Vorteile der Kombination aus LL.M. in Deutschland und einer theoretischen Fachanwaltsausbildung

von Claudia Bieber, LL.M., Programmdirektorin für Degree Programmes & Executive Education an der Frankfurt School of Finance & Management in Frankfurt am Main

Wenn man sich heute Stellenanzeigen der Top 50 Kanzleien in Deutschland anschaut, bekommt man immer häufiger den Eindruck, dass ein LL.M. zunehmend die gleiche Wertigkeit hat wie der altehrwürdige deutsche Dr. jur.
Doch welcher Master zählt? Ein deutscher, ein kontinentaleuropäischer oder gar nur ein angloamerikanischer?

Dabei muss man sich zunächst vor Augen führen, dass in Deutschland – vermutlich an allen Fakultäten, außer den juristischen und medizinischen – der durch die Bologna-Reform angestoßene Prozess der Internationalisierung inzwischen vollzogen wurde.

Die führenden deutschen Universitäten bieten heute ein weitgehend nach angloamerikanischem Vorbild strukturiertes Doktorandenstudium an, und der dabei erworbene Titel ist nach seiner Konzeption als Einstieg in eine wissenschaftliche Laufbahn gedacht.

Eine Promotion ohne Teilnahme an einem solchen Doktorandenprogramm ist bald wohl gar nicht mehr möglich. Dies klingt ein bisschen wie der Todesstoß für die bei Juristen immer noch sehr beliebte freie und auch gerne berufsbegleitende Promotion, deren Ziel oft weniger die wissenschaftliche Qualifikation als der Titel ist.

Anders stellt sich die Situation für den Master of Laws (LL.M.) mit seinen Varianten M. C.L, LL.M. eur etc. dar. Der Master of Laws amerikanischer Law Schools hatte ursprünglich zum Ziel, nach dem Jurastudium zu einer fachlichen Spezialisierung zu führen. Er ist dabei in seinem angloamerikanischen Ursprungsumfeld niemals Voraussetzung für eine Berufsqualifikation, wie etwa das Bar Exam oder auch nur eine akademische Laufbahn gewesen.

Allerdings kann er ausländischen Juristen mittlerweile die Zulassung zum Bar Exam eröffnen. Für Juristen aus Deutschland und anderen civil law-Rechtsordnungen bot er nämlich die zunehmend genutzte und im Rahmen der Globalisierung geschätzte Möglichkeit zum Erwerb von Grundkenntnissen im (US) common law. Entsprechend haben zahlreiche amerikanische Law Schools mittlerweile auch eher allgemein ausgelegte Masterstudiengänge konzipiert, die im Kern eine Introduction to American Law oder Anglo-American Law zum Ziel haben.

Die Studierenden haben die Möglichkeit, aus der Vielzahl von Standardstudienangeboten auszuwählen. Daneben gibt es aber natürlich weiter das eher an ein inländisches Publikum gerichtete Angebot der Spezialisierungsmaster.

In Deutschland und anderen kontinentaleuropäischen Ländern ist der LL.M. dagegen ein relativ „neues“ Produkt, vor allem entstanden durch die Bologna-Reform, auch wenn es – etwa am Europainstitut der Universität Saarbrücken seit den 1950 er Jahren – Vorläufer gab. Manche Universitäten, etwa Köln oder Konstanz, verleihen sogar einen Magister nach erfolgreichem Abschluss der universitären Juristenausbildung, andere bevorzugen den Diplomjuristen. Der heute an zahlreichen Universitäten, Law Schools und sogar Business Schools angebotene LL.M. orientiert sich in seiner Struktur inzwischen klar an den angelsächsischen Vorbildern.

Auf der einen Seite gibt es traditionell Angebote für ausländische Juristen, oft unterrichtet auf Englisch, mit dem Ziel einer Einführung in das deutsche/europäische Rechtssystem. Daneben haben sich an zahlreichen Universitäten und Business Schools Spezialisierungsmasterstudiengänge etabliert. Diese entsprechen konzeptionell den amerikanischen Spezialisierungsmastern, werden aber meist auf Deutsch angeboten. Dabei entfällt die mit einem im englischsprachigen Umfeld erworbenen LL.M. verbundene beziehungsweise vermutete Sprachkompetenz und der Erwerb von allgemeinen common law-Grundkenntnissen.

Die erworbenen rechtlichen Spezialkenntnisse sind aber zumeist rechtsordnungsübergreifend und oft sogar in besonders hohem Maße angloamerikanisch geprägt, etwa im M&A-Bereich oder Kapitalmarktrecht. Eine Besonderheit der deutschen LL.M. Programme ist darüber hinaus, dass sie oft nicht nur „angehenden“ Volljuristen offenstehen, sondern auch Wirtschaftsjuristen und sogar bisweilen Absolventen anderer Studiengänge. So nehmen etwa die interdisziplinär ausgerichteten LL.M.-Studiengänge Mergers & Acquisitions in Münster und Frankfurt regelmäßig auch Wirtschaftswissenschaftler und andere M&A-Praktiker auf. Am Institute for Law and Finance der Goethe-Universität (LL.M. Finance) und an der Frankfurt School of Finance & Management stellen die Juristen sogar eine Minderheit dar.

Angesichts dieses Spezialisierungskonzepts bietet es sich natürlich an, Masterstudiengänge mit einer Fachanwaltsausbildung zu verbinden. Ganz besonders nahe liegt dies etwa in Bereichen wie dem Arbeitsrecht und Steuerrecht, aber auch im M&A-Umfeld mit seinen starken Bezügen zum Gesellschaftsrecht. Da nicht alle Master-Studenten an dieser Option interessiert sind, weil sie gar nicht Rechtsanwalt werden können oder wollen, wird dies als freiwilliges Zusatzmodell angeboten.

Die Fachanwaltschaft mit der entsprechend erforderlichen Spezialausbildung und mittlerweile auch einer Fortbildungspflicht orientierte sich zunächst an der Justiz und insbesondere der Differenzierung der Gerichtsbarkeit. Entsprechend gab und gibt es seit vielen Jahrzehnten Fachanwälte für Arbeitsrecht, Steuerrecht, Verwaltungsrecht und Sozialrecht. Erst verhältnismäßig spät kamen seit Ende des letzten Jahrhunderts Fachanwaltschaften dazu, die sich eher nach den Bedürfnissen der Mandanten ausrichteten und eine mittlerweile eingetretene Spezialisierung der Anwaltschaft berücksichtigten.

Insgesamt existieren mittlerweile 23 Fachanwaltschaften, die in unterschiedlicher Weise den Nachweis sowohl zumeist in kommerziellen Lehrgängen erworbener besonderer theoretischer Kenntnisse als auch durch eigenverantwortliche Bearbeitung gerichtlicher und außergerichtlicher Fälle erworbener praktischer Kenntnisse voraussetzen.

Etwa 20 bis 25 % der deutschen Rechtsanwälte führen eine oder mehrere (bis zu drei) Fachanwaltsbezeichnungen. Dabei liegen die gewissermaßen „klassischen“ Fachanwaltschaften für Arbeitsrecht, Familienrecht, Steuerrecht, Verkehrsrecht und Mietrecht weit vorn. Das Schlusslicht bildet (noch) der erst jüngst eingeführte Fachanwalt für Migrationsrecht.

Einen mittleren Platz nimmt der Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht ein. Für den unternehmensberatenden Rechtsanwalt wird er oft als weniger speziell ‑ als z.B. Insolvenzrecht, Versicherungsrecht, Medizinrecht, Bau- und Architektenrecht, gewerblicher Rechtsschutz (benachbart Urheber- und Medienrecht sowie Informationstechnologierecht) oder Bank- und Kapitalmarktrecht ‑ verstanden, sondern als Ausweis einer durch Kenntnis und Erfahrung untermauerten Spezialisierung der anwaltlichen Beratung und Vertretung von Unternehmen.

Die Anforderungen an die theoretischen Kenntnisse sind hoch, aber nicht abschreckend. Verlangt wird gemäß § 14i der Fachanwaltsordnung (FAO) der Nachweis besonderer Kenntnisse in den Bereichen des materiellen Handelsrechts (insbesondere Handelsstand und Handelsgeschäfte, auch internationales Kaufrecht), des materiellen Gesellschaftsrechts (also dem Recht der Personen- und Kapitalgesellschaften) und des internationalen Gesellschaftsrechts (Kollisionsrecht und international, vor allem europäisch vereinheitlichtes Gesellschaftsrecht) sowie des Konzernrechts, des Umwandlungsrechts, der Grundzüge des Bilanz- und Steuerrechts, des Dienstvertrags- und Mitbestimmungsrechts und der Bezüge zum Arbeitsrecht, Kartellrecht usw. Darüber hinaus auch Kenntnisse der Besonderheiten in der Verfahrens- und Prozessführung.

Naheliegend und nachvollziehbar sind auch die Anforderungen, die gemäß § 4p FAO an den Nachweis des Erwerbs besonderer praktischer Erfahrungen gestellt werden, nämlich eigenverantwortlicher Bearbeitung von 80 Fällen aus mindestens drei verschiedenen Gebieten des materiellen Handels- und Gesellschaftsrechts, wobei 40 Fälle gerichtliche oder schiedsgerichtliche (auch Mediations-) Verfahren und die Gestaltung von Gesellschaftsverträgen, Gründung oder Umwandlung von Gesellschaften zum Gegenstand haben müssen, mindestens jeweils zehn aus dem Streiterledigungs- und Gestaltungsbereich.

In der Praxis stößt dies auf – freilich nicht unüberwindbare – Schwierigkeiten, weil nämlich die hoch spezialisierten Gesellschaftsrechtler regelmäßig keine handelsrechtlichen Streitfälle betreiben und die Zahl gerichtlich, schiedsgerichtlich oder in Mediationsverfahren ausgetragener gesellschaftsrechtlicher Streitigkeiten eher beschränkt ist.

Umgekehrt sind die im Handelsrecht erfahrenen und mit den dort durchaus nicht seltenen Streitigkeiten, etwa im Vertriebsrecht, befassten Rechtsanwälte oft weniger mit der Gestaltung von Gesellschaftsverträgen oder gar Umwandlungen befasst. Die jeweils erforderliche Mindestzahl von zehn Fällen aus einem der beiden Bereiche Streiterledigung bzw. Gestaltung lässt sich aber in dem durch die Fachanwaltsordnung vorgegebenen Dreijahreszeitraum üblicherweise selbst dann erreichen, wenn man in einer internationalen Großsozietät entweder dem Bereich Corporate-Commercial oder Dispute Resolution angehört.

Gerade für Berufsanfänger in den ja nahezu ausschließlich wirtschaftsrechtlich ausgerichteten großen nationalen und internationalen Sozietäten ist deshalb ein Angebot wie das der Frankfurt School of Finance & Management zur Spezialisierung, z.B. in dem renommierten M&A-Studiengang der Hochschule interessant und empfehlenswert, über die Wahrnehmung zusätzlicher Module auch die volle theoretische Ausbildung zur Erlangung des „Fachanwalts für Handels- und Gesellschaftsrecht“ mit zu erledigen. Denn damit kann das erworbene akademische, oft ja auch durchaus sehr praxisorientierte Wissen pragmatisch und zeitsparend für den Erwerb der für Berufsausübung und Mandantenakquisition wichtigen Zusatzqualifikation genutzt werden. Eine echte „Win- Win“ Situation.

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Quelle NJW 45/2017