitmodelle jeder Art und jeden Umfangs, eine attraktive Vergütung mit vielen Nebenleistungen und Zeit für ein Privatleben runden das interessante Gesamtbild des Berufs des Syndikusrechtsanwalts bei regionalen Arbeitgeberverbänden ab. Kennenlernen kann man diese Tätigkeit schon im Rahmen studentischer Praktika und Nebentätigkeiten oder in der Referendarausbildung.

                                        
1 Der Beitrag verwendet aus Gründen der besseren Lesbarkeit abwechselnd entweder die männliche oder die weibliche Form. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten aber für alle Geschlechter (m/w/d)

Über den Autor:

Dirk Widuch
ist Syndikusrechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht. Er ist Geschäftsführer der Arbeitgeberverbände HESSENMETALL Darmstadt und Südhessen und des Unternehmerverband Südhessen in Darmstadt, in denen mehr als 430 Unternehmen mit mehr als 80.000 Beschäftigten Mitglied sind. Zuvor hat er viele Jahre als Verbandsanwalt und Leiter der Rechtsabteilung zweier Arbeitgeberverbände gearbeitet.

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