Als Jurist in einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

von Lisa Fleischmann

Ein abgeschlossenes Jurastudium in der Tasche öffnet einem viele Türen, doch welche soll man durchschreiten?

Traditionell können sich Juristen zwischen drei grundlegenden Berufsfeldern entscheiden:

Eine Arbeit im öffentlichen Dienst, ob in der Verwaltung oder der attraktiveren Rechtspflege, bietet Jobsicherheit und eine relativ familienfreundliche Arbeitszeitgestaltung. Dies ist die richtige Wahl für jene mit besonderem sozialem oder gesellschaftspolitischem Interesse, das sie als Staatsanwalt oder Richter zum Beispiel im Umgang mit dem Straf- oder Arbeitsrecht ausleben können.

Eine Beschäftigung als Rechtsanwalt in einer Großkanzlei verspricht hingegen bessere Karrierechancen und Verdienstmöglichkeiten.

Als drittes bietet sich die Spielwiese der freien Wirtschaft, und dabei entweder die Arbeit in Rechtsabteilungen von Unternehmen und Verbänden oder in prestigeträchtigen, international agierenden  Wirtschaftsprüfungsgesellschaften (WGP). Letztere sind unentbehrlich für die gesamte Wirtschaftsbranche, da ihnen die hoheitliche Aufgabe zufällt, die Legitimität der Jahresabschlüsse aller bedeutenden Unternehmen durch die Erteilung eines Testats zu bestätigen.

Ein Jurist, der für eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft tätig ist, sollte daher ein gesteigertes Unternehmens- und Rechnungslegungsinteresse mitbringen, da kniffelige Bilanzierungsfragen und Interpretationen des Handelsgesetzbuchs (HGB) bzw. der nationalen sowie internationalen Buchführungsrichtlinien (IFRS, GAAP) in seinen täglichen Aufgabenbereich fallen.

Die größten und renommiertesten ihrer Art werden auch big four genannt und prüfen die überwiegende Anzahl der weltweit börsennotierten Kapitalgesellschaften. PricewaterhouseCoopers, KPMG, Ernst & Young und Deloitte Touche Tohmatsu stellen mit insgesamt rund 31.000 Mitarbeitern in Deutschland somit die größten Arbeitgeber in dieser Branche dar. Sie beschäftigen dabei neben Juristen insbesondere Kaufleute, die jeweils eng zusammenarbeiten, um fachlich ein möglichst breites Spektrum abzudecken.

Aufgaben in einer WPG

Das Aufgabenfeld erstreckt sich von der Steuerberatung (Geschäftsbereich TAX), über die Unternehmensberatung (ADVISORY), bis hin zum eigentlichen Kernbereich der Wirtschaftsprüfung (AUDIT). Im Bereich der Steuerberatung wird versucht, im direkten Kundenkontakt die konkrete Steuerbelastung des Mandanten zu minimieren. Außerdem können in seinem Auftrag Gutachten zu steuerlichen Fragen entworfen und Rechtsbehelfe begründet werden. Aufgrund der hohen Komplexität des deutschen Steuerrechts und der geringen Vertiefung im Studium werden dem Jung-Juristen dazu weiterbildende Schulungen angeboten und ein learning-by-doing ermöglicht.

Des Weiteren werden Freistellungen für die Vorbereitung auf das Steuerberatungsexamen gewährt, durch das man sich die begehrte Doppelqualifikation als Jurist und Steuerberater sichern kann.

Im Bereich der Unternehmensberatung bieten sich sehr abwechslungsreiche Projekte, es wird Unternehmen in der Krise geholfen, beispielsweise durch finanzielle, operative und strategische Restrukturierung. Bei einer strukturellen Optimierung eines Konzerns stellen sich sowohl kaufmännische als auch juristische Fragen, daher ist hier Teamfähigkeit gefragt. In Fragen des Gesellschafts- und Kapitalmarktrechts ist ein Kaufmann allein oft überfordert. Da ergänzende juristische Expertise erforderlich ist, arbeiten beide Berufsgruppen hier Hand in Hand.

Im Zuge der Globalisierung gründen viele Unternehmen Töchtergesellschaften in unterschiedlichen Ländern, teils wirtschaftlich bedingt, teils aufgrund von Steuervorteilen. Dabei sind länderübergreifende Fragestellungen zu beantworten, um den Konzern optimal aufzustellen. Die juristischen Rahmenbedingungen jedes Landes zu kennen überfordert üblicherweise den Allround-Juristen einer Unternehmensrechtsabteilung. Daher wendet man sich an WPGs, die länderübergreifend zu jedem Thema mit einem entsprechenden Spezialisten aufwarten können.

Kernbereiche einer WPG

Schließlich kommen wir zum Kernbereich einer WPG, dem der Wirtschaftsprüfung. Jede bedeutende Firma braucht einen testierten Jahresabschluss, da durch Anteilseigner und Gläubiger ein öffentliches Interesse an der wirtschaftlichen Situation der Firma besteht. Die Wirtschaftsbilanz (HBG-Abschluss) und die Steuerbilanz verfolgen zum großen Teil gegenläufige Interessen, dürfen sich aber nicht direkt widersprechen. Der HGB-Abschluss dient dem Gläubigerschutz mit dem Ziel, das Vermögen nicht zu hoch zu bewerten und das Unternehmen nicht attraktiver wirken zu lassen, als es tatsächlich ist. Der Steuerabschluss für die Finanzbehörden muss hingegen sicherstellen, dass der Gewinn nicht zu niedrig ausgewiesen wird, nur um so die Steuerlast zu reduzieren. Dieser Interessenkonflikt ist von Juristen und Ökonomen entsprechend auszubalancieren.

Bei international agierenden Konzernen sind zur Erstellung der Einzelabschlüsse und des Konzernabschlusses zudem länderübergreifende Rechtskenntnisse erforderlich.

Der Jurist in einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zeichnet sich daher besonders durch seine Interdisziplinarität aus, da neben rechtlichen und steuerlichen Fragestellungen auch wirtschaftliche Probleme in einem internationalen Umfeld gelöst werden müssen.

Foto oben: sebra/stock.adobe.com

 

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Quelle BECK Stellenmarkt 18/2014