Berufsbilder: Der Insolvenzverwalter

von Malte Drews, Diplom-Jurist und Promotionsstudent an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

„Die Auslese des Verwalters ist die Schicksalsfrage des Konkurses.“
– Ernst H. Jaeger, 1939

Diese wichtige Feststellung ist heute ebenso relevant wie damals. Der Insolvenzverwalter ist im Insolvenzverfahren die Zentralgestalt, die mit einer umfassenden Rechtsmacht ausgestattet ist, gleichzeitig aber auch diverse Pflichten erfüllen muss und im Verfahren eine große Verantwortung trägt. Dabei ist das Arbeitsspektrum des Insolvenzverwalters ausgesprochen groß und häufig reichen juristische Kenntnisse allein nicht aus, um die Aufgaben eines Insolvenzverwalters zu bewältigen.

Das Insolvenzverfahren

Kann ein Schuldner seine Verbindlichkeiten nicht mehr bezahlen, so ist er insolvent. Folge dessen ist grundsätzlich die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über sein Vermögen. Ziel ist es, die Gläubiger möglichst umfassend zu befriedigen und – handelt es sich bei dem Schuldner um eine natürliche Person – dem Schuldner nach einer gewissen Wohlverhaltensphase seine nicht befriedigten Schulden zu erlassen, damit dieser gewissermaßen einen Neustart machen kann (§ 1 InsO). Zur Erreichung dieser Ziele ist es erforderlich, dass der Insolvenzverwalter die Masse bestmöglich vermehrt.

Die Bestellung zum Insolvenzverwalter

Das Gesetz verknüpft mit dem Beruf des Insolvenzverwalters kein bestimmtes Studium oder spezifische Ausbildung, so dass neben Rechtsanwälten häufig auch Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer als Insolvenzverwalter tätig werden. Aufgrund der umfassenden Kenntnisse, die ein Insolvenzverwalter haben muss, ist es regelmäßig erforderlich, dass jemand, der dies werden möchte, an einer Vielzahl von Insolvenzverfahren eines anderen Verwalters mitgearbeitet haben muss, bevor er durch ein Gericht selbst gemäß § 56 InsO zum Insolvenzverwalter bestellt wird.

Die Arbeit des Insolvenzverwalters

Die Arbeit des Insolvenzverwalters lässt sich grob in zwei Teile gliedern:
Der eine Teil beinhaltet die Tätigkeiten vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, der zweite Teil die anschließende Durchführung des eigentlichen Insolvenzverfahrens.

Vor Insolvenzverfahrenseröffnung

Zum Teil werden Insolvenzverwalter bereits vor Antragsstellung durch einen Schuldner im Rahmen von Sanierungsbemühungen zu Rate gezogen, um eine möglicherweise drohende Insolvenz doch noch abwenden zu können.
Wurde bereits ein Insolvenzantrag gestellt, das Verfahren aber noch nicht eröffnet, so kann das Gericht einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellen. Dieser hat die Aufgaben im Sinne des § 22 InsO zu erfüllen. Das heißt, er muss insbesondere das Vermögen des Schuldners sichern und erhalten, bis über die Verfahrenseröffnung entschieden wurde.

Nach Verfahrenseröffnung

Wenn das Insolvenzerfahren eröffnet wird, bestimmt das Gericht mit dem Eröffnungsbeschluss einen Insolvenzverwalter (§ 27 InsO). Wurde bereits ein vorläufiger Verwalter bestellt, wird dieser regelmäßig auch zum endgültigen Verwalter bestellt. Dabei ist die Hauptaufgabe des Verwalters die Verwertung des schuldnerischen Vermögens, um die Gläubiger möglichst umfassend zu befriedigen. Dafür hat er verschiedene Möglichkeiten:

Der Übergang der Verfügungsbefugnis

Spätestens mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht gemäß § 80 Abs. 1 InsO die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des schuldnerischen Vermögens auf den Verwalter über. Ab diesem Zeitpunkt kann nur noch der Insolvenzverwalter Gegenstände des Schuldners veräußern. Auf diese Weise soll das noch vorhandene Vermögen im Sinne der Gläubiger vor nachteiligen Handlungen des Schuldners geschützt werden und gleichzeitig dem Verwalter ermöglichen, die Insolvenzmasse durch mögliche Veräußerungen zu vermehren.

Das Wahlrecht des Verwalters

Neben dem Übergang der Verfügungsbefugnis steht dem Verwalter als Maßnahme auch das Wahlrecht gemäß § 103 InsO zur Seite. Hierbei kann der Verwalter bei bestimmten Verträgen, die der Schuldner mit Dritten geschlossen hat, entscheiden, ob er diese erfüllen möchte oder ob er die Erfüllung ablehnt. Stimmt der Verwalter der Vertragserfüllung zu, wird der Dritte Massegläubiger mit dem Resultat der bevorzugten Befriedigung seiner Ansprüche. Lehnt der Verwalter dagegen die Erfüllung ab, können von besagtem Dritten eventuelle Ansprüche nur als „gewöhnliche“ Insolvenzforderungen geltend gemacht werden.

Die Insolvenzanfechtung

Auch die Insolvenzanfechtung gemäß §§ 129 ff. InsO stellt ein Mittel des Verwalters zur Vergrößerung der Insolvenzmasse dar. Mit der Insolvenzanfechtung können unter Umständen Zahlungen oder sonstige Handlungen, die bis zu zehn Jahre vor Insolvenzantragstellung erfolgten, rückgängig gemacht werden, wenn sie zum Nachteil der Gläubiger erfolgten. Das kann sogar für Zahlungen an Dritte gelten, auf die diese eigentlich einen Anspruch hatten.

Fazit

Die Arbeit des Insolvenzverwalters ist nicht immer einfach, aber sehr abwechslungsreich. Neben umfangreichen juristischen Kenntnissen muss sich der Verwalter auch mit betriebswirtschaftlichen Vorgängen auskennen, um auf dieser Grundlage weitreichende Entscheidungen zu treffen. Bei betrieblichen Insolvenzen geht es dabei meist um die Frage: Kann das Unternehmen fortgeführt oder muss es abgewickelt werden? Neben diesen fachlichen Qualifikationen muss der Insolvenzverwalter aber auch auf der zwischenmenschlichen Ebene einiges leisten: Das betrifft nicht nur den Umgang mit dem Schuldner selbst, sondern häufig die Kommunikation mit den Arbeitnehmern des Insolvenzschuldners – etwa im Fall der Kurzarbeit oder sogar Kündigung.

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Quelle BECK Stellenmarkt 7/2017