Der Insolvenzverwalter

von Marco Hoedt und Nina Ofenloch, Hoedt Executive Search

Ausgangslage

Betrachtet man die Entwicklung der Unternehmensinsolvenzen in Deutschland, ist ein leichter Rückgang zu verzeichnen, der sich voraussichtlich auch im ersten Halbjahr 2011 fortsetzen wird. Jedoch scheint eine generelle Entwarnung verfrüht. In vielen Unternehmen ist das Eigenkapital während der Krise massiv geschrumpft. Im Zuge des Aufschwungs muss das Wachstum finanziert werden, was massive Liquiditätsengpässe herbeiführen kann, zumal die Banken bei der Kreditvergabe wesentlich zurückhaltender agieren. Zudem setzen Insolvenzsituationen regelmäßig erst mit mehrmonatiger Verzögerung ein.

Die Entscheidung über die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens resultiert unter anderem aus der nicht nur vorübergehenden Zahlungsunfähigkeit eines Schuldners. Bereits eine drohende Zahlungsunfähigkeit und/oder eine Überschuldung können zur Insolvenz führen, soweit die Zahlungsunfähigkeit – in der Regel während des Zeitraums eines Jahres – wahrscheinlicher ist als deren Vermeidung.

Trotz des Rückgangs von Unternehmensinsolvenzen sieht die Situation für Juristen mit insolvenzrechtlicher Ausrichtung gut aus, denn überall wo sich Unternehmen neu strukturieren müssen oder Insolvenz anmelden, sind Experten im Bereich des Insolvenzrechts unabdingbar. Wirtschaftskanzleien und Insolvenzverwaltungen haben längst reagiert. Der Beruf des Insolvenzverwalters beweist sich als konjunkturunabhängiges Erfolgsmodell. Und auch in guten Zeiten gilt: Pleiten gibt es immer!

Qualifikation

Der Beruf des Insolvenzverwalters ist vielseitig, begehrt und seine Tätigkeit durchaus als eigenständiger Beruf zu qualifizieren. Dies hat das Bundesverfassungsgericht bereits in seiner Entscheidung vom 23. Mai 2006 herausgestellt und dürfte heute auch dem Selbstverständnis aller professionell tätigen Verwalter entsprechen. Demnach wäre es inadäquat, die Verwaltertätigkeit als bloße Nebentätigkeit zu bezeichnen. Sie fordert den versierten Juristen ebenso wie den Kaufmann; den Unternehmer ebenso wie den Finanzexperten.

Zu den Hauptaufgaben des Insolvenzverwalters gehört, schuldnerfremde Gegenstände aus der Insolvenzmasse auszusondern, die Masse um zum Vermögen gehörende Gegenstände zu ergänzen und die Insolvenzmasse anschließend gleichmäßig an die Insolvenzgläubiger zu verteilen.
„Die“ berufliche Ausbildung zum Insolvenzverwalter gibt es nicht. Jedoch sind Insolvenzverwalter regelmäßig Rechtsanwälte mit Schwerpunkt Insolvenzrecht oder aber Betriebswirte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer. Diese Grundausbildungen werden durch insolvenzrechtliches Fachwissen ergänzt. Jedoch ist nicht zu unterschätzen, dass hierbei praktische Erfahrungen zwingend vorausgesetzt werden.
Jurastudenten mit Interesse am Insolvenzrecht wird daher nahegelegt, bereits während des Studiums Praktika bei erfahrenen Insolvenzverwaltern zu absolvieren. Dies kann bei einer späteren Einstellung entscheidend sein. Wer den Einstieg in einer auf Insolvenzverwaltung spezialisierten Kanzlei schafft, hat neben der praktischen Arbeit auch zahlreiche Möglichkeiten der Fortbildung.

Auch branchenspezifische Kenntnisse können Amtsgerichten – diese bestellen die Insolvenzverwalter – die nötige Kompetenz eines Insolvenzverwalters vermitteln. Möglich ist der Erwerb entsprechender Qualifikationen etwa durch ein Aufbaustudium neben dem Beruf, beispielsweise als Immobilienökonom. Dies ist besonders dann dienlich, wenn das Gericht einen Insolvenzverwalter benötigt, der die Insolvenzverwaltung von Bauträgern oder die Zwangsverwaltung von Immobilien übernehmen soll.

Auswahl und Vergütung des Insolvenzverwalters

Das Auswahlverfahren für Insolvenzverwalter ist seit langer Zeit Gegenstand zahlreicher Entscheidungen und Diskussionen. Zum Insolvenzverwalter ist zunächst eine für den jeweiligen Einzelfall geeignete, insbesondere geschäftskundige und von den Gläubigern und dem Schuldner unabhängige natürliche Person zu bestellen. Die Bestellung für eine Insolvenzverwaltung kommt, wie gesagt, vom zuständigen Amtsgericht. Demnach kann zunächst und prinzipiell jeder Insolvenzverwalter werden. Er muss lediglich die Tätigkeit des Insolvenzverwalters beherrschen.

Um die Zahl und die Qualifikation der bestellten Insolvenzverwalter zu sichern, hat das Insolvenzgericht Hannover das sogenannte „Hannoveraner Modell“ entwickelt, welches der effektiven Verwalterauswahl dienen soll. Bundesweit wurde es von einigen Insolvenzgerichten als Maßstab anerkannt. So zählen zu den Benennungsfaktoren u.a. generelle Kriterien wie vorhandene Erfahrung als Verwalter, geeignete technische und organisatorische Ausstattung, ein im Gerichtsbezirk gelegenes Büro, aber auch Einzelfallkriterien wie die Anfechtungsquote, die Quote der ungesicherten Gläubiger oder die Quoten von Planverfahren. Es wird sich zeigen, ob weitere Gerichte diesem Modell folgen werden.

Die Vergütung des Insolvenzverwalters ist in der Insolvenzvergütungsverordnung (InsVV) geregelt. § 2 InsVV bestimmt, dass sich die Vergütung des Insolvenzverwalters nach der Insolvenzmasse richtet. Diese ist das gesamte Vermögen des Schuldners zum Zeitpunkt der Eröffnung des Verfahrens und solches, das er während des Verfahrens erlangt – so die Legaldefinition in § 35 I InsO. Erfordert die Tätigkeit einen höheren Arbeitsaufwand oder war sie mit besonderen Schwierigkeiten verbunden, kann ein höherer Satz gezahlt werden. Insolvenzverwalter erhalten ihre Vergütung üblicherweise erst bei Abschluss des Verfahrens. Jedoch kann das Gericht einen Vorschuss gewähren, welchen dieser aus der Masse entnehmen kann.

Wechsel von Kanzlei zu Kanzlei

Insolvenzverwalter sind, sofern nicht Partner, selbständig oder Angestellte in Kanzleien oder Insolvenzverwaltungsgesellschaften. Da Insolvenzverwalter persönlich – und nicht die dahinterstehenden Kanzleien – für konkrete Verwaltungen bestellt werden, nehmen Insolvenzverwalter bei Kanzleiwechseln ihre Bestellungen mit. Für die Aufteilung der meist erst zu einem späterem Zeitpunkt gewährten Vergütung hat sich eine Teilung „pro rata temporis“ zwischen alter und neuer Kanzlei bewährt. Jedenfalls sind Kanzleiwechsel von Insolvenzverwaltern nicht unbedingt schwieriger als solche von Rechtsanwälten, die keine Insolvenzverwalter sind.

Seinen Ruf muss sich der Insolvenzverwalter durch erfolgreiche Insolvenzabwicklungen erarbeiten. Erst nach einigen erfolgreich abgewickelten Insolvenzen wird der Insolvenzverwalter auch für größere und somit einträglichere Aufträge bestellt, insbesondere für die lukrativen Insolvenzverfahren über Kapitalgesellschaften.

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Quelle NJW 14/2011