Thema Private Vorsorge: Wenn die Rentenleistung für den gewohnten Lebensstandard nicht ausreicht

Interview mit Niels Sanders

Als Selbstständige stehen Anwälte vor der Herausforderung, für den Ausfall durch Krankheit selbst vorzusorgen – hier gilt es, die passende Privatversicherung zu finden. Für angestellte Juristen gibt es ebenfalls eine große Auswahl an privaten Zusatzversicherungen. Worauf man hier achten sollte, verrät Niels Sanders, Vorsorgespezialist beim Versicherungsmakler Hoesch & Partner.

Gibt es einen Rat, den Sie speziell unseren Lesern geben können?

Private Berufsunfähigkeitsversicherungen werden von Berufstätigen, die einem Versorgungswerk zugehörig sind, häufig außer Acht gelassen. Das Versorgungswerk bietet in der Tat eine Absicherung gegen Berufsunfähigkeit, die die Ansprüche eines gesetzlich Rentenversicherten häufig deutlich übersteigt. Dennoch sind die Eingangshürden für den Bezug einer Leistung aus dem Versorgungswerk nicht zu unterschätzen. Zudem müssen die Rentenansprüche aus dem Versorgungswerk analysiert werden.

Wir prüfen regelmäßig Ansprüche und stellen fest, dass die Rentenleistung meistens nicht ausreicht, um den Lebensstandard zu halten. Auch wegen dieser Unterversorgung empfiehlt sich eine private Berufsunfähigkeitsversicherung.

Was gilt es bei der Berufsunfähigkeitsversicherung für Anwälte zu beachten?

Die Berufsunfähigkeitsversicherung zählt zweifellos zu den wichtigsten Versicherungen für Anwälte. Bei der Auswahl des passenden Tarifes gibt es jedoch einiges zu beachten. Aus Sicht des Versorgungswerks besteht bei berufsunfähigen Anwälten immer noch die Chance, dass der Betroffene noch anderweitig tätig sein könnte.

So könnte ein Anwalt, der beispielsweise an einem Erschöpfungssyndrom leidet, seine Tätigkeit stark reduzieren und einen zweiten Anwalt seiner Kanzlei beauftragen, seine Mandanten zu übernehmen.

Damit wäre er nicht berufsunfähig. Ich zitiere hier mal stellvertretend das Versorgungswerk der Rechtsanwälte im Lande Hessen – Körperschaft des öffentlichen Rechts Satzung – 2018 – § 16, Abs. 2 (der Link zum Download der Satzung ist hier: https://www.vw-ra-hessen.de/media/pdf/Satzung.pdf):

„Um Leistung zu erhalten, muss der Anwalt wegen Krankheit, eines körperlichen Schadens oder wegen Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte (…) mindestens auf Dauer von sechs Monaten (…) unfähig sein UND seine berufliche Tätigkeit als Rechtsanwalts oder als Rechtsanwalt und Notar einstellen.“

Aus meiner Sicht kommt das einer offiziellen Abgabe der Zulassung gleich. Hier gilt also das Prinzip „Alles oder Nichts“: Ein Anwalt muss zu 100 Prozent berufsunfähig sein, um die BU-Rente des Versorgungswerkes zu erhalten.

Was raten Sie im Zusammenhang mit privaten Krankenzusatzversicherungen? Wann braucht man die?

Die Gesetzliche Krankenversicherung – oder kurz GKV – liefert die elementaren, lebenswichtigen medizinischen Leistungen. Diese werden jedoch durch gesetzliche Vorgaben vielfach budgetiert und mit teilweise erheblichen Selbstbehalten versehen. Die sich so ergebenden Lücken auszugleichen ist die Aufgabe einer privaten Krankenzusatzversicherung.

Dieses Thema ist vielschichtig, besteht es doch aus unterschiedlichen Leistungsarten, die man sich – je nachdem, was individuell notwendig ist – einzeln anschauen muss. Das müssen wir im Detail behandeln.

Also gut, gehen wir ins Detail. Was raten Sie, wenn es um stationäre Behandlung geht?

Der Versicherte in der GKV hat Anspruch auf die sogenannten „Allgemeinen Krankenhausleistungen“ im nächstgelegenen geeigneten Krankenhaus. Daneben bieten Krankenhäuser sogenannte „Wahlleistungen“ an.

Hierzu zählen vor allem die Wahl des Arztes, des Krankenhauses sowie die Wahl der Unterbringung im Ein- oder Zweibettzimmer. In jedem Fall verursachen Wahlleistungen Kosten, die der Patient selbst bezahlen muss.

Eine Zusatzversicherung sollte diese Wahlleistungen abdecken. Manche Tarife übernehmen die Selbstbeteiligung der GKV von zehn Euro pro Tag im Krankenhaus.

Und was ist im ambulanten Bereich anzuraten?

GKV-Versicherte müssen bei Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln mit zum Teil erheblicher Eigenbeteiligung rechnen: Bei Brillen für Erwachsene zum Beispiel sind es 100 Prozent. Wird bei einem Bezug von Hilfsmitteln zudem nicht die „einfachste“ zweckmäßige Ausführung gewählt, muss der Patient die Differenz selber tragen. Bestimmte Behandlungen wie beispielsweise Naturheilkunde werden zudem von der GKV regulär gar nicht übernommen. Eine leistungsstarke Zusatzversicherung sollte hier in der Lage sein, Teile der Selbstbeteiligungen aufzufangen.

Was bedeutet Krankentagegeld – und reicht das, um im Krankheitsfall mögliche Einkommensnachteile auszugleichen?

Bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit und nach Ablauf der Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber bekommen GKV-Versicherte ein Krankengeld. Das ist abhängig vom Einkommen, so wie der Beitrag auch.

Dieses Krankengeld ist durch verschiedene Bemessungsgrenzen limitiert, so dass der Versicherte auch trotz Krankengeldbezug nie sein tatsächliches Nettoeinkommen erhält. Eine private Zusatzversicherung kann diese Lücke schließen, damit im Falle einer längeren Arbeitsunfähigkeit dasselbe Nettoeinkommen zur Verfügung steht wie im aktiven Erwerbsleben.

Über den Interviewpartner:

Niels Sanders
unabhängiger Vorsorgespezialist beim
Premium-Makler Hoesch & Partner

Quelle BECK Stellenmarkt 3/2019