Niedrigzins hat gravierende Folgen im Alter

von Elmar Peters

Die andauernden Niedrigzinsen sind nicht nur für Sparer ein Ärgernis. Sie stellen auch Versorgungswerke vor große Probleme bei der Rentensicherung.

Knapp eine Million Freiberufler – Rechtsanwälte, Ärzte oder Apotheker – legen über Versorgungswerke Geld für ihre Altersvorsorge zurück. Ob das heute eingezahlte Kapital später für den Ruhestand reicht, hängt davon ab, ob die Versorgungswerke das Kapital gewinnbringend anlegen können.

Dabei unterliegen die Versorgungswerke festen Regeln für die Geldanlage. So müssen sie beispielsweise mindestens 25 Prozent ihres Kapitals in Anleihen investieren. Und genau das wird angesichts der andauernden Niedrigzinsen zu einem Problem: Statt für das geliehene Geld Zinsen zu zahlen, verlangt beispielsweise der deutsche Staat für bestimmte Anleihen mittlerweile negative Zinsen. Das heißt, der Gläubiger zahlt sogar noch dafür, dass er dem Staat Geld leiht.

Im Frühsommer rentierten deutsche Bundesanleihen mit einer Laufzeit von zehn Jahren unter minus 0,2 Prozent. Tiefer als im ewigen Niedrigzinsland Japan.

Das hat Folgen – auch für Versorgungswerke. Denn sie müssen in eine Anlageklasse investieren, in der es in zunehmendem Maße keine Zinsen mehr gibt. Und: Je länger die Nullzinsphase dauert, des tiefer „frisst“ sich der Negativzins in das Anleiheuniversum hinein. Ende März betrug das Volumen der Anleihen mit negativer Verzinsung weltweit die unvorstellbare Summe von mehr als 10 Billionen US-Dollar.

Erste Versorgungswerke haben schon damit begonnen, entweder ihren Rechnungszins – also ihre Leistungszusagen für das Alter – zu senken oder die Anwartschaften weniger schnell steigen zu lassen. Am Ende droht das gleiche Ergebnis: eine Renteneinbuße.

Nullzins trifft auch Freiberufler

So wie Sparer der Nullzins auf dem Sparkonto trifft, so trifft also der Nullzins auch langfristig die Altersvorsorge vieler Freiberufler.

Vermeintlich „sichere“ Anlagen sorgen über die Zeit für einen sicheren realen Vermögensverlust oder zumindest für Einbußen, etwa durch geringer als ursprünglich erwartete Rentenbezüge. Es kann deshalb für Freiberufler sinnvoll sein, die Altersvorsorge aus mehreren Bausteinen zusammenzusetzen.

Idealerweise schaffen sich Anleger ein robustes Portfolio, das zwar kurzfristig im Wert schwanken kann, das Vermögen aber langfristig erhalten und mehren soll. Ein wichtiger Bestandteil eines solchen Portfolios sind Aktien. Diese Anlageklasse kann auch in einer Welt ohne Zinsen für langfristig auskömmliche Renditen sorgen – wenn die Anleger auf Qualität achten.

Geduld und Flexibilität sind gefragt

Um solche Chancen zu nutzen, benötigt der Anleger zwei Eigenschaften. Die erste lautet Geduld. Kurzfristige Kurseinbrüche spielen bei einem langen Anlagehorizont keine wesentliche Rolle. Wer die Volatilität gänzlich mit Sicherheitsstrategien eindämmen möchte, muss auf einen erklecklichen Anteil seiner Rendite verzichten.

Kursrückgänge eröffnen Einstiegschancen

Ein deutlicher Kursrückgang etwa erhöht die Volatilität einer Aktie. Aus Sicht von Anhängern der klassischen Portfoliotheorie steigt damit auch das Risiko, obwohl der Preis nun sehr viel niedriger ist als zuvor.

Für den kaufmännisch denkenden Investor dagegen ist es genau umgekehrt: Ein tieferer Einstiegskurs bedeutet ein geringeres Risiko, weil er das Renditepotenzial erhöht – vorausgesetzt, an der Substanz des Unternehmens hat sich nichts verändert. Volatilität ist aus seiner Sicht nichts Böses, im Gegenteil: Sie beschert ihm von Zeit zu Zeit Sonderangebote. Der Gewinn liegt bekanntlich (auch) im Einkauf.

Die zweite Eigenschaft lautet Flexibilität. Gerade sie ist für den Anlageerfolg entscheidend. Nur wer Opportunitäten nutzt und genügend Cash auf der hohen Kante hat, kann im Falle eines kurzfristigen Kurssturzes von Aktien-Schnäppchen profitieren. Illiquide Anlagen – etwa in geschlossene Beteiligungen – machen Investoren unflexibel.

Ein guter Mix senkt Risiken

Ein Portfolio, das nur aus Aktien besteht, kann unseres Erachtens aber nicht alle Marktturbulenzen unbeschadet überstehen. Dafür ist ein Mix aus verschiedenen Anlageklassen wichtig. Dazu zählen auch Anleihen.

Die letzten Krisen an den Börsen haben gezeigt, dass die traditionelle Lehre, nach der die steigenden Kurse von sicheren Staatsanleihen die Verluste der Aktien im Depot wieder wett machen, nicht mehr in jedem Falle gilt. Ein Teil des Depots sollte wegen der Diversifikation dennoch auch aus Bonds bestehen. Wir investieren vor allem in Unternehmensanleihen, die ein gutes Verhältnis von Chancen und Risiken bieten.

Die robusteste Anlageklasse sind Edelmetalle, allen voran Gold. Zumindest mit Blick auf die Fragilität unseres Finanzsystems. Gold ist für uns eine Feuerversicherung, für den Fall, dass das Vertrauen in das Papiergeld unserer expansiven Notenbanken schwinden sollte. Hoffen wir, dass wir diese „Police“ niemals benötigen.

Über den  Autor:

Elmar Peters
Fondsmanager,
leitet seit April 2016 gemeinsam mit Dr. Bert Flossbach
das Multi-Asset-Team der Flossbach von Storch AG

Quelle NJW 31/2019