Aufgabenbereiche des Fachanwalts für Mietrecht – ein Einblick in die Praxis

Jan-Rasmus Schultz, Diplom-Jurist und Promotionsstudent an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

In Deutschland lebt fast jeder zweite Bürger in einer Mietwohnung. Dies ist nicht nur ein Wert, der deutlich über dem EU-Durchschnitt – knapp 30% – liegt. Er erklärt auch, weshalb dem Mietrecht in der anwaltlichen Praxis eine enorme Bedeutung zukommt und daher unzählige Kanzleien deutschlandweit auf das Mietrecht spezialisiert sind.

Die Spanne der anwaltlichen Tätigkeit reicht hierbei von der Prüfung mietvertraglicher Klauseln über die Wirksamkeitsprüfung einer Kündigung bestehender Mietverhältnisse bis hin zu der Beratung des Mieters oder Vermieters in mietrechtlichen Belangen aller Art. Die für die Tätigkeit des Fachanwalts im Mietrecht maßgeblichen Regelungen sind hauptsächlich in den §§ 535 ff. BGB sowie in der Betriebskostenverordnung enthalten. Zu beachten ist, dass das Mietrecht wie kaum ein anderes Rechtsgebiet durch die Rechtsprechung konkretisiert und geprägt ist, insbesondere im Rahmen der Prüfung der Wirksamkeit mietvertraglicher Renovierungs- und Instandhaltungsklauseln.

Wirksamkeitsprüfung mietvertraglicher Klauseln

Der Fachanwalt für Mietrecht sieht sich in der Praxis mit einer stets wiederkehrenden Fallkonstellation konfrontiert: Wird ein bestehendes Mietverhältnis durch Kündigung des Mieters beziehungsweise des Vermieters oder etwa durch Zeitablauf beendet, ist die Mietsache gemäß § 546 Abs. 1 BGB von dem Mieter an den Vermieter zurückzugeben. Allerdings ist in § 546 Abs. 1 BGB nicht normiert, in welchem Zustand die Mietsache an den Vermieter zurückzugeben ist. Enthält der dem Mietverhältnis zugrunde liegende Mietvertrag keine Regelung bezüglich des Zustandes, den die Mietsache im Zeitpunkt der Übergabe aufweisen soll, so ist sie nach der Rechtsprechung in einem ordnungsgemäßen Zustand zurückzugeben.

Enthält der Mietvertrag hingegen Regelungen, die den Zustand der Wohnung im Zeitpunkt der Übergabe betreffen und den Mieter zu der Vornahme von Schönheits- oder Reparaturmaßnahmen verpflichten, sind diese Klauseln auf ihre Wirksamkeit hin zu prüfen.

Der Begriff der Schönheitsreparaturen umfasst diejenigen Instandsetzungsarbeiten, die im Innenbereich der Wohnung infolge des vertragsgemäßen Gebrauchs der Mietsache durch den Mieter entstehen, wie etwa das Streichen der Innenwände. Zwar obliegt die Vornahme von Schönheitsreparaturen dem gesetzlichen Leitbild folgend dem Vermieter, da diesen neben der Pflicht zur Gebrauchsüberlassung auch die Pflicht zum Erhalt der Mietsache gemäß § 535 Abs. 1 S. 2 BGB trifft. Allerdings kann der Vermieter nach höchstrichterlicher ständiger Rechtsprechung die Pflicht zur Vornahme von Schönheitsreparaturen auf den Mieter übertragen, sofern diese Übertragung auf einer wirksamen vertraglichen Vereinbarung basiert.

Eine solche Vereinbarung kann entweder durch den Abschluss eines formularmäßigen Mietvertrags oder individualvertraglich getroffen werden. In der Praxis geschieht dies in der Mehrzahl aller Fälle durch den Abschluss formularmäßiger Mietverträge, die als Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 305 Abs. 1 S. 1 BGB einzustufen und daher einer Inhaltskontrolle nach Maßgabe der §§ 307 ff. BGB zu unterziehen sind. Der Fachanwalt hat daher zu prüfen, ob die mietvertraglichen Klauseln den Mieter unangemessen benachteiligen und unwirksam sind, sodass der Mieter nicht zu der Vornahme von Schönheitsreparaturen verpflichtet ist. Eine Wirksamkeitsprüfung ist darüber hinaus auch bei der Kündigung eines Mietverhältnisses vorzunehmen.

Kündigung des Mietverhältnisses

Ein bestehendes Mietverhältnis kann durch ordentliche beziehungsweise außerordentliche Kündigung oder dadurch beendet werden, dass der Mieter ein Sonderkündigungsrecht, etwa infolge der Ankündigung von Modernisierungsmaßnahmen durch den Vermieter, ausübt. Am bekanntesten ist allerdings die sogenannte Eigenbedarfskündigung gemäß § 573 Abs. 2 S. 2 BGB, demzufolge dann ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses vorliegt, wenn er die Räume für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt.

Unter Beachtung der Eigentumsgarantie des Vermieters gemäß Art. 14 GG ist die Eigenbedarfskündigung zulässig, wenn der Vermieter selbst oder eine andere im Sinn des § 573 Abs. 2 S. 2 BGB begünstigte Person die Wohnung nutzen möchte und der Vermieter dafür vernünftige und nachvollziehbare Gründe hat. Im Umkehrschluss dazu ist die Eigenbedarfskündigung unwirksam, wenn die durch den Vermieter vorgetragenen Gründe unschlüssig sind und willkürlich erscheinen. Im Falle des Vorliegens einer Eigenbedarfskündigung ist der Fachanwalt folglich darauf angewiesen, alle für die Prüfung der Plausibilität beziehungsweise Willkür der Kündigung maßgeblichen Umstände aufzudecken, um die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit der Kündigung feststellen zu können.

Die Prüfung der Wirksamkeit mietvertraglicher Klauseln einerseits sowie der eines ausgeübten Kündigungsrechts andererseits stellen den Schwerpunkt der anwaltlichen Tätigkeit im Mietrecht dar. Gelegentlich wird der Fachanwalt zudem mit Beratungsangelegenheiten betraut, etwa dann, wenn ein Mietobjekt verkauft oder modernisiert werden soll. Zusammenfassend betrachtet stellt das Mietrecht somit ein lebensnahes und vielfältiges Tätigkeitsfeld dar, das durch eine überdurchschnittlich hohe Fallzahl geprägt ist und daher mit einer hohen Vergütung aufwarten kann.

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Quelle BECK Stellenmarkt 4/2017