Themenschwerpunkt Referendariat: Erfahrungsbericht über die Verwaltungsstation in der Stadtverwaltung

von Michael Marquardsen, Rechtsreferendar am OLG Schleswig sowie Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht und Zivilprozessrecht der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

In Schleswig-Holstein folgt die Verwaltungsstation auf die Zivilstation und dauert vier Monate. Zu Beginn der Station findet ein dreitägiger Einführungslehrgang statt, in dessen Rahmen sich Verwaltungsinstitutionen vorstellen und die Kenntnisse im Öffentlichen Recht aufgefrischt werden. Da die Verwaltungsstation die erste Station ist, bei der man selber auf Stationssuche gehen muss, und sich einem ein bunter Strauß an Stationsmöglichkeiten bietet, wird in dem Einführungslehrgang wie auch in der stationsbegleitenden Arbeitsgemeinschaft mehr der examensrelevante Stoff aufbereitet als die Stationsarbeit vorbereitet.

Von den vielfältigen Möglichkeiten, die Verwaltungsstation zu absolvieren (in- wie ausländische Industrie- und Handelskammer, Botschaft oder Konsulat, Landes- oder Bundesministerium) ist die Station bei der Stadtverwaltung wohl die gängigste.

Bei der Hansestadt Lübeck besteht die Möglichkeit, in der Bewerbung eine Präferenz hinsichtlich des Bereiches zu äußern, innerhalb dessen man seine Station gerne absolvieren möchte. Letztendlich bleibt die Einteilung in die verschiedenen Bereiche dem zuständigen Beamten des Bereiches Recht überlassen.

Je nach Bereich kommt man nun mit Rechtsgebieten in Berührung, die einem im Studium nur am Rande begegnet sind. So beschäftigt man sich im Bereich Ausländerangelegenheiten mit Aufenthalts- und Asylrecht, im Bereich Soziale Sicherung mit den einzelnen Büchern des Sozialgesetzbuches hoch und runter, während es in der Führerscheinstelle gilt, die beantragten Fahrerlaubnisse auf das Vorliegen ihrer zu ihrer Ausstellung erforderlichen Voraussetzungen hin zu überprüfen. Natürlich sind auch die gängigeren Rechtsgebiete vertreten, so wie im Ordnungsamt und im Bereich Bauen und Planen.

Spannend war die Station insbesondere im Bereich Umwelt-, Natur- und Verbraucherschutz. Hier kommt man nicht nur mit einem bisher meist unbekannten Rechtsgebieten wie dem Tierschutzrecht und den Umweltschutzgesetzen, dem Wald-, Bodenschutz- oder Wassergesetz in Berührung, sondern wird auch interdisziplinär gefordert. Gerade die Gesetze zum Umweltschutz sind mit naturwissenschaftlichen Termini derart verknüpft, dass man sich bei den einzelnen Fragen in die allgemeine Thematik, z. B. bei Verunreinigungen von Wasser und Boden, erst gründlich einarbeiten muss.

Im Allgemeinen umfassen die Aufgaben in der Station das Erstellen von Ausgangsbescheiden an Bürger in Unternehmen, also an Antragssteller oder Störer. Liegt bereits ein Ausgangsbescheid vor und hat der Adressat Widerspruch eingelegt, so findet eine Widerspruchsprüfung statt und je nach Sachlage wird dem Widerspruch abgeholfen oder ein Widerspruchsbescheid gefertigt. In manchen Bereichen gibt es einen Widerspruchsausschuss, der abschließend über den Widerspruch entscheidet. Für diesen ist es dann erforderlich, die angefallen Widersprüche aufzuarbeiten, insbesondere, wenn man diese nicht selbst erstellt hat, sie aber dennoch vorgetragen werden sollen. Diese muss der Referendar dann dem Widerspruchsausschuss vorstellen und ihn von der Richtigkeit seiner Einschätzung überzeugen. Es erfolgt eine kurze Aufbereitung des Sachverhalts, gefolgt von der Darstellung der Entscheidung sowie einer möglichen Diskussion über den Fall. Hier gilt es auch, auf mögliche, teils überraschende Fragen, die nicht zwingend juristischer Natur sind, spontan Antworten geben zu können. Diese Situation ähnelt stark jener in der mündlichen Prüfung und ist daher als Vorbereitung auf diese nur zu empfehlen – wenn man die Gelegenheit dazu bekommt.

Gerade in den sozialen Bereichen kommt es entscheidend darauf an, nicht nur starr an Normen zu verharren, sondern auch immer auf den Antragsteller als Individuum einzugehen und möglicherweise neben der schlichten Ablehnung auch mögliche Alternativen zur Lösung des Problems aufzuzeigen.

Diese Arbeit schult nicht nur für das bevorstehende Examen, sondern fördert auch die im späteren Berufsleben erwarteten Sozialkompetenzen, sich auf sein Gegenüber einzulassen und sich anderen Argumente und Sichtweisen zu öffnen.

Die einzelnen Bereiche der städtischen Verwaltung sind meist froh, wenn sie „Juristen“ im Bereich haben, denen sie ihre Rechtsfragen stellen können. So bearbeitet man meist nicht nur die zugewiesen Akten, sondern recherchiert auch Fragestellungen aus anderen Bereichen. Im Bereich Umwelt-, Natur- und Verbraucherschutz wird man als Untere Natur-, Bodenschutz-, oder Wasserbehörde tätig. Hier werden Baumfällgenehmigungen erteilt oder versagt, Bodenarbeiten überwacht und Auflagen erteilt. Die Wasserbehörde überwacht z. B. die Einleitungen von Schmutzwasser in die Trave durch Containerschiffe etc.

Wer aufgeschlossen ist und keine Angst hat, sich auch mal dreckig zu machen, der kann auch mit in den Außeneinsatz und dort aktiv tätig werden. So kommt es vor, dass man mit Schaufel, Pürckhammer (zur Entnahme von Bodenproben) und GPS-Gerät loszieht, um ungenehmigte Aufschüttungen zu begutachten, die eingebrachten Materialien zu untersuchen und die in etwa aufgebrachte Menge an Bodenmaterial zu berechnen.

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Quelle BECK Stellenmarkt 17/2017